Ein Explainer zum Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung 2025.
13.04.2025
Gesellschaft | Wirtschaft | Staat | Digitalisierung | Außenpolitik | Arbeitsweise
(25 Minuten Lesezeit)
CDU, CSU und SPD haben sich auf eine Koalition verständigt. Ihre Aufgaben wirken größer als jene der meisten vergangenen Koalitionen:
- Langjährige Strukturprobleme in der Wirtschaft werden durch eine akute Konjunkturschwäche (ihrerseits eine große Kurzfristaufgabe) unübersehbar gemacht. Darunter sind der Fachkräftemangel, die hohen Energiekosten, die hohen Bürokratiebelastungen und die prekäre Finanzierungslage der sozialen Sicherungssysteme.
- Künstliche Intelligenz schafft neue Anforderungen, Bedarfe und regulatorische Fragen.
- Die Migrationspolitik ist ein stark präsentes Thema im öffentlichen Diskurs, welches die Regierung zwischen dem Wunsch nach Kontrolle und jenem nach humanitären Selbstverpflichtungen balancieren muss – und sie wird dabei die europäische Ebene und den hohen Bedarf nach qualifizierter Zuwanderung berücksichtigen müssen.
- In der etwas aus dem Diskurs fallenden Klimapolitik muss sie das Erreichen nationaler Verpflichtungen steuern und auf internationaler Ebene Einfluss geltend machen.
- Die Außenpolitik verkompliziert sich mit einer “Multilateralisierung” der Welt und einer erratischen, gegenüber Europa mitunter antagonistischen US-Linie. Das stellt auch Fragen an Deutschland innerhalb der Europäischen Union, wie sich diese für die kommenden Jahrzehnte positionieren möchte – sowohl auf ihre Positionen als auch ihre Strukturen bezogen.
- Der Ukrainekrieg läuft weiter, doch könnte in eine neue Phase treten, in welcher sich Militärisches mit mehr oder weniger performativen Verhandlungsprozessen verbindet.
- Die Regierung muss eine verteidigungspolitische Wende einleiten und dafür zahlreiche neue Mittel durch Schulden verwalten.
- Dazu kommt ein großer Schuldenfonds für “Infrastruktur”, welchen die Regierung definieren, einsetzen und in seinen finanzpolitischen Implikationen verwalten werden muss.
- Ungeachtet der Schuldenwende bleibt eine schwierige haushaltspolitische Lage, welche Ausgabensenkungen, Steuererhöhungen und/oder Wirtschaftswachstum erforderlich machen dürfte.
Was sind also die Pläne der Koalitionäre aus Union und SPD für die nächsten vier Jahre? Die whathappened-Redaktion stellt in diesem Explainer die Ziele des Koalitionsvertrags heraus und streicht den Füllertext. Der Explainer fokussiert sich auf konkrete Pläne, benennt aber auch dort, wo sinnvoll, gröbere Ziele. Du kannst diesen Explainer als Nachschlagewerk nutzen, um zu verstehen, was die Regierung will – und in der Zukunft zu prüfen, was sie erreicht hat.
Gesellschaft und Soziales_
Arbeit | Sozialsysteme | Rente | Familie | Gesundheit | Migration
(7 Minuten Lesezeit)

Arbeit & Soziales
- Das Bürgergeld soll umgebaut werden. Die Koalition hebt die Pflichten der Arbeitslosen hervor und macht die Vermittlung in Arbeit zur Priorität. Sie will bei „Vermittlungshemmnissen“ (auch gesundheitlicher Natur) unterstützen, doch wird Vermögen stärker anrechnen und im Extremfall die Leistungen komplett entziehen. Jobcenter sollen mit mehr Mitteln ausgestattet werden.
- Die Koalition ernennt die Arbeits- und Fachkräftesicherung zu einer Priorität. Heimisch hebt sie dabei vor allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen hervor, für welche sie ein Familienbudget für Alltagshelfer „prüfen“ will.
- Für die qualifizierte Zuwanderung verspricht die Koalition eine „Work-and-stay-Agentur“. Sie soll Bürokratie abbauen, Prozesse digitalisieren sowie standardisieren und Qualifikationen schneller anerkennen. Flüchtlinge sollen einfacher an den Arbeitsmarkt gebracht werden.
- Sozialleistungen sollen stärker zusammengefasst, entbürokratisiert und auf Arbeitsanreize abgestimmt werden. Eine Kommission soll bis Q4 2025 Vorschläge zur Sozialstaatsreform liefern.
- Kinderarmut soll dediziert bekämpft werden, womöglich durch eine „Kinderkarte“.
- Selbstständige sollen davon profitieren, dass Statusfeststellungsverfahren (zur Scheinselbstständigkeit) schneller ablaufen.
- Die Koalition unterstützt zwar keine europäische Arbeitslosenversicherung, dafür aber einen EU-weiten Sozialversicherungsausweis mit digitaler EU-Identität.
- Der Mindestlohn bleibt unangetastet; die Mindestlohnkommission wird weiter entscheiden.
- Ein Bundestariftreuegesetz soll Staatsaufträge ab 50.000 EUR daran knüpfen, dass ein Unternehmen Tariflöhne zahlt.
- Anstelle einer täglichen wird es eine wöchentliche Maximalarbeitszeit geben, um mehr Flexibilität zu gestatten. Die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung soll „unbürokratisch“ und mit Übergangsregeln gehandhabt werden. Überstundenzuschläge werden von der Steuer befreit.
Ein geläuterter Radikaler
Die Frustration in der Opposition richtet sich gegen deren zunehmende Marginalisierung und die Vereinnahmung des Staates durch die Regierungspartei SNS. Die serbische Verfassung sieht eigentlich eine parlamentarische Republik vor. Trotzdem ist der mächtigste Mann im Land nicht der Premierminister, sondern der Präsident: Aleksandar Vučić.
Vučić war einst ein Ultranationalist, welcher im jungen Alter der rechtsextremen Radikalen Partei beitrat. “Ihr tötet einen Serben und wir werden 100 Muslime töten”, so Vučić kurz nach dem Srebrenica-Massaker 1995. Nur drei Jahre später wurde er vom serbischen Autokraten Slobodan Milošević zum Informationsminister gemacht, als welcher er die Meinungsfreiheit im Land stark reglementierte, etwa mit Verboten gegen ausländische Medien und Geldstrafen für Regierungskritik. Schon knapp ein Jahr später stürzte die Regierung nach der NATO-Intervention im Kosovokrieg.
