Was seitdem passiert ist… Wo steht Italien unter Meloni?

Wir bringen dir ein Update zu den Storys, die wir in den letzten Monaten behandelt haben.
Diese Ausgabe: Italien.

Wo steht Italien unter Meloni?_

(insgesamt 12 Minuten Lesezeit)

Die whathappened-Redaktion hatte Italien zwei Explainer gewidmet: Einmal, als im Februar 2021 der sechsundsechzigste Sturz einer Regierung seit 75 Jahren zur Einsetzung von Mario Draghi, einem renommierten Ökonomen und ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), als Premierminister geführt hatte. Der Explainer erklärte, welche institutionellen Gründe zum Chaos in der italienischen Politik beitragen und was die Strukturschwächen des Landes sind – was bis heute akut bleibt.

Whatever it takes, Vol. 2 (Explainer)

Im Dezember 2021 folgte ein Update: Knapp ein Jahr lang war Draghi bereits im Amt und noch immer fast allseits beliebt. Italien war international angesehener und schien zuhause stringenter, intelligenter geführt zu werden: Es haushaltete gesünder und stieß lang geforderte Strukturreformen an, und das immerhin inmitten der Covid- und Energiekrisen. Der Premier flirtete zum Zeitpunkt des Updates gerade semi-öffentlich mit der Idee eines Rücktritts, um stattdessen ins Präsidentenamt zu wechseln – weniger machtvoll, doch stärker vom politischen Hahnenkampf im Land isoliert. Viele Beobachter, bis hin zu ausländischen Medien, appellierten an ihn, doch bitte Premier zu bleiben. Draghi tat dies pflichtbewusst.

Das Königreich Draghistan (Update)

Die Draghi-Ära endet…

Doch Italien blieb Italien und im Juli 2022 stürzte die nächste politische Krise die siebenundsechzigste Regierung seit 76 Jahren. Ex-Premier Giuseppe Conte, Anführer der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) entzog Draghi faktisch das Vertrauen, da er dessen Linie beim Einsatz von Covid-Hilfsgeldern der EU und die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisierte. Draghi erklärte darauf hin seinen Rücktritt. Ein kurzes politisches Spektakel später – Präsident Mattarella akzeptierte Draghis Rücktritt nicht; die M5S zersplitterte -, waren Neuwahlen für September 2022 angesetzt.

Zu den Angreifern der Draghi-Regierung hatte neben der linkspopulistischen M5S auch die rechtspopulistische Lega gehört, bekannt mit ihrem Anführer Matteo Salvini, sowie die ebenfalls rechte Forza Italia (FI) unter dem illustren Dauerpremier Silvio Berlusconi. Alle drei waren eigentlich Teil von Draghis Koalition, einer Einheitsregierung aus acht unterschiedlichsten Parteien; neben M5S, Lega und Forza waren auch die Sozialdemokraten (PD) und die liberale Italia Viva (IV) unter Ex-Premier Matteo Renzi dabei. Die rechten Parteien verstanden im Sommer 2022 allerdings, dass sie gute Chancen hätten, sollten kurzfristig Neuwahlen abgehalten werden – ein Anreiz für Lega und FI, den Streit zwischen Conte und Draghi zu eskalieren. Siegerin in den Umfragen war allerdings jemand anderes: Die einzige namhafte Partei, welche sich Draghi nicht angeschlossen hatte und damit die einzige Opposition darstellte. Die Fratelli d’Italia.

… und die Meloni-Ära beginnt

Am 25. September 2022 wurde das Ende der europäischen Moderne vollzogen, der Dammbruch gewagt: Giorgia Meloni hatte die Parlamentswahlen in Italien gewonnen und die Medien waren in Aufruhr. Die 46-jährige Römerin war die Anführerin der Fratelli d’Italia (FDI), einer Partei, welche sie im Verlaufe der Jahre vom Rechtsradikalismus zum Rechts… – nun ja, Rechts-was-eigentlich-genau ist Ansichtssache – geführt hatte. Nun würde sie mit starken 26 Prozent Stimmenanteil (2018: 4,35 Prozent) Premierministerin werden und auf den fast allseits beliebten, dezent sozialdemokratischen Technokraten Mario Draghi folgen.

