Eine Wachablösung ist weit entfernt, doch ein lange behaupteter Trend könnte an Fahrt aufnehmen.
25.05.2025
Dollar-Dominanz | Hintergründe | Dollar-Gefahr | Folgt der Euro?
(14 Minuten Lesezeit)
Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)
- Der US-Dollar bleibt trotz schleichender Erosion die dominierende Weltwährung – als Reserve-, Handels-, Schulden– und Ankerwährung.
- Seine Führungsrolle beruht weniger auf Zwang als auf Funktionalität: Der Dollar ist sicher, liquide und weltweit einsetzbar.
- Die USA profitieren stark von diesem „exorbitant privilege“, doch politische und fiskalische Risiken untergraben zunehmend das Vertrauen in ihre Stabilität.
- Unter Trump gerät der Dollar sichtbar ins Wanken: Zölle, Defizite, institutionelle Erosion und Investorenreaktionen zeigen ungewohnte Risse im Safe-Haven-Status.
- Ein unmittelbarer Ersatz ist nicht in Sicht: Der Renminbi scheitert an Kapitalkontrollen und Intransparenz, derEuro an Marktgröße und fehlender Fiskalunion.
- Sollte die Dollar-Dominanz weiter bröckeln, droht kein geordneter Übergang – sondern tendenziell eine fragmentierte Welt mit rivalisierenden Währungsblöcken.
- Der Euro könnte an Einfluss gewinnen, sofern Europa Kapitalmärkte vertieft, gemeinsame Schulden ausweitet und wirtschaftlich geschlossen auftritt.
- Noch bleibt der Dollar dominant; doch erstmals wird die Vorstellung seines beschleunigten Rückzugs ein plausibles Szenario. Für die USA hätte das große Risiken.
Der Dollar dominiert_
(4,5 Minuten Lesezeit)
Die Welt kann ein komplizierter Ort sein. Gut, dass es den Dollar gibt. Die amerikanische Währung und die USA gelten seit jeher als “safe haven”, also als sicherer Hafen. In Zeiten von Unsicherheit steuert das globale Kapital diesen sicheren Hafen an und wartet das Ende der Stürme ab. Sei es in Dollar-denominierten Konten in den USA, sei es in amerikanischen Staatsanleihen.
Die Gründe für die Rolle als “safe haven” sind dieselben wie für die generelle Attraktivität der USA als Anlageort. Die USA sind (oder waren) politisch, wirtschaftlich und rechtsstaatlich stabil, mit einer verständlichen und gut einschätzbaren Rechtslage. Das Wachstum des Landes ist in Anbetracht seines hohen Entwicklungsstands beachtlich hoch. Wichtige ökonomische Institutionen sind unabhängig, was vor allem die Zentralbank meint, welche nicht aus politisch opportunen Gründen in den Wechselkurs intervenieren würde. Und die USA bezahlen ihre Schulden zuverlässig. Wer sich also unsicher ist, was gerade in der Welt geschieht, weiß, dass er sein Geld in den USA sicher parken oder dem Land verleihen kann und es eines Tages wieder sieht. Oder wusste das, denn jede unserer eben getroffenen Aussagen ließe sich heute in Zweifel ziehen. Dazu später mehr.
Auch andere Staaten gelten als sehr sicher, zum Beispiel Deutschland. Doch eine weitere Sonderrolle der USA ist, dass sie die globale Leitwährung stellen. Einfacher gesagt, der US-Dollar ist die wichtigste Währung der Welt. Vier Metriken ließen sich am besten dafür nutzen, diese recht vage Einstufung mit Bedeutung zu füllen: die Rolle des US-Dollars in Zentralbankreserven, seine Nutzung im globalen Handel, seine Nutzung für internationale Kredite und seine Rolle als Ankerwährung für feste Wechselkurse.