Nach einigen Jahren abseits der Spitzenpolitik kehrte Vučić “reformiert” zurück. Er schwor öffentlich seinem Ultranationalismus ab und war 2008 einer der Mitgründer der SNS, eine im Stil klar populistische, ideologisch aber nicht eindeutig verortbare Partei (außer tendenziell in der Wirtschaftspolitik, wo sie meist liberale Positionen einnimmt). Ein populärer Antikorruptionswahlkampf brachte der SNS 2012 den Parlamentssieg ein. Vučićs selbst wurde erst Vizepremier, dann 2014 Premierminister und zu guter Letzt 2017 Präsident.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Bürgergeld verschwindet – noch mangelt es an Details, doch die wenigen, die es gibt, deuten eine ernstzunehmende Abwicklung an. Das ist ein Flaggschiffprojekt der Union. Bei der Belebung des Arbeitsmarkts (Arbeitsanreize, Migration) lässt sich kein großer Wurf erkennen, dafür viele Versprechen für gewisse Effizienzsteigerungen. Abgesehen vom Bürgergeld ist das Kapitel Arbeit und Soziales damit von vielen Kompromissen beider Parteien und eher kleinen Schritten gezeichnet.
Rente
- Das Rentenniveau wird bei 48 Prozent verankert – aber nur bis 2031. Die anfallenden Kosten sollen durch Steuermittel, nicht höhere Sozialbeiträge gedeckt werden. Der Nachhaltigkeitsfaktor wird damit faktisch ausgehebelt, auch wenn die Koalition nominell an ihm festhält. Ab 2031 wird er wieder das Rentenwachstum bremsen.
- Das Renteneintrittsalter wird nicht erhöht. Es soll aber „finanzielle Anreize“ für Weiterarbeit geben: Die „Aktivrente“ lässt bis zu 2.000 EUR Monatsgehalt steuerfrei.
- Die Mütterrente wird erhöht, indem eine Lücke geschlossen wird zwischen Müttern mit Kindern vor und nach 1992.
- Die „Frühstart-Rente“ zahlt jedem Kind im Alter von 6 bis 18 Jahren monatlich 10 EUR auf ein steuerfreies Altersvorsorgedepot ein.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Dass sich weder Union noch SPD verschärfend an die Rente wagen, überrascht nicht; stattdessen weiten sie diese aus und verteilen damit zugunsten der Senioren um – wie es die SPD schon in der Ampel versucht hatte. Die Mütterrente, ein CSU-Flaggschiffprojekt, könnte rund 5 Milliarden EUR jährlich kosten. Die Stabilisierung des Rentenniveaus wird vermutlich gar nicht allzu viel kosten, da sie erst ab circa 2029 relevant werden dürfte und nur bis 2031 gilt. Eine nächste Regierung darf sich also damit befassen.
Familie
- Zur Sprachbildung und Qualitätsförderung in Kitas wird eine verpflichtende Sprachstandserhebung für alle Vierjährigen eingeführt. Ein Qualitätsentwicklungsgesetz soll das bisherige KiTa-Qualitätsgesetz ablösen und zusätzliche Förderung für Sprach-Kitas und Startchancen-Kitas ermöglichen.
- Das Ausbauziel für Ganztagsbetreuung in der Grundschule bleibt bestehen. Bürokratische Hürden sollen abgebaut, freie Träger in der Jugendarbeit stärker eingebunden werden.
- Das Elterngeld wird weiterentwickelt: mehr Anreize für Väterbeteiligung, erhöhte Lohnersatzraten, Flexibilisierung für Selbstständige, Ausweitung auf Pflegeeltern.
- Der Kinderzuschlag soll weiterentwickelt und vereinfacht werden, die Antragsverfahren vollständig digitalisiert. Eine „Teilhabe-App“ für Kinder mit Freizeit- und Bildungsangeboten ist in Planung.
- Unterhaltspflichtige, die nicht zahlen, sollen härter sanktioniert werden – u.a. durch Führerscheinentzug, verschärfte Auskunftspflichten und Überprüfung der Pfändungsfreigrenzen.
- Eine ressortübergreifende Strategie „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ wird angekündigt. Sie umfasst verpflichtende Altersverifikationen und sichere Voreinstellungen bei digitalen Geräten und Angeboten.
- Die Koalition bekennt sich zur Gleichstellung und will die strukturelle Benachteiligung von Frauen weiter abbauen.
- Ältere Menschen sollen stärker teilhaben können: durch den Abbau digitaler Barrieren, Mehrgenerationenhäuser, innovative Wohnkonzepte und eine Reform des Pflegezeitgesetzes.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Koalition hält weitestgehend an den bisherigen Zielen und Programmen der Bundesregierung fest. Konkrete Maßnahmen nennt der Vertrag außerdem nur relativ wenige.
Gesundheit
- Die Finanzen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sollen stabilisiert werden. Die elektronische Patientenakte wird ab 2025 verpflichtend eingeführt.
- Die präventive Medizin soll gestärkt werden: durch niedrigschwellige Angebote, barrierefreie Versorgung und geschlechts- sowie diversitätssensible Medizin. In der Psychotherapie sollen digitale Anwendungen ausgebaut werden.
- Eine umfassende Pflegereform ist geplant: mit besserer Personalbemessung, Reformen der Berufsgesetze und Förderung von Pflegekompetenz. Ziel ist mehr Eigenständigkeit und die Zusammenlegung von Leistungen. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen durch Gleichstellung von Leih- und Stammkräften verbessert werden.
- Deutschland soll zum Spitzenstandort für Gesundheitsforschung werden – mit Fokus auf klinische Studien und Infektionsforschung.
- Investitionen in Krankenhäuser sollen auch dem Zivilschutz und der Verteidigungsvorsorge dienen. Besonders regionale Gesundheitszentren im ländlichen Raum sollen gefördert werden.
- Die Organspendebereitschaft soll durch Aufklärungskampagnen gesteigert werden.
- Eine nationale Arzneimittelreserve soll helfen, Lieferengpässe zu vermeiden.
- Die Suchtprävention, vor allem bei Jugendlichen, soll verstärkt werden. Gegen synthetische Drogen wie Lachgas und GHB/GBL werden Maßnahmen ergriffen.
