Ein Fraktionsstreit innerhalb der Taliban deutet an, wie die Zukunft aussehen könnte.
17.11.2024
Afghanistan heute | Haqqani
(11 Minuten Lesezeit)
Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)
- Afghanistan ist knapp 3 Jahre nach der Machtübernahme der Taliban fest in der Hand der Miliz.
- Die bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechte sind prekär; die Wirtschaftslage ebenso.
- Die Sicherheitslage hat sich bedeutend verbessert, auch wenn ISIS-K Anschläge verübt. Eine Rebellion, welche 2021/22 eine gewisse Größe besaß, ist weitestgehend zerschlagen.
- Ein Flügelstreit innerhalb der Taliban fällt auf: Ein Hardliner-Lager um Emir Haibatullah Akhundzada ist an der Macht und setzt eine extreme Interpretation der Scharia durch.
- Das Lager der Pragmatiker ist nach einigen Protesten inzwischen in den Hintergrund gerückt.
- Eine Ausnahme ist Sirajuddin Haqqani, Innenminister und Kriegsheld. Er baut im Inland seine Machtbasis aus, macht aber vor allem Avancen ans Ausland – ausdrücklich auch den Westen.
- Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da Haqqani für die USA lange Zeit der meistgesuchte Terrorist der Welt war.
Afghanistan unter den Taliban_
(7 Minuten Lesezeit)
Zurück auf Anfang
Im Sommer 2021 überrannten die Taliban Afghanistan. Die islamistische Miliz hatte zuvor zwanzig Jahre lang einen Guerilla- und Abnutzungskrieg gegen eine US-geführte Koalition und eine prowestliche Regierung im Land geführt. Längste Zeit beschränkte sie sich auf das schwer zugängliche Hinterland und regelmäßige Attentate; doch nachdem die Trump-Regierung 2020 einen Abzug angekündigt hatte – im Zuge eines Deals mit den Taliban – wurde die Miliz mutiger. Während die Biden-Regierung den Abzug fortsetzte, weiteten die Taliban ihr Herrschaftsgebiet aus.
Schnell wurde klar, dass die Regierung dem Vormarsch der Taliban nichts entgegensetzen konnte: Weder ihr zahlenmäßig überlegenes, doch in der Realität von Korruption zersetztes Heer, noch ihre gut ausgebildeten, doch schlecht geführten Spezialtruppen oder ihre kleine verschlissene Luftwaffe. Die Taliban zogen die Schlinge um die Städte Afghanistans, welche anders als die Landbevölkerung mit mehr Wohlwollen auf die Regierung als auf die Taliban blickten, enger und eroberten am 15. August 2021 völlig kampflos Kabul. Regierungsbeamte, darunter Präsident Ghani, waren in der Nacht zuvor aus dem Land geflohen. Die Taliban verwalteten noch zwei Wochen lang den Abzug westlicher Truppen, Staatsbürger und einiger afghanischer Ortskräfte. Dann gehörte das Land ihnen, wie schon 1996.
Drei Jahre später haben die Taliban Afghanistan weiterhin im Griff. Unter ihrem Obersten Führer (Emir) Haibatullah Akhundzada kontrollieren sie das Land vollständig. Ein regionaler Aufstand im nordöstlichen Pandschirtal ist entweder zerschlagen oder dermaßen lokalisiert, dass er die Taliban nicht bedroht. Der regionale Ableger des Islamischen Staats ISIS-K verübt zwar gelegentliche Anschläge, doch insgesamt bleibt das Sicherheitsniveau besser als noch zu der Zeit, in welcher die Taliban für den Terrorismus verantwortlich waren.
Gar nicht so isoliert
War die Gruppe anfangs international isoliert, so arrangieren sich die Nachbarn allmählich mit der Realität vor Ort. Vor allem China und Russland arbeiten mit den Taliban zusammen; investieren etwa in Infrastrukturprojekte vor Ort. China hat die Taliban sogar als einziges Land neben den VAE offiziell als Regierung anerkannt. Der Anreiz ist einfach ersichtlich: Unter der neuen Regierung können Moskau und Peking ihren Einfluss in Afghanistan ausbauen und sich zugleich Unterstützung der Taliban gegen eine Ausbreitung des Islamismus sichern. China blickt auf seine unruhige Uiguren-Provinz Xinjiang, welche an Afghanistan grenzt, und Russland erinnert sich noch gut an den Anschlag in Moskau im März 2024 durch ISIS-K, bei welchem 145 Menschen starben.
