Der Monat im Rückblick: April 2023

Der Monat im Rückblick: April 2023


(insgesamt 15 Minuten Lesezeit)

Der Blitzüberblick_

Die wichtigsten Themen:

  • Der Sudan rutscht in Richtung Bürgerkrieg
  • Ein voller Monat für die Außenpolitik
  • Deutschland vollzieht den Atomausstieg und die EU reguliert kräftig
  • Übernahmen und Fusionen nehmen an Fahrt auf
  • Quartalsresultate trudeln herein – die Ergebnisse wirken bislang nicht allzu schlecht

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine_

(30 Sekunden Lesezeit)

Turbovariante: Warten auf die Gegenoffensive.

  • Die Aufmerksamkeit liegt weiterhin auf einer erwarteten ukrainischen Gegenoffensive. Wissen tun wir darüber nach wie vor sehr wenig. Weder ein US-Geheimdienstleak noch Berichte über ukrainische Überquerungen des Dnjepr bei Cherson geben uns bedeutende Hinweise auf die Form oder Aussichten der Gegenoffensive. Die relative Kampfstärke beider Parteien ist unbekannt. 

Und abseits vom Militärischen?

  • Chinas Präsident Xi hat zum ersten Mal mit Zelensky telefoniert. Ob der Versuch, die selbsterklärte Neutralität im Ukrainekrieg zu unterstreichen, irgendwelche nennenswerten Effekte auf den Krieg haben wird, ist noch unklar.
  • Ein Streit um ukrainische Getreideimporte in die EU zeigt die Grenzen der fast bedingungslosen Zusammenarbeit auf. Gerade Bauern in Polen und Ungarn hatten über Preisverfälle geklagt. Nun dürfen ukrainische Agrarexporte offenbar nur noch durch beide Länder hindurchziehen, aber nicht dort bleiben.

Why Ukraine’s Looming Offensive May Be The Most Important Clash Of The War. Period. – Radio Free Europe 

How Russia’s Offensive Ran Aground
 (bezogen auf die Donbass-Front) – New York Times

Neue und alte Krisen_

(1 Minuten Lesezeit)

Turbovariante: Der Sudan in Flammen, der Jemen hat Hoffnung.

Sudan

Im Sudan eskaliert ein Machtkampf zwischen Armeechef Burhan und Milizenführer Hemeti in einen Konflikt, welcher womöglich schon jetzt das Label Bürgerkrieg verdient. Beide Seiten hatten 2019 bei der erfolgreichen Revolution gegen Langzeitdiktator Baschir mitgemischt. Die Armee putschte dann 2021 gegen den Übergangsrat, welchem sie selbst angehörte, und wurde auch dabei von den RSF unter Hemeti unterstützt. Zwei Jahre später ist von der Zweckbeziehung nichts mehr übrig.

Die RSF scheint den Erstschlag durchgeführt zu haben, nach einigen Tagen an militärischem Manövrieren. Der Großteil der Kämpfe konzentriert sich offenbar auf den Großraum Khartum, wo beide Seiten neuralgische Punkte zu besetzen versuchen, doch es ist wahrscheinlich, dass die Vorgänge in der Peripherie einfach weniger bekannt sind. Zehntausende Sudanesen sind aufgrund der schweren Kämpfe, bei welchen auch Luftschläge eingesetzt werden, geflohen; es gab Stand Ende April mindestens 550 Tote. Tausende ausländische Staatsbürger wurden evakuiert, oft unter Truppeneinsatz. Ein fragiler Waffenstillstand hielt zuletzt einige Tage, doch brach wieder zusammen.

Sudan crisis risks becoming a nightmare for the world – former PM Hamdok – BBC

»Menschliches Drama« – Bundeswehrsoldat berichtet vom Sudan-Einsatz – Spiegel

Explainer: Sudan am Scheideweg – whathappened, November 2021

Jemen

Weitaus bessere Nachrichten im Jemen. Die saudi-iranische Annäherung bietet ein noch nie dagewesenes Potenzial für eine politische Lösung. Riad und die proiranischen Huthi-Rebellen verhandeln über einen Weg zum Frieden. Es ist wahrscheinlich, dass auch die VAE-nahen Kräfte im Jemen in irgendeiner Form involviert sind. Als Geste des guten Willens ließ Saudi-Arabien unilateral 104 jemenitische Gefangene frei.