- Die telefonische Krankschreibung wird angepasst, um Missbrauch zu vermeiden.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Auch in der Gesundheitspolitik setzt die Koalition auf das Verschlanken und Verbessern bestehender Strukturen. Die Pflegereform ist vielversprechend, und auch die digitale Patientenakte kann bei richtiger Umsetzung zu großen Verbesserungen im System führen. Erfahrungsgemäß bewegt sich in der Gesundheitspolitik jedoch vieles nur langsam.
Migration
- Die Koalition bekennt sich zum Asylgrundrecht, verfolgt jedoch eine deutlich restriktivere Linie bei irregulärer Migration. Sie will das Ziel der “Begrenzung” der Migration ins Aufenthaltsgesetz zurückholen.
- Freiwillige Bundesaufnahmeprogramme (z. B. für Afghanistan) werden beendet, der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt.
- Migrationsabkommen sollen stärker eingesetzt werden, um Rückführungen zu erleichtern und legale Wege gezielt zu öffnen.
- Grenzkontrollen werden fortgeführt. Die Grenzschutzbehörde Frontex soll gestärkt, Rückführungen erleichtert und Asylbewerber an den Grenzen ggf. zurückgewiesen werden.
- Die Liste sicherer Herkunftsstaaten wird erweitert, etwa um Indien, Marokko, Algerien und Tunesien.
- Rückführungen sollen beschleunigt werden, u. a. durch mehr Haftkapazitäten, Bundesausreisezentren und Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan (zunächst bei Gefährdern und Straftätern)
- Die Pflicht auf Rechtsbeistand bei Abschiebungen wird abgeschafft, Fluglinien werden zur Abschiebung verpflichtet.
- Geduldeten, gut integrierten Ausländern, die seit mindestens vier Jahren in Deutschland leben, wird ein befristetes Bleiberecht eingeräumt (bis 2027).
- Das Integrationsangebot (Sprach-Kitas, Integrationskurse, Startchancen-Programm) wird gestärkt, aber Integration soll auch stärker eingefordert werden (z. B. durch verpflichtende Integrationsvereinbarungen).
- Asylverfahren sollen beschleunigt, Verwaltungsgerichte für Asylrechtssachen geschaffen und der “Beibringungsgrundsatz” eingeführt werden (er weitet die Pflichten der Asylbewerber zur Darlegung von Sachverhalten in ihren Verfahren deutlich aus).
- Die sog. “Turboeinbürgerung” nach drei Jahren wird abgeschafft, die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts durch die Ampelkoalition aber im Übrigen beibehalten.
- Für ukrainische Geflüchtete, die nach dem 1. April 2025 kommen, gelten wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – sofern sie bedürftig sind. Sie haben also nicht mehr direkten Zugang zur regulären Grundsicherung.
- Das “Verbindungselement” soll gestrichen werden, womit Migranten unter Umständen auch in Staaten gebracht werden dürften, zu welchen sie keinerlei Bezug haben – etwa, um dort Asylverfahren extraterritorial zu durchlaufen.
Gedanken der whathappened-Redaktion: In der Migrationspolitik ist es nicht immer einfach, Performatives von Substantiellem zu trennen. Die neue Linie der Koalition deutet reichlich Verschärfung gegenüber der Ampel an. Die tatsächlich einflussreichen Änderungen könnten dabei die subtileren sein, etwa die Einführung des Beibringungsgrundsatzes, wohingegen mediale “Blockbuster” wie die Pläne zur Zurückweisung von Migranten an den Außengrenzen von der rechtlichen und europäischen Realität eingehegt werden könnten.
Wirtschaft und Infrastruktur_
Industrie | Startups | Handel | Wohnen | Verkehr | Klima & Energie | Landwirtschaft & Umwelt
(5 Minuten Lesezeit)

Industrie & Wirtschaftsförderung
- Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen sollen deutlich verkürzt, Förderprozesse vereinfacht werden.
- Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft soll beschleunigt werden, und zwar technologieoffen und mit sämtlichen Energiequellen („alle Farben“).
- Rohstoffe sollen vermehrt in Deutschland und Europa abgebaut und deren Bevorratung erleichtert werden.
- Branchenförderung ist geplant für: Stahl, Chemie, Pharma, Biotechnologie, Mikroelektronik, Gaming, Automobile – teils durch regulatorische Erleichterungen, teils durch Subventionen oder Programme.
- Es soll geprüft werden, wie Autoindustrie-Werke für die Verteidigungsindustrie umgerüstet und dabei unterstützt werden können.
- Der Mittelstand soll durch weniger Bürokratie, einfachere Vergaben und schnellere Genehmigungen profitieren.
- Eine nationale Tourismusstrategie soll den Tourismussektor stärken, auch durch besseren Schienen- und Flugverkehr.
- Der Einzelhandel soll vor „unlauterem Wettbewerb“ durch Billigimporte aus Fernost geschützt werden – ein Vorgehen gegen Plattformen wie Temu wird angedeutet.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Koalition behält ihre Karten in der Hand und lässt nicht ganz erkennen, wie tief sie in den industriepolitische Werkzeugkiste (Subventionen, Verbote und Ähnliches) greifen möchte. Sie deutet an einigen Stellen Subventionen an und spricht an anderen davon, sämtliche Subventionen auf den Prüfstand stellen zu wollen. Womit sie nie spart, ist, Effizienzgewinne in Form von Bürokratieabbau und schnelleren Verfahren zu versprechen. Das ist lobenswert und angebracht, aber auch leicht versprochen.
Startups
- Einführung einer „Gründerschutzzone“: Notarielle Vorgänge sollen vereinfacht, Beurkundungen digitalisiert und Datenflüsse zwischen Finanzamt, Notar und Gewerbeamt automatisiert werden.
- Ein „One-Stop-Shop“ für Gründer soll alle Anträge und Behördengänge zentral bündeln und Gründungen binnen 24 Stunden ermöglichen.
- Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (ESOPs) sollen durch bessere Steuer- und Sozialabgabenregelungen attraktiver werden.
- Gründerinnen sollen spezielle Fördermaßnahmen erhalten.
- Ein „Deutschlandfonds“ mit Milliarden EUR Eigenmitteln des Bundes, der durch Privatkapital und Garantien auf 100 Milliarden EUR wachsen soll, wird aufgelegt. Zielgruppen sind Mittelstand und Scale-ups, also große Startups.
- Der bestehende „Zukunftsfonds“ für Startup-Investitionen wird vergrößert – von 10 auf über 25 Milliarden EUR.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Pläne zugunsten von Startups sind nützlich, da sie in erster Linie kaum umstrittene Effizienzgewinne darstellen – allerdings tauchten One-Stop-Shops schon im Koalitionsvertrag 2021 auf.