Der Dollar als Reservewährung
Eine Reservewährung ist eine Währung, welche eine Zentralbank als, nun ja, Reserve hinterlegt. Die Zentralbanken nutzen diese Auslandswährungen (Devisen), um am Währungsmarkt zu intervenieren und dadurch die eigene Währung zu stärken oder zu schwächen, je nachdem, was die Wirtschaftslage oder die Behandlung eines plötzlichen Schocks benötigen. Die Zentralbank kann ihre Reserve zudem einsetzen, um die Volkswirtschaft mit Devisen auszustatten und Außenhandelsdefizite zu finanzieren. Durch all diese Funktionen signalisieren prall gefüllte Devisenreserven den Finanzmärkten, dass ein Land wirtschaftlich stabil ist und auf Schocks reagieren kann.
Gut zu wissen: In welcher Form werden die Reserven eigentlich gehalten? Alles von physischem Bargeld über digitalen Bankkonten bis hin zu Staatsanleihen oder sogar Goldreserven. Anleihen machen dabei oft den Großteil aus.

Der Dollar ist ohne jede Frage die dominierende Reservewährung. Er macht noch immer knapp unter 60 Prozent der globalen Reserven aus, nicht allzu dicht gefolgt vom Euro mit unter 20 Prozent. Der japanische Yen und der britische Pound folgen mit knapp über bzw. unter 5 Prozent; der chinesische Renminbi ist mit 2 Prozent kaum relevant. Allerdings hat der Dollar auch deutlich abgebaut: 2000 machte er noch über 70 Prozent der Devisenreserven aus. Auch der Euro erreichte seinen Höhepunkt im Jahr 2009 mit fast 28 Prozent und bewegt sich seitdem bei rund 20 Prozent seitwärts. Die Gewinner sind stattdessen eine große Zahl kleinerer Währungen, darunter der australische Dollar, der kanadische Dollar und eben auch der Renminbi. Machten sie 2001 noch kollektiv 1,5 Prozent aus, so sind es heute fast 15 Prozent. Die “multipolare Welt” zeigt sich also durchaus in den Devisen der Zentralbanken.
Der Dollar als Handelswährung
Auch im globalen Handel nimmt der US-Dollar eine dominante Stellung ein. Schätzungsweise 54 Prozent der Rechnungen im Außenhandel werden in Dollar ausgestellt, also ein recht ähnlicher Wert zum Anteil der Devisenreserven. Der Euro folgt dahinter mit rund 30 Prozent, wobei reger intraeuropäischer Handel kräftig beiträgt. Yen, Pound Sterling und Renminbi machen jeweils knapp 5 Prozent aus. Zwischen 1999 und 2019 wurden laut der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed) 96 Prozent aller Exporte in den Amerikas mit Dollar abgewickelt; 74 Prozent in der Asien-Pazifik-Region; etwas über 20 Prozent in Europa; und 79 Prozent im Rest der Welt (also Afrika und dem westlicheren Asien).
Der Dollar als Schuldenwährung
In der dritten Kategorie, den internationalen Schulden, entdecken Beobachter sehr ähnliche Größenordnungen. Knapp 64 Prozent der globalen Schuldverschreibungen in Auslandswährung waren Ende 2023 in Dollar ausgeschrieben; der Euro machte 23 Prozent aus. Dabei ist der Anteil des Dollars im vergangenen Jahrzehnt sogar kontinuierlich angestiegen, von knapp über 50 Prozent im Jahr 2010. Der Euro stagnierte dagegen. Geht es nur um Bankkredite, waren es zuletzt 53 Prozent für den US-Dollar gegen 26 Prozent für den Euro.

Der Dollar als Ankerwährung
Zu guter Letzt, feste Wechselkurse. Ein Land kann sich entscheiden, seine Währung an eine andere zu koppeln, also den Wechselkurs zu fixieren. Damit gibt es zwar ein Stück eigener geldpolitischer Autonomie auf, doch signalisiert Investoren und Unternehmen Währungsstabilität: Die eigene Währung kann schließlich nicht erratisch schwanken, wenn sie an den US-Dollar gekoppelt ist. Schätzungsweise 50 Prozent des globalen BIP entsteht in Ländern, welche ihre Währungen an den Dollar gekoppelt haben (die USA nicht einbezogen), gegenüber 5 Prozent für Länder mit Euro-Kopplung. Seit 2015 hat China seinen festen Wechselkurs allerdings zunehmend flexibilisiert, womit der Dollar ein wenig Einfluss eingebüßt hat.