Progress in Yemen peace talks hailed despite prisoner swap delay– Al Jazeera

Despite hope, Yemen peace talks are oversold, experts say – DW

Israel und der Libanon

Israel erlebt pünktlich zum 75. Geburtstag derzeit eine Dreifachkrise: Die heimische, welche sich um eine hochkontroverse Justizreform dreht, war im April ein wenig ruhiger, da das Gesetz derzeit im Eisfach liegt. Die zweite Krise bezieht sich auf die aufgeheizte Stimmung mit den Palästinensern, welche von den ultrarechten Elementen der israelischen Regierung aufgepeitscht wird. Die Spannungen sollten gleichzeitig nicht überschätzt werden, denn sie sind weit entfernt von historischen Hochs und zum Ramadan “saisonal” etwas ausgeprägter. Drittens, Beschuss aus dem Libanon weckte die Sorge vor einem möglichen Konflikt zwischen Hisbollah und Israel, dem wohl realistischsten Worst-Case-Szenario in der Region. Beide Seiten platzierten die Schuld schnell bei palästinensischen Gruppen, welche im Libanon agieren – wohl um etwas zu entschärfen.

Israel ushers in 75th Independence Day in shadow of political upheaval– Times of Israel

Was passiert im politischen Deutschland?_

(1 Minute Lesezeit)

Turbovariante: Die Koalition streitet weiter. Berlin erhält Schwarz-Rot. CDU und FDP stellen sich (ein bisschen) neu auf.

Die Ampelkoalition streitet weiter, sei es um die “Wärmewende” oder den Bundeshaushalt. Das scheint sich in ihrer Beliebtheit niederzuschlagen: In Umfragen kommt sie mitunter nur noch auf etwa 40 %.

Berlin hat eine schwarz-rote Koalition. Die erste CDU-geführte Regierung seit 20 Jahren erlebte allerdings einen schwachen Einstand, denn Regierungschef Kai Wegner wurde erst im dritten Wahlgang gewählt.

Werden die Genossen Franziska Giffey verzeihen? – FAZ

Die CDU und die FDP brachten im April strategische Neuaufstellungen auf den Weg. So bereiten die Konservativen derzeit ihr Grundsatzprogramm vor und überraschten mit einem Entwurf für eine neue Steuerpolitik, welcher sie deutlich näher an SPD und Grüne rückt; die Liberalen blieben bei ihrem Parteitag zwar inhaltlich auf bekannter Linie, doch wollen künftig stärker ihr Profil innerhalb der Ampelkoalition schärfen.

Die FDP übt den Spagat – Süddeutsche Zeitung

CDU-Steuerpolitik: Und sie bewegt sich doch – Institut der deutschen Wirtschaft

Honorable mentions: Im April beleuchtete eine Studie etwa die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Polizisten (weitestgehend wie in der Gesamtgesellschaft, schlechter gegenüber Muslimen und Obdachlosen); eine andere die Diskriminierungserfahrungen der Bürger (13 Prozent hätten in den letzten Monaten Diskriminierung erfahren).

(Mehr in der Rubrik “Wirtschaft in Deutschland”)

Ein Monat voller Außenpolitik_

(1,5 Minuten Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Viel Diplomatie rund um China und im Nahen Osten.

China und der Indopazifik

EU-Kommissionschefin von der Leyen und Frankreichs Präsident Macron besuchten Präsident Xi in Peking. Von der Leyen (sowie später Bundesaußenministerin Baerbock) brachte als bad cop den Tadel für die robuste Außenpolitik des Landes und prorussische Haltung im Ukrainekrieg; good cop Macron brachte die erklärte Bereitschaft zur Zusammenarbeit und holte sich selbst Tadel westlicher Beobachter ein, weil er relativierte, ob die EU in Sachen China- und Taiwanpolitik wahrlich ins Lager der USA gehört oder doch einen “dritten Weg” gehen sollte. Ein anderer Besucher war Brasiliens Präsident Lula, welcher seit längerem mehr Sympathien mit China als etwa mit Nordamerika und Europa erkennen lässt.