Handel und Außenwirtschaft
- Die Koalition unterstützt den Abschluss der EU-Handelsabkommen mit Mercosur und Mexiko und trägt die Verhandlungen mit Indien, Australien und ASEAN mit.
- Mit den USA wird „mittelfristig“ ein Freihandelsabkommen angestrebt, kurzfristig soll ein Handelskonflikt vermieden werden.
- Ein neues Außenwirtschaftsgesetz soll es ermöglichen, Investitionen aus dem Ausland zu blockieren, wenn nationale Interessen betroffen sind.
- In der kritischen Infrastruktur sollen künftig nur noch Komponenten aus „vertrauenswürdigen Staaten“ verbaut werden dürfen.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Koalition zeigt sich freihandelsfreudig, was bei deutschen Regierungen nie ganz eindeutig ist. Wie sich das in der Praxis äußert, wird sich zeigen müssen. Bei vielen der Themen wird es letztlich auch nicht an Deutschland hängen.
Bauen und Wohnen
- Ein einheitliches Verfahrensrecht und einfachere Regeln sollen den Infrastrukturausbau beschleunigen.
- Der Wohnungsbau soll durch einen Investitionsfonds, steuerliche Entlastungen und weniger Bürokratie vorankommen. Binnen 100 Tagen soll ein erster Gesetzesentwurf für einen „Wohnungsbau-Turbo“ vorgelegt werden, dem eine grundlegende Reform folgen soll.
- Ein konkretes Neubauziel wird nicht formuliert. Die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten wird um vier Jahre verlängert.
- Einen Mietendeckel oder vergleichbare Preismaßnahmen wird es nicht geben.
- Indexmieten und möblierte Vermietungen sollen strenger reguliert werden; die Mietwucher-Vorschrift wird „präzisiert“.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Koalition lehnt sich beim (Wohnungs-)Bau nicht zu weit aus dem Fenster. Sie verspricht (wieder einmal) Effizienzgewinne, doch formuliert kein Neubauziel – wohlwissend, dass frühere Regierungen stets scheiterten.
Verkehr
- Das Deutschlandticket bleibt bestehen und soll bis 2029 stabil 58 EUR kosten. Ein Modernisierungspakt mit den Ländern soll die Finanzierung des ÖPNV sichern.
- Ein Tempolimit auf Autobahnen wird es nicht geben.
- Investitionen in das Schienennetz, Brücken, Tunnel und die Wasserinfrastruktur sollen erhöht werden.
- Die Deutsche Bahn soll grundlegend reformiert werden. DB und die Netztochter InfraGo sollen „verschlankt“ werden, etwa durch eine neue Struktur von Aufsichtsrat und Vorstand.
- Der Führerschein soll „bezahlbarer“ werden.
- Für E-Mobilität kommen neue Kaufanreize, z. B. Sonderabschreibungen und Kfz-Steuerbefreiung bis 2035. Auch Ladesäulen und die Elektrifizierung des ÖPNV sollen ausgebaut werden.
- Die Luftfahrt soll durch weniger Steuern, Gebühren und Abgaben gestärkt werden. Klimaschutzauflagen sollen nicht zur Überlastung führen.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Kapitel zu Verkehr trägt viel Handschrift der Union: Es geht um die Straße, die Luftfahrt und auch die Schiene; ein Tempolimit kommt nicht und das Fahrrad findet nur nebenbei Erwähnung. Die SPD dürfte freuen, dass das Deutschlandticket erhalten und im Preis unverändert bleibt.
Klima & Energie
- Die Koalition hält am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 fest und unterstützt das EU-Zwischenziel, die Emissionen bis 2040 um 90 % gegenüber 1990 zu senken.
- Der europäische Emissionshandel (ETS 2) wird ab 2027 eingeführt, CO₂-Preissprünge sollen dabei vermieden werden.
- Der Ausbau erneuerbarer Energien (Solar, Wind, Bio, Geo, Wasser) soll mit bestehenden Zielen und Gesetzesvereinfachungen fortgesetzt werden. Der Fokus liegt auf Kosteneffizienz, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.
- Entlastungen bei Stromkosten: Mindestens 5 Cent pro kWh Subvention, Senkung der Stromsteuer, Deckelung der Netzentgelte, Industriepreis für energieintensive Unternehmen.
- Planungs- und Genehmigungsverfahren für Energieinfrastruktur sollen beschleunigt werden. An Klimaschutzverträgen für die Industrie wird festgehalten.
- Bis 2030 sollen bis zu 20 GW Gaskraftwerke gebaut werden. Auch CCS-Technologien (CO₂-Abscheidung und -Speicherung) werden gefördert. Die Gasspeicherumlage wird abgeschafft.
- Der Kohleausstieg bis spätestens 2038 bleibt Ziel der Koalition.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Nominell bleibt das Ziel der Energiewende bestehen, allerdings trifft die neue Regierung kaum aktive Maßnahmen, setzt stattdessen auf bestehende Mittel und verschlankte Bürokratie. Die Klimapolitik hat insgesamt keine Priorität. Anders die Energiepolitik: Die Koalition möchte die Strompreise umgehend senken und perspektivisch durch mehr Gas und Erneuerbare niedrig halten.
Landwirtschaft & Umwelt
- Der Wolf wird ins Jagdrecht aufgenommen und sein Schutzstatus wird gesenkt, um gezielte Tötungen zum Herdenschutz zu ermöglichen.
- Die Versorgungsunabhängigkeit Deutschlands, vor allem bei Obst und Gemüse, soll gestärkt werden.
- Die Agrardiesel-Rückvergütung wird wieder eingeführt.
- Bürokratieabbau in der Landwirtschaft, insbesondere durch die Überprüfung von Meldepflichten – jedoch ohne Abstriche beim Klimaschutz.
- Das Verpackungsgesetz wird reformiert: chemisches Recycling wird Teil der Abfallhierarchie, Abfallvermeidung und Rezyklateinsatz werden gestärkt. PFAS-Verbote und das EU-Bodengesetz lehnt die Regierung ab.
- Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (inkl. Moorschutzstrategie) wird verstetigt. Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz sollen gestärkt werden.