Wie der Kreml seinen Krieg finanziert_
(4 Minuten Lesezeit)

Warum ist der Dollar in seiner dominanten Lage? Eine beliebte populistische Analyse liest es als Resultat und Bestandteil eines globalen Machtkampfs; als gezielten Versuch der USA, andere Staaten kleinzuhalten. Das beklagt auch die BRICS-Staatengruppe. Die Kritik hat das berüchtigte Quäntchen Wahrheit, zu dem wir gleich kommen, doch ist auf signifikante Art und Weise unterkomplex. In ihrem Versuch, vermeintliche Großmachtdynamiken zu identifizieren, übersieht sie profanere, doch wichtigere Gründe: Der Dollar ist nicht so relevant, weil die USA ihn der Welt aufgezwungen hätten, sondern weil er funktioniert. Er ist sicher, zuverlässig und breit verfügbar.
Was Geld können muss
Geld hat für die Menschheit klassischerweise drei Funktionen. Sie nutzt es, um Wert zu messen und buchhalterisch zu verrechnen (die Wertmessfunktion); um Wert über Zeit aufzubewahren (die Wertaufbewahrungsfunktion); und um Wert zu tauschen, also Zahlungen vorzunehmen (die Tausch- und Zahlungsfunktion). Im Verlaufe der Geschichte dienten die unterschiedlichsten Dinge als “Geld”, doch heute ist es fast ausschließlich Fiatgeld: Eine Form von Geld, die keinen inhärenten Wert besitzt (anders als z.B. Reis, Zigaretten oder Metalle), sondern ihren Wert nur daraus bezieht, dass eine kritische Masse an Menschen der Funktion als Geld zustimmt. Es geht um Banknoten, Münzen oder digitale Bankkonten.
Fiatgeld funktioniert anhand von Erwartungen und Vertrauen. Solange genug Menschen darauf vertrauen, dass sie eine Währung einsetzen können, erhält diese eine quasi-objektive Funktion als Geld. Ist das der Fall, profitiert eine Volkswirtschaft von einer sehr praktischen Form von Geld, denn Fiatgeld erfüllt die drei oben genannten Geldfunktionen sehr ordentlich. Es ist einfach zu messen und zu verrechnen (das wäre mit Reis bereits schwerer), kann Wert gut über Zeit aufbewahren (verderbliche Gegenstände könnten das nicht) und ist problemlos für Zahlungen geeignet (anders als Goldbarren).
Ein Dollar ist nie fern
Die zentrale Rolle von Vertrauen und Nutzbarkeit im modernen Geldsystem zeigt an, warum die Vorteile des Dollars nicht trivial, sondern essenziell sind. Wie keine andere Währung schafft er es, gleichzeitig sicher, zuverlässig und breit verfügbar zu sein. Seine Leitfunktion ist somit nicht in erster Linie Folge einer globalen Verschwörung oder von Zwang, sondern der hohen Nützlichkeit der Währung, welche keine andere in diesem Maße bietet (auch wenn Macht und Funktionalität im Falle von Währungen fraglos in Wechselwirkung stehen, dazu gleich mehr).
Um ein wenig mit diesem Argument zu spielen: Wer mit einem US-Dollar zahlen möchte, wird in vielen Ländern der Welt Erfolg haben, selbst dort, wo der Dollar eigentlich keine Relevanz als Währung besitzt. Mit dem Euro klappt das höchstens in Anrainerstaaten. Der Dollar ist an den Währungsmärkten dermaßen stark gefragt, dass niemand ein Liquiditätsproblem befürchten muss – das können andere Währungen höchstens regional. Und während es schwierig sein kann, einen kasachischen Tenge in ein sudanesisches Pfund umzurechnen, ist es ein Kinderspiel, beide Währungen in Dollar wiederzugeben. Der Dollar fungiert also als internationaler Allesübersetzer im Außenhandel. Wer in Lateinamerika befürchtet, dass die eigene Währung drastisch an Wert verlieren könnte – sei es wegen Inflation oder Verwerfungen am Währungsmarkt – weiß, dass er seine Vermögenswerte einfach in US-Dollar umwandeln und somit beschützen kann. Der Euro schafft das zwar alles auch, aber in geringerem Maße; dazu später mehr.