Macron’s Push to Get China’s Help on Ukraine Is Unraveling – Bloomberg

Why Lula’s Visit to Beijing Matters More Than Macron’s – Foreign Policy

Derweil ging selbstverständlich das Manövrieren im Indopazifik weiter. Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen besuchte den Unterhauschef der USA und brachte sich damit ein Militärmanöver Chinas ein, welches allerdings kleiner als jenes beim Nancy-Pelosi-Besuch im August 2022 ausfiel. Die USA und die Philippinen hielten die größte gemeinsame Militärübung ihrer Geschichte ab. Australien verkündete eine Militärreform, gerichtet gegen Chinas wachsende Ambitionen in der Region.

Der Nahe Osten

Iran und Saudi-Arabien verhandeln weiter die Details ihrer bekanntgegebenen diplomatischen Annäherung. Im selben Zuge ernannte Teheran seinen ersten Botschafter für die VAE seit 2016 und Riad begann Friedensverhandlungen im Jemenkrieg (siehe “Krisen”). Auch Syrien bewegt sich Schritt für Schritt in die Normalisierung: Zum ersten Mal seit 2012 durfte der Außenminister des Pariastaats Saudi-Arabien besuchen. Selbst bei den angespannten Beziehungen zur Türkei gibt es Fortschritte.

Arab countries are normalizing relations with Syria, over a decade after the uprising– NPR

Explainer: Saudi-Arabien, Iran und der Deal – whathappened, März 2023

Die Welt an den Urnen_

(1 Minute Lesezeit)

Finnland

Die Finnen wählten Sanna Marin, einen Superstar der globalen Linken, ab, und verpassten einem rechtsbürgerlichen Block eine Mehrheit. Petteri Orpo von der konservativen Partei Kok macht sich derzeit an die Regierungsbildung. Mit dabei ist auch die rechtspopulistische Finnenpartei.

Finnish far right in talks to join coalition government – Politico

Bulgarien

Bulgarien macht Wählen so viel Spaß, dass es gar nicht ans Aufhören denkt: Die fünfte Wahl in zwei Jahren brachte keinen klaren Sieger zwischen populistisch-konservativer GERB unter Bojko Borissow und dem prowestlichen, liberalen Reformlager unter Kiril Petkow. Womöglich gibt es eine Große Koalition, doch eine sechste Wahl ist mindestens genauso wahrscheinlich.

Bulgaria close to forming Euro-Atlantic government-Euroactiv

Worauf du achten musst: Die Türkei

Am 14. Mai wählt die Türkei Parlament und Präsidenten, zwei Wochen später gibt es dann gegebenenfalls eine Stichwahl. Noch nie zuvor war die Chance so hoch, dass Langzeitpräsident Erdogan aus dem Amt gewählt wird.

Turkey’s next election could be the country’s last real democratic vote – The Intercept

Viele schnelle Good News_

(2 Minuten Lesezeit)

Politik

  • Der Jemenkrieg hat nicht lange vor seinem zehnjährigen Jubiläum eine echte Chance, zu Ende zu gehen. Saudi-Arabien verhandelte im April mit der Huthi-Rebellengruppe und ließ 104 jemenitische Gefangene frei.
  • Malaysia hat die obligatorische Todesstrafe für bestimmte Verbrechen, etwa Drogenhandel und Staatsverrat abgeschafft und auch als Strafoption eingeschränkt.

Wirtschaft

  • Die G7-Staaten haben sich erstmals auf konkrete Ausbauziele für die erneuerbaren Energien geeinigt: 1.150 Gigawatt an Offshorewind- und Solarenergie sollen bis 2030 mindestens hinzukommen. Stand 2021 gab es in der Welt etwa 800 Gigawatt installierter Leistung.
  • Deutsche Firmen bleiben resilient und zahlen für das Jahr 2022 eine Rekorddividende von 75 Milliarden EUR (+9 Prozent) aus.
  • Einer der größten Online-Marktplätze für Cyberkriminalität – also etwa gestohlene persönliche Daten – wurde von internationalen Ermittlern zerschlagen. In Lateinamerika gelang Ermittlern derweil ein Schlag gegen Drogenbanden; 5 Milliarden USD an Kokain wurden festgestellt.
  • Die Ukraine lässt ihre eigene Energiekrise – induziert durch russische Luftschläge auf zivile Infrastruktur – hinter sich und beginnt erstmals wieder mit dem Export von Strom.
  • Deutschlands Fintechs bewegen sich allmählich aus ihrer Krise und konnten im ersten Quartal dreimal so viel Wagniskapital wie im Vorquartal einsammeln.