- Eine nationale Wasserstrategie wird umgesetzt, um Wasserknappheit und Fluten zu bewältigen. Gefördert werden unter anderem Infrastruktur und Grundwasserneubildung.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Viel allgemeine Strategie, wenige konkrete Maßnahmen – vor allem bleibt vieles beim Alten oder wird sogar zurückgerollt. Die versprochene Stärkung ländlicher Gebiete ist vielversprechend, aber diffus. Landwirte freuen sich über die Rückkehr früherer Subventionen.
Staat und Verwaltung_
Bürokratie | Justiz | Recht | Steuern | Finanzen | Innen
(5 Minuten Lesezeit)

Bürokratie
- Die Koalition erklärt Verwaltungsreform, Digitalisierung und Bürokratierückbau zur zentralen Staatsaufgabe. Eine Modernisierungsagenda für die Bundesverwaltung soll 2025 vorgelegt werden, inklusive Effizienzfonds und ressortübergreifender Zusammenarbeit im „Whole-of-Government”-Ansatz.
- Behörden sollen teils zusammengelegt oder abgebaut werden. Die Zahl der Bundesbehörden (aktuell über 950) und das Beauftragtenwesen werden reduziert, letzteres um 50 Prozent. Das Personal in Ministerien und Bundestagsverwaltung soll bis 2029 um 8 Prozent sinken.
- Verwaltungsleistungen sollen künftig „digital-only” über ein zentrales Bürgerkonto beantragt werden – wo möglich antragslos (z. B. automatisch erteilter Kindergeldbescheid). Auch Unternehmen und Vereine erhalten spezielle digitale Zugänge.
- Das Bürokratieabbauziel lautet: 25 Prozent geringere Kosten für die Wirtschaft (~16 Milliarden EUR) und 10 Milliarden EUR weniger Erfüllungsaufwand für Verwaltung und Bürger. Jährlich soll mindestens ein Bürokratierückbaugesetz folgen.
- Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird abgeschafft, die Nachfolgeregelung soll die kommende EU-Richtlinie bürokratiearm umsetzen. Auch andere Berichts- und Statistikpflichten werden gestrichen oder vereinfacht.
- Es gilt künftig der „Once-Only”-Grundsatz: Daten müssen gegenüber dem Staat nur einmal angegeben werden. Eine zentrale Registermodernisierung und neue Datenplattformen sollen folgen.
- In sozialen Bereichen wird ein Blueprint für einfachere Verwaltung versprochen. Ein Konzept zur Verwaltungsmodernisierung im Sozialrecht soll bis Ende 2025 vorliegen.
- Förderprogramme des Bundes sollen standardisiert, pauschaliert und digitalisiert werden. Entscheidungen sollen schneller fallen.
- Für das Ehrenamt ist ein Bürokratieabbaugesetz geplant. Gemeinnützige Organisationen sollen etwa von der Mehrwertsteuer auf Sachspenden befreit werden.
- Die Koalition will Bürokratie auch auf EU-Ebene zurückdrängen (z. B. beim Lieferkettengesetz CSDDD, der Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD und der klimapolitischen Taxonomie). Bei Umsetzung von EU-Recht wird nationale Überregulierung (sog. „Gold Plating“) ausgeschlossen.
Justiz
- Ein neuer „Pakt für den Rechtsstaat” soll Digitalisierung, Personalstärkung und schlankere Verfahrensregeln kombinieren.
- Zivilverfahren sollen digitaler, schneller und strukturierter ablaufen (z. B. durch Online-Verfahren und klarere Fristsetzung).
- Die Strafprozessordnung wird grundlegend reformiert, unter anderem durch eine neue Expertenkommission.
- Das Verbandsklagerecht soll auf das EU-Mindestmaß reduziert werden. Infrastrukturvorhaben sollen mit „überragendem öffentlichen Interesse” ausgestattet und Planungen durch Genehmigungsfiktionen beschleunigt werden.
Haushalt und Finanzen
- Die Körperschaftssteuer für Unternehmen sinkt ab 2028 in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt – insgesamt also um 5 Prozentpunkte.
- Ein „Investitions-Booster“ wird aufgelegt: Für 2025–2027 gilt eine degressive Abschreibung von 30 Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen.
- Die Umsatzsteuer in der Gastronomie sinkt ab 2026 auf 7 Prozent.
- Mehr Personengesellschaften sollen die Möglichkeit erhalten, zur Körperschaftssteuer zu optieren.
- Die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen soll „zur Mitte der Legislatur“ sinken.
- Die Pendlerpauschale steigt 2026 auf 0,38 EUR.
- Der Solidaritätszuschlag für Besserverdienende bleibt bestehen.
- Keine Einführung einer Vermögenssteuer, keine Erhöhung der Kapitalertragssteuer.
- Künstliche Intelligenz soll helfen, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit besser zu bekämpfen.
- Auf EU-Ebene: Unterstützung für eine Europäische Bankenunion und eine Finanztransaktionssteuer.
- Eine Expertenkommission soll Vorschläge für eine „Modernisierung“ der Schuldenbremse erarbeiten.
- Konsumtive Staatsausgaben sollen eingedämmt, Subventionen und Sondervermögen noch 2025 überprüft werden.
- Die Verwaltungsausgaben sollen bis 2029 um 10 Prozent sinken, die Bundesverwaltung soll 8 Prozent weniger Stellen haben. Auch die Ausgaben für externe Berater werden gekürzt.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Steuerpolitik brachte die Koalitionsverhandlungen fast zum Scheitern. Sowohl bei der Unternehmens- als auch der Einkommensbesteuerung haben beide Seiten Kompromisse gemacht. Am Ende stehen Steuersenkungen, aber relativ vorsichtige – wobei es an entscheidenden Stellen (v.a. der Einkommenssteuer) noch an Details fehlt.
Innenpolitik
- Zur Stärkung der Sicherheitsbehörden plant die Koalition die Einführung einer dreimonatigen Speicherpflicht für IP-Adressen, erweiterte Überwachungsbefugnisse für die Bundespolizei sowie den Einsatz automatisierter Kennzeichenlesesysteme und biometrischer Datenanalysen – auch mittels KI (z. B. Gesichtserkennung).
- Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll zur Zentralstelle für Cybersicherheit ausgebaut werden. Geplant sind zudem die Weiterentwicklung der Nationalen Cybersicherheitsstrategie und die Schaffung einer technischen Zentralstelle für Nachrichtendienste.
- Der Kampf gegen Organisierte Kriminalität und sogenannte „Clankriminalität“ soll verschärft werden – unter anderem durch eine Beweislastumkehr bei der Vermögenseinziehung, ähnlich der US-Praxis der Civil Asset Forfeiture. Auch das Waffenrecht soll überarbeitet werden.