Zugleich ist die bedeutende Rolle des US-Dollar auch historisch gewachsen. Lange nahm die Rolle als Leitwährung der britische Pound Sterling ein, doch mit dem Bedeutungsverlust Großbritanniens im 20. Jahrhundert und dem Aufstieg der USA wurde der US-Dollar nicht nur politisch bedeutender, sondern auch einfach nützlicher. Zeitweise vereinten die USA 40 Prozent des globalen BIP auf sich. Als sich die Industriestaaten der Welt 1944 auf das Bretton-Woods-System für die Geldpolitik einigten, beschlossen sie, ihre Währungen an den Dollar zu koppeln (welcher wiederum an Gold gekoppelt war). Der Goldstandard und Bretton Woods existieren heute nicht mehr, doch der Dollar bleibt das Nächste zu einer Weltwährung.
Exorbitant Privilege
Nun bleibt dennoch das Quäntchen Wahrheit in der Kritik, die wir oben vorgestellt hatten. Die USA profitieren fraglos stark von der Rolle des Dollars: Ihr Finanzmarkt ist stets liquide, ihre Finanzierungskosten werden durch die hohe Dollar-Nachfrage gesenkt (die Amerikaner können sich also mehr verschulden), Währungskrisen sind äußerst unwahrscheinlich und über die sogenannte Seigniorage machen die USA beim Gelddrucken sogar Gewinn (das gilt auch für jedes andere Land, doch die USA profitieren dank der hohen Dollar-Nachfrage eben besonders).
Die ökonomischen Vorteile des Dollars für die USA werden manchmal als “exorbitant privilege”, also “übergroßes Privileg” bezeichnet. Dazu kommen politische Vorteile: Die Rolle des Dollars bindet das wirtschaftliche Geschick anderer Länder an jenes der USA, bietet dem Land somit politischen Einfluss und macht seine Sanktionen deutlich wirkungsstärker. Diese ernsthaften Vorteile schaffen für Washington einen sehr hohen Anreiz, die Rolle des US-Dollars als globale Leitwährung zu verteidigen – im Zweifelsfall auch durch Druck. Donald Trump drohte etwa noch im Wahlkampf dem Ausland, sollte es versuchen, sich vom Dollar zu lösen; Ende Januar drohte er ausdrücklich den BRICS-Staaten.
Gut zu wissen: Seigniorage entsteht, wenn der Wert des gedruckten Geldes höher ausfällt als die Kosten der Produktion. Das Wort geht aufs altfranzösische “das Recht des Lehnsherren, Münzen zu prägen” zurück.
Warum der Dollar in Gefahr ist_
(2,5 Minuten Lesezeit)

Der Trumpsche Brandbeschleuniger
Gewissermaßen profitiert der Dollar von Netzwerkeffekten, welche Beobachter von sozialen Medien wie Facebook kennen könnten: Weil der Dollar international und häufig Gebrauch findet, entwickelt er genau jene Charakteristiken, welche ihn für internationalen und häufigen Gebrauch noch attraktiver machen – eine Positivspirale. Um sie aufzurütteln und die einzigartige Rolle des Dollars abzutragen, bräuchte es einen reichlich großen Schock.
Der Schock könnte in Form von Donald Trump gekommen sein, auch wenn ihm keineswegs die gesamte Schuld zustünde. Er ist mehr Brandbeschleuniger als Ursache für einen möglichen Einflussverlust des Dollars. Die Schuldenlage der USA ist vermutlich die Hauptgefahr für die Dollardominanz: Der Schuldenberg wächst seit Jahrzehnten und eine Senkung ist nicht in Sicht; dafür ist die Tagespolitik zu dysfunktional. Weder die Demokraten noch die Republikaner betreiben ernsthafte fiskalische Konsolidierung, wobei die Konservativen diesbezüglich häufig Lippenbekenntnisse äußern, doch dann meist umso stärker Schulden aufbauen (so auch Trump durch Steuersenkungen in der ersten Amtszeit und nun womöglich durch ein zweites Schuldenpaket).