Gesellschaft

  • Deutschlands Gesundheitsministerium sieht die Covid-19-Pandemie im Land als beendet an. Auch trat der Covid-Expertenrat des Bundes im April zum letzten Mal zusammen. Für die meisten Beobachter wohl keine Überraschung mehr: Die Pandemie, welche die Welt etwa zwei Jahre lang im Griff hatte, ist überstanden.
  • Im Sena-Oura-Nationalpark im Tschad ist zum ersten Mal seit 2004 ein Löwe gesichtet worden. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen für die Rückkehr der Großkatze im Grenzgebiet zwischen Tschad und Kamerun, wo sie einst ausgestorben schien.
  • Die italienische Polizei hat einen notorischen Chef der ‘Ndrangheta-Mafia nach fünf Jahren auf der Flucht verhaftet.

Forschung und Innovation

  • Die NASA gab die Crew für die erste Mondmission seit 50 Jahren bekannt, welche 2024 oder 2025 die Rückkehr der Menschheit auf den Mond vollziehen soll. Mit dabei sind die erste Frau und der erste schwarze Mann auf einer Mondmission.
  • Weltraumfirma SpaceX ließ derweil zum ersten Mal das riesige Starship-Raumschiff für einen vollwertigen Orbitaltest aufsteigen. Der Orbit wurde zwar nicht erreicht, doch allein dass das größte und leistungsfähigste Raumschiff der Geschichte nach jahrelanger Entwicklung erfolgreich vom Launchpad abhob, ist bereits ein Meilenstein.
  • Die USA investieren 300 Millionen USD in eine große Alzheimer-Datenbank, welche Forschern bei der Medikamentensuche helfen soll.
  • Eine Studie in den USA zeigt vielversprechende Resultate in der Behandlung von Hautkrebs durch eine Mischtherapie, bei welcher ein herkömmliches Mittel von Merck (MSD) mit einem neuartigen mRNA-Impfstoff von Moderna kombiniert wurde.
  • Archäologen in Mexiko haben eine antike Anzeigetafel für ein Maya-Ballspiel entdeckt. Nahe der Philippinen entdeckten Meeresforscher derweil ein japanisches Kriegsschiff, welches 1942 unter anderem mit Tausend australischen Kriegsgefangenen an Bord von den USA versenkt worden war.

Wirtschaft: Megathema Energie_

(1,5 Minuten Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Mehr Atomenergie (außer in Deutschland), mehr Erneuerbare.

Ist die Energiekrise vorbei? So ganz noch nicht, doch die Preise sind etwa beim Erdgas in der EU auf den Stand von Juli 2021 zurückgegangen; die Lage hat sich bedeutend entspannt. Bundesbankchef Joachim Nagel erklärte im April, dass Deutschland die akute Energiekrise überwunden habe. Ob das stimmt, wissen wir wohl ab Herbst oder Winter.

Deutschland und seine Wenden

Der Atomausstieg in Deutschland wurde im April vollzogen. Bis zu seinem Ende blieb das Thema eines der kontroversesten im gesellschaftlichen Diskurs. Eine andere Wende begann im vergangenen Monat: Der Bund gab den Startschuss für die “Wärmewende”, in welcher die Heizinfrastruktur in Deutschland in den kommenden Jahren zunehmend auf erneuerbare Energien und, damit meist verbunden, Strom umgestellt werden soll. Kritiker blicken skeptisch auf die Kapazitäten bei Material und Personal sowie die Belastung für Haushalte; die Regierung beschwichtigt.

Explainer: Das Ende der Atomenergie – whathappened, April 2023

Scheitert die Wärmewende an fehlenden Handwerkern? – Augsburger Allgemeine

Honorable mentions: Der Rest der Welt hält weiterhin an der Atomkraft fest, zumindest insofern er sie sich leisten kann. Finnland nimmt den leistungsstärksten Reaktor Europas in Betrieb; die Türkei erhält derweil ihren ersten überhaupt.