Es stieß ein mediales Feuerwerk an. Sascha Lobo, einer der bekanntesten Kolumnisten von Spiegel Online und in Deutschland allgemein, schrieb, dass in Italien der Faschismus “wieder aufgelodert” sei, Europa eine “katastrophale Gefahr” drohe und Meloni ein “Attentat auf die liberale Demokratie” tätigen werde. Seine Kollegin Samira El Ouassil wollte sich “die Augen auskratzen“, da der Dalai Lama – ausgerechnet der Dalai Lama – Meloni gratuliert hatte. Auch laut der Süddeutschen Zeitung loderte die “Flamme des Faschismus”; Beobachter sollten sich bloß nicht davon “einlullen” lassen, dass die Rechtsextreme Meloni nett, lustig und selbstironisch sein könne. Die TAZ ließ eine Politologin erklären, dass die Wahsiegerin der EU “Chaos” und eine “mittelalterliche Gesellschaft” einbringen würde. Der Stern nannte Meloni “die gefährlichste Frau Europas“. Ganz ähnlich das Ausland: Polens wichtige Zeitung Rzeczpospolita befürchtete, dass eine Säule der EU “in die Luft gesprengt” werde, da Meloni künftig nationales Recht vor EU-Recht stellen würde.

Die Sorge um die Politikerin nahm mitunter absurde Züge an, welche mehr schockiert-fasziniertem Psychoprofil im Stile von Amokläuferporträts als ernstzunehmender Politberichterstattung glichen: Da wäre (ein inzwischen hinter die Paywall verbannter) Spiegel-Online-Beitrag, in welchem ein Naturschutzhistoriker erklärte, warum Melonis Interesse an Klimapolitik als Ausdruck einer nazistischen Blut-und-Boden-Ideologie (€) zu werten sei. Oder die zahlreichen Beiträge, welche Melonis Begeisterung für Tolkiens Epos Der Herr der Ringe im Kontext der italienischen Rechtsbewegung und einer Gut-gegen-Böse-Dichotomie einordneten. 

Nicht völlig unverdiente Sorgen

Dabei gab es durchaus valide Gründe, mit Skepsis auf Melonis Aufstieg zu blicken. Ihre FdI verfolgt ihre Entstehungsgeschichte zu den Neofaschisten nach dem Zweiten Weltkrieg zurück und nutzt stellenweise noch immer deren Symbolik. Meloni selbst trat mit 15 Jahren den Neofaschisten bei und erklärte mit 19 Jahren in einem Interview, dass Italiens Diktator Benito Mussolini der einzige große Politiker des modernen Italiens gewesen sei. Auch abseits der “Jugendsünden” zierte sie sich im Wahlkampf auffällig, Mussolini oder den Faschismus zu verurteilen; nutzte zudem ähnliche Slogans (“Gott, Heimatland, Familie”). Dazu kokettieren hochrangige Parteimitglieder der FdI teilweise offen mit der faschistischen Ära; der “römische Gruß” – das Pendant zum Hitlergruß – lässt sich auf manchen Parteievents finden.

Bei der Gleichsetzung der FdI mit dem Faschismus geht jedoch eine gewisse Nuance verloren. Die Partei hat ihre Wurzeln fraglos im neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), welches nach dem Weltkrieg Unterstützer von Diktator Benito Mussolini und Royalisten verband. Das MSI wandelte sich ab 1991 unter dem Pragmatiker Gianfranco Fini, welcher zu seinen politischen Vorbildern David Cameron und Nicolas Sarkozy zählte, jedoch zur Alleanza Nazionale (AN), welche bedeutend moderater auftrat, und zwar so sehr, dass sie viele hartgesottene Faschisten verschreckte. So erklärte Fini etwa bei einem Besuch in Israel 2003 – die AN hatte sich ausdrücklich der Unterstützung Israels und jüdischer Gruppen verschrieben – den italienischen Faschismus zum “absoluten Böse”. Unter den Neofaschisten, welche die AN damals verließen, war auch Alessandra Mussolini, Enkelin des Diktators.