- Ein „Pakt für Bevölkerungsschutz“ soll Investitionen in Katastrophenschutz bringen und die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Zivilschutz und Bundeswehr verbessern.
- Die Koalition betont eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Extremismus – insbesondere gegenüber Linksextremismus, Islamismus (inkl. Einrichtung einer „Task Force Islamismusprävention“) und Rechtsextremismus. Letzterem soll u. a. durch ein NSU-Dokumentationszentrum begegnet werden.
- Staatliche Förderungen und Kooperationen mit Organisationen, die Verbindungen zu ausländischen Regierungen unterhalten, sollen beendet werden.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Innenprogramm orientiert sich zwar an den Leitfäden „Vielfalt, Toleranz und Humanität“, stellt aber auch eine entschiedene Verschärfung der Sicherheitspolitik dar. Das Programm enthält umfangreiche Kompetenzerweiterungen für die Polizei, die seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert werden, vor allem zur Überwachung im öffentlichen Raum und online.
Recht
- Das Strafrecht soll in mehreren Bereichen verschärft werden: Die Koalition will das Cannabisgesetz neu bewerten (lässt es vorerst aber unangetastet), härtere Strafen für Angriffe auf Einsatzkräfte einführen, Umweltkriminalität konsequenter verfolgen und das Cyberstrafrecht gezielt ergänzen. Wiederholungstätern bei Volksverhetzung kann das passive Wahlrecht entzogen werden.
- Eine Reform des Urheberrechts soll einen fairen Ausgleich zwischen Kreativen, Wirtschaft und Nutzern schaffen – mit angemessener Vergütung für Urheber, transparenter Nachverfolgbarkeit der Nutzung und besonderem Fokus auf die Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz.
- Das Genossenschaftsrecht soll modernisiert werden, zudem wird die Einführung einer neuen Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ geplant.
- Das Zivilrecht soll verschlankt und digitalisiert werden, unter anderem durch Abbau von Formerfordernissen, Stärkung der Privatautonomie und die Einführung digitaler Smart Contracts. Der Verbraucherschutz soll etwa durch strengere Regeln für Inkassobüros und den Zweitverkauf von Tickets gestärkt werden.
- Im Strafprozessrecht sollen Ermittlungsbefugnisse – insbesondere im digitalen Raum – erweitert werden. Geplant sind Erleichterungen bei Telefon- und Videoüberwachung sowie die Zulassung automatisierter Datenanalysen und biometrischer Identifikationsverfahren.
- Ein „Digitales Gewaltschutzgesetz“ soll den Schutz vor digitaler Gewalt stärken, etwa durch erleichterte Sperrung strafbarer Inhalte und Accounts sowie verbesserte Rechtsdurchsetzung für Betroffene.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Insbesondere das Strafrecht soll auf vielen Gebieten entschieden verschärft werden – das Versprechen der „Law and Order“-Politik wird weitgehend eingelöst. Novellierungen des Zivilrechts hingegen versprechen Erleichterungen für Verbraucher und vor allem für Unternehmen.
Digitalisierung und Innovation_
(2 Minuten Lesezeit)

Digitales
- Die digitale Souveränität soll gestärkt werden – durch weniger Abhängigkeit von ausländischen Anbietern, den Aufbau europäischer Schlüsselindustrien und einer Deutschen Verwaltungscloud (DVC) mit eigener Infrastruktur und Sicherheitsstandards.
- Die digitale Verwaltung soll mit Ende-zu-Ende-Digitalisierung Realität werden: digitale Ausweise, moderne Register, Abschaffung der Schriftformpflicht – überall dort, wo es rechtlich möglich ist.
- Die Koalition setzt auf Open Source und will ein europäisches Ökosystem durch Partnerschaften mit privaten und öffentlichen Akteuren fördern. Ein eigenes IT-Budget im Bundeshaushalt ist vorgesehen.
- Deutschland soll zu einem Wachstumszentrum der globalen Digitalwirtschaft werden – mit Rechenzentren, KI-Gigafabriken und digitaler Infrastruktur von Stromnetz bis Datenleitung.
- Glasfaseranschlüsse bis in jede Wohnung sind erklärtes Ziel. Ein neues Beschleunigungsgesetz soll Ausbau und Genehmigungen vereinfachen – inklusive Mobilfunk und Breitband.
- Die IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen wird zur Priorität, ebenso wie Investitionen in Forschung zu Sicherheit und Resilienz der Datenverarbeitung.
- Eine neue „Kultur der Datennutzung“ soll entstehen: einfacher Zugang, reformierter Datenschutz, Open Data als Standard – besonders im öffentlichen Sektor.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Programm enthält einige vielversprechende Ansätze zur Digitalisierung, darauf müssen nun aber konkrete Maßnahmen folgen. Die formulierten Wünsche sind ambitioniert und erfordern hohe Investitionen in die Infrastruktur. Einige sind schon aus vergangenen Koalitionsverträgen bekannt. Vielleicht gelingt es diesmal?
Bildung und Innovation
- Die Bildungspolitik soll durch eine neue Bund-Länder-Kommission stärker zentralisiert werden; dazu soll es gemeinsame messbare Bildungsziele und ein bundesweites Bildungsverlaufregister geben.
- Das Startchancen-Programm wird weiterentwickelt, um Lernschwierigkeiten abzubauen und die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu senken.
- Ein Digitalpakt 2.0 soll Lehrkräfte und Schüler digital fortbilden, KI-gestützte Lernsysteme einführen und bedürftigen Kindern digitale Endgeräte bereitstellen.
- Das BAföG wird umfassend reformiert: höhere Wohnpauschalen, dynamische Freibeträge, Orientierung an der Grundsicherung und vollständig digitale Verwaltung.
- Wissenschaftliche Karrieren sollen verlässlicher werden durch Mindestvertragslaufzeiten, mehr Tenure-Tracks und Förderung aller Disziplinen, von Geisteswissenschaften bis MINT.
- Eine unabhängige Stiftung für Wissenschaftskommunikation soll Erkenntnisse besser in die Gesellschaft tragen.
- Die Forschungsförderung des Bundes soll gebündelt und vereinfacht werden, mit weniger Bürokratie und gestärkter Exzellenzförderung in Studium und Ausbildung.
- Deutschland soll zur KI-Nation werden – mit Investitionen in KI- und Cloud-Infrastruktur sowie der Verbindung von KI und Robotik.