Die Energiewende weltweit

Die G7-Staaten einigten sich erstmals auf konkrete Ausbauziele. 1.100 Gigawatt an Offshorewind- und Solarenergie sollen bis 2030 hinzukommen, gegenüber etwa 800 Gigawatt welche 2021 weltweit existiert haben. Eine Gruppe Nordsee-Staaten hat sich auf eine Offshore-Windkraft-Offensive geeinigt, welche bis 2030 rund 120 Gigawatt hervorbringen soll, was die G7-Ziele für Offshore übrigens deutlich übersteigen würde.

Die EU treibt die Energiewende durch ihren Lieblingsmarktmechanismus voran: Der Emissionshandel (Emission Trading System, ETS) wird in den kommenden Jahren verschärft, sprich, die Zahl der Zertifikate reduziert. Das erhöht den Preis für CO₂-intensive Produktion, steuert den Markt also zu effizienterer Produktion und inzentiviert Innovation. Parallel wird ein umstrittener CO₂-Grenzausgleichszoll (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) europäische Firmen mit ihren hohen Regulationen vor ausländischem Wettbewerb schützen. Handelspartner beklagen Protektionismus.

Asia gears up for rollout of EU carbon border tax – Japan Times

Megathema Inflation_

(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Die Inflationsraten gehen weiter zurück. Nahrungsmittel sind der größte Treiber der Preissteigerungen.

Die Teuerungsrate in Deutschland sank im April nur leicht auf 7,2 Prozent zum Vorjahresmonat (März: 7,4 Prozent). Gerade Nahrungsmittel waren mit 17,4 Prozent bedeutend teurer als vor einem Jahr, während Energie mit 6,8 Prozent Preissteigerung etwas abflacht und wie schon im März unter der Gesamtinflation lag (teils aufgrund von statistischen Basiseffekten). Bessere Nachrichten in den USA, wo die Inflation von 6,0 Prozent im Februar auf 5,0 Prozent im März (letzte Daten) einbrach, den niedrigsten Wert seit Mai 2021.

Klima und Umwelt_

(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Aktivität beim Erneuerbaren-Ausbau; schwache Noten für Deutschlands Klimapolitik.

Ausbauinitiativen für erneuerbare Energien gab es etwa seitens der G7-Staaten und eines Nordseepakts, siehe den Abschnitt “Energie” weiter oben. Dort bringen wir auch die Verschärfung des Emissionshandels in der EU und ihre Einführung eines CO₂-Grenzzolls unter.

In Deutschland erhielt die Bestandsaufnahme der Klimapolitik im April zwei schwache Urteile. Der Klimarat, ein Expertenrat der Regierung, lobte zwar Teilerfolge, doch kritisierte die Politik als insgesamt “verbesserungswürdig“, vor allem in den Sektoren Gebäude und Verkehr, und tadelte beschlossene Anpassungen am Klimaschutzgesetz. Auch der Bundesrechnungshof kritisiert die Klimapolitik, allerdings aus etwas anderer Perspektive: Die Regierung wisse viel zu wenig, wie gut ihre Maßnahmen überhaupt wirkten, also wie effizient die investierten Gelder eigentlich seien.

Die Aktienmärkte_

Turbo-Zusammenfassung: Grüne Zahlen, denn die Unternehmenswelt bleibt resilient und die Energiekrise flacht ab. Dazu der Rebound nach der Bankenkrise im März.

Index: 30-Tage-Entwicklung (Entwicklung seit Jahresbeginn)
Dax 40: +2,58% (+13,17%)
S&P 500: +2,93% (+9,03%)
Dow Jones: +3,77% (+2,90%)
Nasdaq: +2,18% (+21,94%)
Nikkei: +2,91% (+12,21%)
MSCI World ETF (iShares): +0,23% (+8,83%)
Bitcoin: +0,57% (+69,49%)

Quelle: Google Finance, onvista

Die Wirtschaft in Deutschland_

(1 Minute Lesezeit)

Wirtschaftspolitik

  • Atomausstieg und Wärmewende – siehe Abschnitt “Energie” oben.
  • Das Deutschlandticket erlebt seinen Verkaufsstart, ab Mai ist damit der Zugang zum bundesweiten ÖPNV für 49 Euro möglich.
  • Der Bund möchte die Kartellbehörde bedeutend stärken, ihr etwa deutlich schneller Firmenzerschlagungen und Gewinnabschöpfungen ermöglichen. Die aus der Wirecard-Krise gewachsenen Pläne gehen gerade der Industrie zu weit.
  • Noch immer keine Lösung im Haushaltsstreit. Deutschland weiß noch nicht genau, wohin seine Gelder 2024 gehen werden.