Die Moderierung der Ultrarechten durch Fini brachte die AN 2008 in eine Regierungskoalition, nämlich im Zuge einer rechten Parteienföderation, später eigenständigen Partei, namens Il Popolo della Libertà (PdL, Volk der Freiheit), angeführt von Silvio Berlusconi. Es war ausgerechnet Fini, welcher als moderierende und progressive Kraft in dem Rechtsbündnis auftrat; er plädierte beispielsweise für liberale Positionen bei Stammzellenforschung, Immigration und der Trennung von Staat und Kirche. Das brachte ihn nicht nur mit Berlusconi in Konflikt, sondern auch mit rechteren Elementen seiner ehemaligen AN, darunter Giorgia Meloni. Die PdL zersplitterte, Fini fiel aus der Politik und einige Abtrünnige, darunter Meloni und Ignazio La Russa bildeten die Fratelli d’Italia. Diese ist damit kein direkter Ableger des Faschismus, sondern war die reaktionäre Gegenbewegung auf rund zwanzig Jahre ernsthafter Moderation und Liberalisierung einer ehemals neofaschistischen Partei, welche nun sogar an einer demokratischen Regierung teilgenommen hatte. Wohl auch deswegen die ungelenke Bezeichnung “Postfaschismus” für die FdI: Sie bricht nicht so recht mit ihren faschistischen Wurzeln, will aber nominell keine Rückkehr zum Faschismus, sondern als Partei des demokratischen Spektrums agieren.

Die größere Gefahr durch Melonis Wahlsieg war somit nicht ein “Auflodern des Faschismus” in Italien, sondern Institutionen erodierender Rechtspopulismus im Stile eines Viktor Orban oder Donald Trump. Meloni hatte seit Jahren gegen Eurokraten, die EU-Integration und die Hochfinanz gewettert. Sie vertrat ihre zutiefst sozialkonservativen Ansichten zwar nicht so vulgärpopulistisch wie ein Jair Bolsonaro in Brasilien, doch machte in einprägsamer “Ja-Nein”-Struktur ihre Ablehnung von Homosexualität, Abtreibung und Co. deutlich. Mit Ungarns Viktor Orban, welcher die demokratischen Institutionen in seinem Land aushöhlt, verbindet sie eine Freundschaft. Nach Russlands Krim-Annexion 2014 lehnte sie Sanktionen gegen das Land ab, wohl auch, da Moskau ihrer Ansicht nach “europäische Werte und christliche Identität” verteidige. Kein Wunder, dass der Kreml ihre Wahl feierte. Ebenso wenig Wunder, dass durch die westlichen Medien ein Raunen ging. Doch was ist seitdem passiert?

Der Stand nach 100 Tagen: Pragmatismus statt Postfaschismus

Etwas mehr als 100 Tage nach Melonis Amtsantritt im Oktober 2022 hat sich die Stimmung deutlich gewandelt. Die Politikerin tut, was sie angekündigt hatte, und fährt nach italienischen Standards eine moderat-rechte Politik – weicht vielerorts nicht einmal sonderlich von der Linie von Mario Draghi ab. Nach deutschen Maßstäben ist ihre Linie auffällig sozialkonservativ, doch keineswegs extrem.

Von Faschismus ist nichts zu sehen, stattdessen bemüht sich Meloni, mehr Distanz zu kreieren. Sie nannte die Rassegesetze 1938 einen “Tiefpunkt der Geschichte” und eine “Schande”. Beim Gedenktag zur Deportation von Juden sprach sie von der “feigen und unmenschlichen Furie der Nazi-Faschisten”, womit sie sogar ungewöhnlicherweise einräumte, dass auch die italienischen Faschisten und nicht nur die deutschen Nationalsozialisten an den Deportationen mitgewirkt hatten. Die 91-jährige Holocaust-Überlebende Lia Levi lobte die Erklärung als “einwandfrei“, auch wenn sie zugleich Wachsamkeit anmahnte. Im Gegenzug sind nun ausgerechnet neofaschistische Fraktionen wie Forza Nuova oder Italia Libera wütend und beklagen, nicht mehr von Meloni repräsentiert zu werden. 