- Die Bundesagentur SPRIND soll künftig auch im Bereich Verteidigungstechnologie tätig sein dürfen.
- Weitere konkret benannte Innovationsfelder: Leichtbau, additive Fertigung und 3D-Druck.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Koalitionsprogramm geht kaum über allgemeine Strategie hinaus. Grundsätzlich sind mehrere der Ziele zu begrüßen, darunter die lange überfällige BAföG-Reform. Die Pläne zu KI wirken aktionsfreudig, aber bleiben sehr vage.
Außen-, Sicherheits- und Europapolitik_
(5 Minuten Lesezeit)

Außenpolitik
- Grundlinie: Deutschland bleibt ein klar transatlantisch verankerter Akteur, strebt aber mehr sicherheitspolitische Eigenständigkeit Europas an. Multilateralismus (UN, NATO, EU, G7/G20) bleibt außenpolitisches Leitbild.
- Russland & Ukraine: Russland wird als größte Bedrohung benannt. Die Ukraine erhält langfristige militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung, inklusive Sicherheitsgarantien, Wiederaufbauhilfe und NATO-Beitrittsperspektive. Auch eingefrorenes russisches Staatsvermögen soll einbezogen werden.
- USA, UK, Kanada: Die transatlantische Partnerschaft wird betont; sie sei von “überragender Bedeutung” – und bezieht ausdrücklich Kanada mit ein. Mit Großbritannien soll ein Freundschaftsabkommen geschlossen werden.
- China: Die Koalition benennt China als systemischen Rivalen. Ziel ist „De-Risking” durch Diversifizierung, weniger Abhängigkeit und stärkere EU-Koordination. Wo gemeinsame Interessen bestehen, soll zusammengearbeitet werden; bei Konflikt müsse “Selbstbewusstsein” und “eigene Stärke” bewiesen werden. Die Ein-China-Politik gilt, Beziehungen zu Taiwan sollen “friedlich” weiterentwickelt werden.
- Israel & Nahost: Israels Sicherheit bleibt „Staatsräson“, doch die humanitäre Lage im Gazastreifen müsse verbessert werden. Unterstützung für die UN-Palästinenserorganisation UNRWA ist an Reformen geknüpft. Eine Zwei-Staaten-Lösung bleibt das Ziel. Syrien soll beim Wiederaufbau unterstützt werden, allerdings mit „klaren Bedingungen”, was Menschenrechte und Pluralismus betrifft.
- Iran: Der Iran wird als destabilisierender Akteur beschrieben. Die Revolutionsgarden sollen auf die EU-Terrorliste. Sanktionen werden verschärft.
- Globaler Süden: Eine Nord-Süd-Kommission soll die Beziehungen ausbauen, auch mit schwierigen Partnern. Ziel ist eine wertegeleitete, aber auch interessengeleitete Politik.
- Afrika, Lateinamerika, Indo-Pazifik: Deutschland will die eigene Präsenz und Partnerschaften in Afrika (Sahel, AU, Freihandelszone), Lateinamerika (v.a. Mercosur, Brasilien, Mexiko) und dem Indo-Pazifik (v.a. Indien, Südkorea, Australien, Japan) vertiefen.
- Menschenrechte & Soft Power: Die Bundesregierung betont den Schutz religiöser Minderheiten (besonders Christen), das Engagement für weltweite Menschenrechte und Demokratie. Die auswärtige Kulturpolitik und politische Stiftungen sollen als geopolitische Instrumente gestärkt werden.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Keine großen Überraschungen in der Außenpolitik, welche im Koalitionsvertrag ohnehin traditionell höchstens in ihren Grundzügen skizziert wird. Auffällig ist wohl nur der häufige Verweis auf eine „interessengeleitete” Politik, welche offenbar die „feministische” Außenpolitik der Ampelkoalition ersetzen soll, aber selbstverständlich noch ein recht vager Begriff ist. Die Rhetorik rund um das kontroverse Palästinenserhilfswerk UNRWA war außerdem noch nie schärfer. Der Streit mit den USA wird im Koalitionsvertrag nur subtil erwähnt, etwa, wenn von mehr Eigenständigkeit die Rede ist.
Verteidigung
- NATO & Bundeswehr: Die NATO ist zentrale Sicherheitsgarantie. Die Bundeswehr soll zur „vollausgerüsteten” Armee der Landes- und Bündnisverteidigung ausgebaut werden. Dafür steigen die Verteidigungsausgaben „deutlich und stringent”.
- Wehrdienst & Gesellschaft: Ein freiwilliger Wehrdienst nach schwedischem Vorbild soll eingeführt werden; eine Pflicht gibt es dagegen nicht. Reserve und Heimatschutz werden gestärkt. Der Anteil von Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte in der Truppe soll steigen.
- Rüstung & Beschaffung: Ein Planungs- und Beschleunigungsgesetz wird angekündigt. So soll etwa die Schwelle, ab welcher Beschaffungen von den Bundestagsabgeordneten genehmigt werden müssen, erhöht werden. Zukunftstechnologien wie KI, Hyperschall, Cyber und unbemannte Systeme sollen schneller eingeführt werden.
- Rüstungsexporte: Rüstungsexporte sollen strategischer und koordinierter geprüft werden. Government-to-Government-Geschäfte werden ausgeweitet; Menschenrechtsverstöße schließen Exporte aus.
- Militärische Infrastruktur: Für Infrastrukturprojekte der Bundeswehr (z.B. für Kasernen) sollen gesonderte Regeln gelten – u.a. eigene Baugesetze, beschleunigte Verfahren und Vorrang gegenüber anderen öffentlichen Interessen.
- Weltraum & Sicherheitsforschung: Deutschland will sich im Bereich Weltraumsicherheit und Dual-Use-Forschung strategisch aufstellen. Eine nationale Weltraumsicherheitsstrategie ist geplant.
- Gesetzesnovellen: Der Militärische Abschirmdienst (MAD), das Parlamentsbeteiligungsverfahren bei Beschaffungen sowie die Sicherstellungsgesetze sollen umfassend überarbeitet werden.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Koalition möchte in der Verteidigung vergrößern und beschleunigen. Einige der Ideen sind nützlich und werden von Beobachtern lange gefordert. Eine große, offene Frage bleibt, wie genau die Regierung ihr von der Schuldenbremse ausgenommenes Geld einsetzen will. Ebenfalls unklar ist, ob der geplante freiwillige Wehrdienst alleine genügen wird, um die Personalprobleme der Bundeswehr zu lösen.