Das Kartellamt bekommt Zähne: Zerschlagung von Unternehmen möglich– RND

Was erfuhren wir über die Wirtschaft in Deutschland?

Makro

  • Die Inflation lag im April bei 7,2%, nach 7,4% im März. 
  • Die Konjunktur wird im laufenden Jahr 0,4% betragen, so die Bundesregierung, welche bislang 0,2% angenommen hatte. Würde eine Rezession vermieden werden, wäre das für viele Beobachter bereits ein Erfolg.

Unternehmen und Arbeitsmarkt

  • Der Fachkräftemangel erreichte 2022 ein Rekordniveau, so eine Studie des Instituts IW. 630.000 Stellen ließen sich nicht besetzen.
  • Mitarbeiter nutzen Weiterbildungsangebote und Sabbaticals nur sehr selten, so eine Umfrage der Ifo. Nur 3,5% nutzten etwa bezahlten Sonderurlaub zur persönlichen Bildung.
  • Etwa 10% aller Erwerbstätigen sind arbeitssüchtig, so eine Studie des Bundesinstituts BIBB und der TU Braunschweig.
  • Die Zahl der Insolvenzen stieg im März um 13,2% zum Vormonat, doch Experten sehen nach wie vor keinen Grund zur Sorge – nach dem Covid-Tief handle es sich noch immer eher um eine Normalisierung.

Soziales

  • Das Durchschnittsvermögen der Deutschen lag 2021 bei 316.500 EUR, Schulden bereits abgezogen (+62% ggü. 2011). Der Median lag bei 106.600 EUR (+51% ggü. 2017).
  • Der deutsche Fleischkonsum sank 2022 um 7% auf ein 30-Jahres-Tief von 52 Kilogramm. Auch Inlandsflüge fielen um 38% gegenüber dem Niveau von 2019. Ganz anders der Konsum von Tiefkühlkost, welcher um 3,6% auf ein Rekordniveau von 3,9 Millionen Tonnen stieg.

Der Rest der Welt_

(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Chips, Kryptoregulation, Bankenabwicklungen und Pharma.

Viel Reformaktivität in der EU: Neben der Anpassung des Emissionshandels und der Einführung eines CO₂-Strafzolls (siehe “Energie”) gab es etwa…

  • eine milliardenschwere Chip-Offensive, welche den Anteil der EU an der globalen Chipproduktion auf 20% verdoppeln soll (bereits beschlossen)
  • die global erste große Regulation für den Kryptosektor (MiCa), welche ihn etwa der Kompetenz von Überwachungsorganen unterwirft (bereits beschlossen)
  • eine Reform zur stärkeren Abwicklung von Banken, welche dafür sorgen soll, dass diese seltener mit Steuergeldern gerettet werden (geplant)
  • und eine Pharmareform, welche etwa den Patentschutz aufweicht, um mehr Medikamentverfügbarkeit herzustellen (geplant)

Is Europe’s MiCA a Template for Global Crypto Regulation? – Coindesk

Is the EU’s response to the chips race leaving its startups behind? – Sifted

EC announces EU pharma reform that cuts market exclusivity – Pharmaceutical Technology

Handel im Fokus_

(1 Minute Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Die USA und die EU streiten weiter; Südamerika probiert’s mit Integration.

Der Beinahe-Handelsstreit zwischen der EU und den USA läuft weiter. Erstere findet, dass das Klima-Investitionspaket IRA der USA zu sehr zuungunsten Europas ausfällt und fordert Nachbesserungen; die Seiten verhandeln seit Monaten. Im Januar brachte sich Europa in Stellung, mit erleichterten Subventionen und Spezialfonds dagegenzuhalten. Der Diskurs dazu läuft in den nächsten Wochen weiter; mal schauen, ob er schneller durch ist, als die Verhandlungen zwischen Washington und Brüssel.

Schon vom “Global Gateway” gehört? Das EU-Pendant zur chinesischen Belt and Road Initiative – beides große Infrastruktur-Investitionsprogramme, welche ihren jeweiligen Block in Entwicklungsländern wichtiger machen sollen – läuft derzeit im Hintergrund an. Im Januar erfuhren wir mehr zu konkreten Projekten.