Den übelsten Beigeschmack hatten bisher Personalentscheidungen; allen voran die Ernennung von Parteifreund La Russa, welcher zuhause Mussolini-Büsten ausstellt, zum Senatspräsidenten. Blickt man jedoch auf die tatsächlichen Reformen, ließe sich höchstens ein Dekret gegen illegale Rave-Partys als Hauch von Autoritarismus empfinden, da es abstrakte Fragen über den Umgang mit dem Versammlungsrecht aufwarf und kontrovers diskutiert wurde. Doch illegale Rave-Partys genügen noch nicht so recht für ein “Wehret den Anfängen”. In Sachen innere Sicherheit läuft die Rechtsregierung ironischerweise sogar Gefahr, als zu lasch zu gelten: Sie empfindet die Regeln für polizeiliche Abhörmaßnahmen als überbordend und will den Datenschutz stärken, was Kritiker als Gefahr für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität werten.

Im Ukrainekrieg steht Meloni ungeachtet des Widerstands ihrer Koalitionspartner Berlusconi und Salvini resolut an der Seite der Ukraine, entsendet Waffen und möchte Kiew noch vor dem symbolischen Invasionsjahrestag in Person besuchen. Mit ihrer Position, dass es Friedensverhandlungen erst geben könne, wenn die Ukraine sich nachhaltig verteidigen könne, spricht sie den Ukrainern aus der Seele. Von ihren lobenden Worten für Putin in den Vorjahren lässt sich nichts mehr entdecken, doch anders als bei Salvinis peinlicher Russland-Ukraine-Volte wirkt es bei Meloni durchaus authentisch. Auch die NATO unterstützt sie ausdrücklich, obwohl NATO-Kritik quasi das Brot und Butter der westeuropäischen Links- und Rechtspopulisten darstellt.

In der Migrationspolitik fährt Meloni zwar eine harte Linie, schikaniert beispielsweise Seenotretter, doch das lässt sich kaum als Zeitenwende verstehen. Erstens, weil sie damit im Grunde die Praxis der Draghi-Regierung fortführt (übrigens auch, was die Koordination mit der EU bei der Flüchtlingsverteilung betrifft), und nicht etwa an Ex-Innenminister Matteo Salvini und dessen rechtlich fragwürdigen Hafensperrungen anschließt; zweitens, weil eine strenge Migrationspolitik in Italien eben auch im Kontext des klaren Mandats betrachten werden sollte, welches es von der Bevölkerung dafür gibt: 66 Prozent der Italiener erklärten in einer Ipsos-Umfrage 2017, dass zu viele Migranten im Land seien. Seitdem hat das Thema kaum an Relevanz eingebüßt.

Gegenüber der EU fährt Meloni bislang eine moderate, pragmatische Politik. Hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach der Wahl in Italien noch gedroht, dass sie “die Werkzeuge” besäße, um ein antagonistisches Italien an die kurze Leine zu nehmen, so nannte sie Meloni jüngst eine gute Freundin. Die konservative Fraktion im EU-Parlament, die EVP, turtelt längst damit, die FdI in ihre Reihen aufzunehmen. Nicht nur, dass Rom sich mit seiner Linie bei Ukraine und Migration im Grunde als EU-Musterschüler verhält: Meloni trug sogar die Rechtsstaatlichkeit-Sanktionen der EU gegen Ungarn mit und schnitt ihren langjährigen Freund Viktor Orbán von 6,3 Milliarden EUR EU-Geldern ab. Streit gibt es eigentlich nur mit Frankreich, doch das ist weniger das Auseinanderbersten der Union als die übliche tagespolitische Streiterei, welche Paris aktuell auch mit Deutschland oder Großbritannien pflegt.