Entwicklungspolitik
- Strategischer Fokus: Entwicklungspolitik soll interessengeleitet sein – mit Schwerpunkten auf Rohstoffe, Energiepartnerschaften, Fluchtursachenbekämpfung und Wirtschaftsförderung.
- Struktur & Effizienz: Zuständigkeiten werden stärker beim Entwicklungsministerium (BMZ) gebündelt, um eine kohärentere Außenwirkung zu erreichen. Die Zahl der beteiligten Ressorts soll sinken.
- Migration & Entwicklung: Entwicklungshilfe wird explizit als Hebel zur Migrationssteuerung verstanden. Migrationsabkommen sollen mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit verknüpft werden.
- Private Investitionen & Vergaben: Vergaben bei Entwicklungsvorhaben sollen vorrangig an deutsche und europäische Unternehmen gehen.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Entwicklungshilfe wird dem Haushalt geopfert: Sie wird offenbar verkleinert und stärker entlang deutscher „Interessen” ausgerichtet. Was das genau bedeutet, wird die Koalition noch entscheiden müssen – doch die Verbindung zur Migrationspolitik macht sie bereits sehr deutlich.
Europapolitik
Deutschland soll als proeuropäischer Anker agieren – politisch, wirtschaftlich, sicherheitspolitisch.
Finanzrahmen und Wirtschaft
- Ziel ist eine „echte” Energieunion mit grenzüberschreitenden Netzen, Wasserstoffinfrastruktur und effizientem Strommarkt.
- Binnenmarkt soll in Zukunftsbranchen wie Digitales, Pharma und Verkehr gestärkt werden.
- Europäische Innovationspolitik soll sich stärker auf Schlüsseltechnologien wie KI, Raumfahrt oder Forschung fokussieren.
- Deutschland lehnt gemeinsame Schulden und Haftung weiter ab.
Institutionelle Reformen
- Ziel sind effizientere EU-Entscheidungen, etwa durch Nutzung von Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit.
- Koalition ist offen für Vertragsänderungen (Art. 48 EUV), will aber zunächst bestehende Spielräume („Brückenklauseln“) ausschöpfen, um Entscheidungsverfahren effizienter zu machen.
- „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten” soll ermöglicht werden, um bestimmte Vorhaben in kleinerem Kreise beschleunigt zu verfolgen.
- Wahlrecht zum EU-Parlament soll reformiert werden: Einführung einer Sperrklausel und eines D’Hondt-Auszählverfahren.
- Die Koalition will europäische Grundwerte (Art. 2 EUV) „konsequenter” durchsetzen: Bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen Sanktionen, Mittelentzug und sogar Stimmrechtsentzug konsequenter genutzt werden.
Bildung, Austausch, Erinnerungskultur
- Gemeinsame Erinnerungskultur wird betont: Unterstützung für Gedenkorte, darunter Deutsch-Polnisches Haus und ein Gedenkort für die Opfer der deutschen Besatzung in Polen.
- Einführung einer Rechtsform für „Europäische grenzüberschreitende Vereine“ geplant.
Erweiterung und Nachbarschaftspolitik
- EU-Erweiterung ist „geopolitische Notwendigkeit“. Beitrittsprozess soll leistungs- und stufenbasiert sein (“Phasing-in” in EU-Programme, Beobachterstatus, Teilnahme an gemeinsamer Außenpolitik ohne Stimmrecht).
- Westbalkan, Ukraine und Moldau werden weiter unterstützt; Beitritt Georgiens nur bei Einhaltung demokratischer Standards. Türkei bleibt strategischer Partner, aber Kritik an innenpolitischer Entwicklung.
- Europäische Außenwirtschaftsinitiative „Global Gateway“ (als Pendant zur chinesischen Belt and Road Initiative) wird unterstützt.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Union und SPD möchten mehr EU, soweit keine Überraschung. Auch der Wunsch nach weniger Abstimmungen per Einstimmigkeit ist nicht neu. Eine Frage ist, ob die Bestrafung von Rechtsstaatlichkeitsverstößen tatsächlich intensiviert wird – das würde mehr Konflikt mit Ungarn bedeuten. Und die Union setzt durch, dass sich die Koalition gegen gemeinsame Schulden ausspricht. Die whathappened-Redaktion vermutet, dass das die Art von Forderung ist, die im opportunen Moment fallen gelassen werden könnte.
Arbeitsweise der Bundesregierung_
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- Einheitliches Vorgehen: CDU, CSU und SPD tragen gemeinsame Verantwortung für die gesamte Legislatur: Im Parlament wird einheitlich abgestimmt, wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
- Koalitionsausschuss: Monatliche Treffen, klärt Grundsatzfragen und Konflikte.
- Keine Zusammenarbeit mit Extremisten: Abgrenzung zu verfassungsfeindlichen Parteien ist verpflichtend – keine gemeinsamen Anträge, keine Absprachen.
- Wahlrechtsreform geplant: 2025 soll eine Kommission Vorschläge machen für kleinere Parlamente mit vollständiger Direktwahl aller Erststimmen-Gewinner. Auch Wahlalter ab 16 Jahren wird geprüft.
- Kabinett und Personal: Kein Partner wird überstimmt, Posten in Regierung und EU nur einvernehmlich besetzt.
- Frühkoordinierung: Politisch relevante Vorhaben müssen vorab mit Kanzleramt und Koalitionspartnern abgestimmt werden.
- Europa intern geeint: Konflikte bei EU-Vorhaben sollen frühzeitig im “EU-Monitoring” auf Staatssekretärsebene geklärt werden.
Gedanken der whathappened-Redaktion: Die gemeinsamen Benimmregeln zwischen Union und SPD sind weitestgehend gewöhnlich. Auffällig ist der Beschluss, nicht mit Extremisten zusammenzuarbeiten – dabei geht es kaum verhohlen um die AfD und das Migrationspolitik-Manöver der Union im Januar. Das Wahlrecht der Ampelkoalition, welches der Union ein Dorn im Auge ist, wird in diesem Kapitel erwähnt (und für die SPD-Seele auch kurz das Wählen ab 16 Jahren). Derweil ist die gemeinsame Absprache für Beschlüsse auf EU-Ebene weniger Schmückwerk, als es wirken mag: In der Ampelkoalition kam es mehrfach zu Streitigkeiten der drei Parteien, die sich auf EU-Ebene abspielten; das will die neue Koalition offenkundig vermeiden.