EU lines up 70 projects to rival China’s Belt and Road infrastructure spending – Politico

Erneute Anläufe zur tieferen regionalen Integration in Südamerika: Kolumbien will einen Pakt zur Unternehmensbesteuerung; Brasilien und Argentinien angeblich eine gemeinsame Währungsunion kreieren (in Wahrheit geht es nur um eine Spezialwährung für den bilateralen Handel). Beides ist nicht per se neu, allerdings auch nicht sehr aussichtsreich.

The sur: Argentina, Brazil put common currency plan on ice – DW

Brazil and Argentina’s joint currency plan raises economic concerns – FT

Business: Wo es nicht gut lief_

(1 Minute Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Wer kämpfte ums Überleben, wessen Zahlen enttäuschten?


Die Überlebenskämpfe

Die Bankenkrise scheint eingehegt und hat sich aus den Schlagzeilen verloren, doch die Credit Suisse – bald in der UBS aufgegangen – und die US-Regionalbank First Republic erleben noch immer Gelderabzug. Das Weltraumstartup Virgin Orbit muss in die Insolvenz, offenbar aufgrund von geschäftlichen, nicht technischen Fehlern. Mit der Herrenmodekette Ahlers, dem Damenmodekonzern Gerry Weber und der Schuh-Gruppe HR gehen die nächsten deutschen Modeunternehmen in die Insolvenz.

Neuer Fall Ahlers – warum immer mehr Modefirmen in Insolvenz gehen – Handelsblatt

Prüfkonzern EY darf aufgrund seiner Verwicklung in die Wirecard-Krise zwei Jahre lang keine großen neuen Aufträge annehmen, eine empfindliche Strafe. Zudem stoppt er seine geplante Aufspaltung in separate Prüf- und Beratungsteile, weil die US-Partner wohl dagegenhielten. Die Deutsche Bahn ist der Monopolkommission ein Dorn im Auge, welche eine Zerschlagung des Staatskonzerns für sinnvoll erachtet. Google ist sichtbar nervös aufgrund der Risiken, welche smarte Chatbots für sein Kerngeschäft darstellen, und wirkte zeitweise gar panisch, als Meldungen kursierten, dass Großkunde Samsung eine Kooperation mit Bing erwäge.

Panic at Google: Samsung considers dumping search for Bing and ChatGPT – Ars Technica


Schwache Zahlen

Schlecht oder durchmischt schnitten im ersten Quartal beispielsweise Spezialchemiekonzern Covestro, Vermögensverwalter-Gigant BlackRock, Streamingriese Netflix, E-Autobauer Tesla, die Investmentbanking-intensiven Großbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs sowie Chiphersteller Intel ab. Bei Chinas Techkonzern Huawei war das gesamte letzte Jahr mit 69% Gewinneinbruch vergessenswert. Twitter hat laut einem Bericht nur winzige Summen mit seinem neuen Premium-Abo verdient. Cloud-Storagedienst Dropbox entlässt 16% seiner Mitarbeiter, Ridehailingdienst Lyft 26%, Batteriehersteller Varta 17%, EY 5% der US-Belegschaft und Primark Deutschland 7%.

Wo es gut lief_

(1 Minute Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Überall nur Krise? Mitnichten, hier eine kleine Auswahl von Erfolgsstorys.

Ein guter Moment für Luxus: Das französische LVMH hat als erster europäischer Konzern überhaupt die Marke von 500 Milliarden USD Marktwert gerissen. Konkurrent Hermes schafft einen persönlichen Rekord von 200 Milliarden EUR (ca. 222 Milliarden USD). Der Starship-Launch von Weltraumfirma SpaceX ist zwar nicht völlig gelungen, doch allein das Erreichte ist zweifellos ein Erfolg. Techkonzern Apple entschied einen Rechtsstreit mit Epic Games für sich, welcher dem iPhone-Hersteller mehr Kontrolle über seinen App Store sichert. Twitters geflohene Werbetreibende kehren offenbar wieder zurück, so zumindest CEO Elon Musk. Technologiekonzern Bosch investiert gleichzeitig Milliarden in sein Wärmepumpen- und Chipgeschäft.

The success of LVMH is a testament to the resilience of the super rich – City A.M.