Der Pragmatismus setzt sich auch in der Wirtschaft fort. Vom Wirtschaftspopulismus der Wahlkampftage ist plötzlich wenig zu erkennen. Melonis neues Haushaltsgesetz beinhaltete fiskalische Konsolidierung und Strukturreformen, genau wie es sich die Aufpasser in Brüssel wünschen (auch wenn es bei Aspekten wie Digitalisierung und dem Kampf gegen Steuerhinterziehung Dissens gab). Durchgebracht hatte ihre Regierung es in nur zehn Wochen, bemerkenswert rasch. In einem charmanten Fall von Ironie war es ausgerechnet Meloni, die Anführerin einer wirtschaftspopulistischen Rechtspartei, welche einen Kraftstoff-Steuerrabatt entgegen ihrer eigenen Wahlkampfversprechen auslaufen ließ – nachdem sie im Wahlkampf eigentlich die Abschaffung der ganzen Steuer angekündigt hatte. Der Rabatt war übrigens von der vorherigen Technokratenregierung mit ihrem Spitzenökonom-Premierminister als Krisenreaktion eingeführt worden. Jetzt schuf die Postfaschistin ihn ab, weil er langfristig nicht finanzierbar sei. Würde man das Licht ausschalten, wäre plötzlich unklar, wer Populist und wer Technokrat ist.

Fünf Jahre?

Die Premierministerin legt einen außerordentlichen Pragmatismus – manche mögen es Opportunismus nennen – an den Tag. Sie verfolgt zuhause eine sozialkonservative Politik, welche bislang sowohl Rechten als auch Moderaten halbwegs passt, also wenig Radikalität versprüht. International tritt sie berechenbar und vernünftig auf. Statt extrem zu sein, wirkt sie fast etwas langweilig. Reuters zitiert Sofia Ventura, eine italienische Politikwissenschaftlerin, damit, dass Meloni eine “Metamorphose” vollzogen hätte: Ihr Auftreten sei deutlich moderater als noch in der Opposition. Venturas Kollege Gianfranco Pasquino nennt sie “sehr anpassungsfähig” und “nicht ideologisch”.

Womöglich geht es ums Geld: Italien kann 190 Milliarden EUR an Covid-Hilfsgeldern der EU freischalten, wenn es Strukturreformen umsetzt, welche Draghi mit Brüssel vereinbart hatte. Diese nicht zu realisieren, wäre fatal – für Meloni führt also kein Weg an Kooperation vorbei. Doch womöglich sagte die Premierministerin auch einfach tatsächlich die Wahrheit, als sie im Wahlkampf und unmittelbar nach ihrem Wahlsieg inmitten feuriger, populistischer Rhetorik zugleich immer betonte, eine moderate “Mitte-Rechts-Partei” anzuführen. Meloni könnte für die Fratelli d’Italia das sein, was Gianfranco Fini für das deutlich radikalere MSI war.

Die Italiener sind jedenfalls zufrieden. In Umfragen ist die Unterstützung für die FdI von 26 Prozent bei der Wahl im September auf heute ca. 30 Prozent gestiegen. Bei den Regionalwahlen, welche genau am Wochenende dieses Update-Explainers stattfinden, hat die FdI gute Erfolgschancen. Auch die Investoren machen keinen Eindruck, das Weite zu suchen. Die starke Rezeption verschafft der Regierung Selbstbewusstsein; sie spricht davon, die vollen fünf Jahre Legislaturperiode ableisten zu wollen – in Italien ein absolutes Novum. In diesem Sinne räumt sie sich auch die Zeit ein, größere Reformvorhaben, darunter eine Verfassungsänderung, welche Italien etwas mehr in Richtung Präsidialdemokratie rücken würde, später in Angriff zu nehmen. 

Meloni hätte also noch ein wenig Zeit, um doch noch an der EU zu wackeln oder zu versuchen, Italien im Stile Ungarns zu orbanisieren. Allzu lange darf sie mit jedweden Plänen allerdings nicht warten. Die Juniorpartner Lega und Forza Italia kollidieren mit Meloni schon jetzt inhaltlich; Salvini und Berlusconi sind nicht dafür bekannt, sich in der zweiten Reihe wohlzufühlen. Sie dürften nach jeder Gelegenheit Ausschau halten, sich zur stärksten Kraft am rechten Rand aufzuschwingen, so wie sie es beide schon einmal waren. Wie lange die bislang bemerkenswert pragmatische Postfaschistin in Rom im Amt bleibt, steht damit in den Sternen. Doch immerhin sieht derzeit alles danach aus, dass Italien und die EU nicht in den Abgrund rutschen, wie manch Beobachter befürchtet hatte. Ob das genügt, um den Dalai Lama zu rehabilitieren?

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