Die höhere Verschuldung weckt die leise Sorge, dass die USA womöglich doch nicht über jeden Zweifel erhaben zahlungswürdig seien. Damit verliert der Dollar plötzlich an Stabilität. Dazu kommt eine Reihe an Faktoren, welche die USA instabiler und unzuverlässiger machen oder dem Rest der Welt Anreize verschaffen, sich vom Dollar zu lösen: Das amerikanische “Decoupling” von China, heftige Sanktionen gegen Russland, die erratische Trumpsche Zollpolitik, der Trumpsche Wunsch Handelsdefizite abzubauen (sie sind in Teilen eine Konsequenz der Führungsrolle des Dollars), Trumps Attacken gegen Europa, seine Angriffe auf die Unabhängigkeit der Zentralbank Fed und die generelle Sorge über wachsenden Autoritarismus in den USA mit weniger Rechtsstaatlichkeit.
Ein spektakuläres Warnsignal war, als Investoren inmitten der Trumpschen Zollankündigung Anfang April Geld aus den USA abzogen und den Dollar sowie Staatsanleihen fielen ließen. Das schien auf den ersten Blick keinen Sinn zu ergeben: Zölle müssten einen stärkeren Dollar bedeuten und globale Unsicherheit sollte Kapital in amerikanische Anleihen hineinfließen, nicht abfließen lassen. Doch die Märkte hatten entschieden, dass die USA in dem Moment kein “safe haven” mehr waren, sondern Teil des Problems.
Das war durchaus eine kleine Zeitenwende – und genug, um die Trump-Regierung in ihrer Zollpolitik zum Einlenken zu bewegen, wie sie selbst einräumen musste. Das half nur bedingt; der Dollar liegt heute knapp 7 Prozent unter dem Niveau zu Trumps Amtsantritt. Die Renditen amerikanischer Staatsanleihen liegen auf einem Mehrjahreshoch, was bedeutet, dass die Nachfrage nach den Anleihen niedrig ist (Renditen bewegen sich invers zum Anleihepreis). Zwei weitere Warnsignale gab es Mitte Mai: Das amerikanische Finanzministerium wurde einige seiner Anleihen nicht los und musste die Rendite unerwartet hochschrauben; und die Ratingagentur Moody’s legte nach und senkte die Bonität der USA von der Topnote herab. Fitch und S&P hatten das schon 2023 und 2011 getan; nun war das Triumvirat des Vertrauensverlusts komplett.
Gut zu wissen: Ein weiteres Beispiel für das erodierende Vertrauen in die USA und die Verlässlichkeit ihrer Regierung ist die Gerüchteküche über “Mar-a-Lago Accords“. Dabei würde die Regierung ausländische Anleiheinvestoren dazu zwingen, die amerikanischen Schulden in 100-Jahr-Anleihen ohne Zinszahlungen umzuwandeln. Für die USA wäre das vorteilhaft, für die Investoren praktisch Enteignung. Dass die Idee aus dem Trumpisten-Kosmos von Marktbeobachtern überhaupt ernsthaft diskutiert wird, ist ein Signal für die Reputation der Regierung.
Folgt der Euro?_
(3 Minuten Lesezeit)

Anarchie statt Thronfolge
Ist also die Ära von Euro und Renminbi gekommen? Schwierig zu sagen, doch tendenziell unwahrscheinlich. Der Dollar wird auf absehbare Zeit unabdingbar bleiben – dafür sorgen allein schon seine Netzwerkeffekte –, doch sein Abwärtstrend wird sich fortsetzen oder sogar beschleunigen. Wer annimmt, dass der Dollar-Abwärtstrend ein kritisches Niveau erreicht, hätte in den vergangenen Jahrzehnten eine genauso beliebte wie falsche Prognose abgegeben. Ob es diesmal anders kommen wird, hängt davon ab, ob man die Umstände als qualitativ anders beschreiben würde: Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der USA und in die Unabhängigkeit der Zentralbank; die Tragfähigkeit ihrer Schulden; eine mögliche wachsende Isolation des Landes; eine “Multipolarisierung” der Welt. Wer das alles bejaht, hätte ein Argument für eine neue Form von Gefahr für den Dollar.