Starke Zahlen

Viele prominente Firmen lieferten gute Zahlen fürs abgelaufene Quartal. Darunter waren die Techriesen AlphabetMetaMicrosoft und Amazon (wobei es bei Letzterem Sorgen ums Cloud-Geschäft gab), Softwareschmiede SAP, Autobauer Mercedes, Kosmetikfirma L’Oréal, Technologiekonzern IBM, die vom Zinsgeschäft profitierenden Großbanken Bank of AmericaJPMorganWells Fargo und Citigroup, der Chemieriese BASF (zumindest fielen die schwachen Resultate besser als erwartet aus) sowie, natürlich, Luxuskonzern LVMH.

Das M&A ist zurück_

(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Neue und alte Chatbots, viel Diskurs rund um Künstliche Intelligenz.

Im April gab es nach Monaten an wenig Aktivität am Markt für Mergers & Acquisitions, also Fusionen und Übernahmen, wieder einige namhafte Transaktionen – und einige wohl nicht.

  • Impfstoffhersteller BioNTech sichert sich die Rechte an Medikamenten des chinesischen Rivalen DualityBio, in einem Deal welcher bis zu 1,5 Milliarden USD wert sein könnte.
  • Die Lufthansa verkauft endlich ihre Catering-Tochter LSG für einen unbekannten Preis, um sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.
  • Pharmakonzern Merck (MSD) kauft Prometheus Biosciences für 10,8 Milliarden USD
  • Microsofts gigantische Übernahme von Gaming-Riesen Activision Blizzard für 69 Milliarden USD wird immer unwahrscheinlicher, denn britische Regulatoren stellen sich offiziell quer.
  • In Deutschland sorgte vor allem der Verkauf des Wärmepumpenherstellers Viessmann in die USA für 12 Milliarden EUR (13,4 Milliarden SUD) für Aufsehen – denn er erfolgte fast zeitgleich zum Beschluss der “Wärmewende”.

Microsoft, Activision-Blizzard, and the CMA: So, What’s Next?– IGN

Ingenieur erklärt den Wärmepumpen-Markt: „Viessmann macht sich schön die Kassen voll“ – Berliner Zeitung

Startups_

(1 Minute Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Einige beachtliche Erfolge im März, darunter Geld für Münchner Raketen und Profitabilität für eine britische Neobank. 

Im April herrschte – haben wir den Ausdruck schon einmal verwendet? – Licht und Schatten in der Startupszene. Gut lief es beim deutschen Flugautobauer Volocopter. Er nimmt seinen ersten eigenen Produktionshangar in Betrieb und hofft, in anderthalb Jahren den kommerziellen Betrieb aufnehmen zu können. Dem Kölner Handwerker-Startup Installion gelang ein achtstelliger Exit per Verkauf an einen Hamburger Ökostrom-Anbieter. Die deutsche Fintechszene erholte sich insgesamt, immerhin konnte sie ihr Funding im ersten Quartal auf 235 Millionen EUR verdreifachen, gegenüber dem Vorquartal – sie bleibt weit entfernt von ihren Rekordständen 2021. International sorgten vor allem zwei Chipstartups für Aufsehen: Die Halbleiter von SiMa aus den USA und Neuchips aus Taiwan schlugen in einem renommierten Leistungstest selbst Giganten wie Nvidia und Qualcomm.

Ein schwierigerer Monat war es offenbar für Lieferdienst Flink, welcher neues Geld benötigt und dafür wohl eine deutlich niedrigere Bewertung als die letzten 3 Milliarden EUR hinnehmen werde. Auch strich das Startup laut Medienrecherchen 38% seiner Stellen (8.000 Mitarbeiter) in den vergangenen zwölf Monaten. Ein anderer prominenter Problemfall ist N26: Ein Bestandsinvestor der Berliner Neobank will seinen Anteil offenbar bei einer Bewertung von 3 Milliarden EUR verkaufen, ein Drittel der letzten Unternehmensbewertung. In der “zweiten Reihe” gab es etwa eine Insolvenz beim Pizza-Startup Lizza, ein wohl endgültiges Aus für den Lieferdienst Yababa und Rechtssorgen für den ehemaligen E-Autobauer, heute Solaranlagenverkaufer, Sono Motors aufgrund einer fragwürdigen Crowdfunding-Kampagne.

Sono Motors droht Ärger wegen fragwürdiger Finanzierung – Stern

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