Der chinesische Renminbi wird den Dollar jedoch garantiert nicht ersetzen. Er bringt keinerlei glaubwürdige Rechtsstaatlichkeit oder Stabilität mit sich; wird stets als politisches Werkzeug der Kommunistischen Partei verstanden werden. Heftige Kapitalkontrollen durch die Partei machen ihn ohnehin unattraktiv für internationale Transaktionen.
Der Euro hätte eine Chance
Und der Euro? Er hätte mit Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Zuverlässigkeit das Potenzial, den Dollar zu ersetzen, doch das wird ihm bereits seit über 20 Jahren nachgesagt. Seine Hauptschwäche ist, dass es keine gemeinsamen Euro-Schulden gibt und der Finanzmarkt nicht ausgebaut genug ist. Deutschland würde für Investoren als “safe haven” fungieren müssen, doch die deutschen Staatsanleihen betragen insgesamt nur ein Zwölftel der amerikanischen – es gäbe aktuell also gar nicht genug attraktive, sichere Euro-Anleihen, um eine Rolle als Leitwährung auszufüllen (auch der Markt für europäische Unternehmensanleihen ist eher klein). Nicht einmal die Eurostaaten führen ihren gesamten Handel mit Euros durch: In ihren Transaktionen mit nicht-Euro-Ländern wickeln sie seit 2014 stets knapp 61 Prozent der Exporte und 52 Prozent der Importe mit Euro-Rechnungen ab. Für den Rest nutzen sie Fremdwährungen, was in erster Linie den Dollar meint.
Wahrscheinlicher als eine saubere Wachablösung durch den Euro wäre also eine Zersplitterung der globalen Währungslandschaft, sollte der Dollar kritisch nachgeben. Eine Reihe konkurrierender Währungsblöcke könnte entstehen, welche (äquivalent zu unterschiedlichen Technologieräumen) Handelsbarrieren und Ineffizienzen bedeuten würden, aber auch ein politisches Auseinandergehen kreieren. Kryptowährungen könnten unter Umständen wichtiger werden.
Der Euro hat aber durchaus eine Chance, seinen globalen Einfluss auszubauen, auch wenn er nicht zur neuen Leitwährung werden sollte. So wie die Lage für den Dollar heute eine qualitativ andere als in den letzten Jahrzehnten sein könnte, so ließe sich das auch für die Eurozone argumentieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit 2012 mehrfach bewiesen, bereit zu sein, die Währung auch mit radikalen Maßnahmen zu stützen. Deutschland und der Rest der EU emittieren in naher Zukunft deutlich mehr Anleihen, da sie mehr investieren werden. Zumindest in einer Krisensituation war die EU 2020 zu gemeinsamen Schulden bereit. Die Unabhängigkeit der EZB steht nicht in Frage; die Rechtsstaatlichkeit der EU auch nicht ernsthaft. Ungeachtet aller Regulierungsfreude gilt die EU noch immer als äußerst marktliberal und offen für Kapitalflüsse sowie Außenhandel.
Ein “exorbitant Euro privilege” wäre für die Eurozone zutiefst wertvoll, denn es würde inmitten einer kontinentalen Verteidigungs- und Investitionswende die Finanzierungskosten senken. Für die USA wäre der Verlust ihres gewohnten Privilegs dagegen dramatisch. Die steigenden Finanzierungskosten würden die ohnehin unangenehme Schuldenlage verschlimmern. Die USA könnten zum ersten Mal in ihrer Geschichte erleben, wie es sich anfühlt, in eine Schulden- und Währungskrise zu rutschen. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik: Der Dollar wurde schon zu oft erfolglos totgesagt, ohne jemals seine Dominanz aufzugeben. Die Argumente gegen ihn mögen stärker denn je sein, doch das heißt nicht, dass sie ausreichen.
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