Gut zu wissen: Unser Explainer “Der Islamische Staat und Russland” aus März 2024 beleuchtet die Terrormiliz und ihre Interaktion mit Russland genauer.
Bekannt ist auch, dass die Taliban auch Kontakte zu den umliegenden Regierungen besitzen, etwa in Tadschikistan, Iran und Turkmenistan. Diese Staaten müssen sich zu sehr mit den Taliban arrangieren, um sie ignorieren zu können. Als engster Partner der Taliban galt jahrelang Pakistan, dessen Unterstützung für die Gruppe ein offenes Geheimnis war. Ironischerweise scheint nun Pakistan verärgert mit den Taliban zu sein: Islamabad hatte gehofft, dass die afghanische Gruppe die pakistanische Schwestermiliz Tehrik-e-Taliban (TTP) eindämmen würde, was sich bislang nicht materialisiert hat. Die TTP verübt regelmäßig Anschläge in Pakistan und besitzt Basen im Osten Afghanistans, wo sie sich dem Zugriff der pakistanischen Sicherheitsbehörden entzieht.
Und auch einige Kontakte in den Rest der Welt gelingen: Aserbaidschan lud eine Taliban-Delegation zur Klimakonferenz COP29 ein und eine Handvoll Staaten rund um Venezuela stimmte bei der UN (vergeblich) dafür, eingefrorene afghanische Gelder für die Taliban freizugeben. Norwegen lud die Taliban zu einer Friedenskonferenz in Oslo ein. Und die Schweiz hat ihre Entwicklungsorganisation (das Pendant zur deutschen GIZ) im September 2024 wieder nach Kabul zurückgebracht, nachdem sie wie die allermeisten ausländischen Organisationen im Frühjahr und Sommer 2021 abgezogen war.
Freiheiten am Tiefpunkt
Für das westliche Ausland war der Umgang mit den Taliban von Anfang an kompliziert. Erstens, da es den Fall Afghanistans als klare Niederlage und Gesichtsverlust verbuchen musste. Zweitens, weil die Taliban als radikalislamische Miliz mit ihren früheren Verbindungen zur Terrormiliz al-Qaida kaum als gangbarer Partner vorstellbar waren. Drittens, weil die Gruppe die Menschen- und Bürgerrechte in Afghanistan deutlich zurückdrehte.
Frühe Hoffnungen, dass die neue Taliban liberaler – der Komparativ ist an der Stelle wichtig – als 20 Jahre vorher auftreten würden, wurden weitestgehend enttäuscht. Unser Explainer “Afghanistan, ein Jahr danach” beleuchtete im August 2022 die neuen Regeln, welche die Taliban einführten. Frauen wurden praktisch aus dem öffentlichen Leben verbannt und dürfen heute nur noch die Grundschule besuchen; auch in den meisten Berufen sind sie verboten und eigens fortbewegen dürfen sie sich nur eingeschränkt. Der Umgang mit Frauen ist unter den Taliban am drastischsten, doch auch Männer leiden unter strengen Sittenregeln (bis hin zur Bartpflicht) und ethnische Minderheiten werden allem Anschein nach verfolgt.
Immerhin: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist so gut wie seit 24 Jahren nicht mehr, trotz regelmäßiger Anschläge durch ISIS-K. Internationale Beobachter sind sich uneins darin, wie genau die Taliban und internationaler Terrrorismus derzeit interagieren – die UN erkennt starke Schnittstellen und warnt vor einem Wiedererstarken von al-Qaeda; die USA dementieren – doch für die Bevölkerung hat sich die Sicherheitslage tatsächlich verbessert.
Gut zu wissen: Eine kleine Tourismusindustrie entsteht derzeit in Afghanistan, welche neben beruflichen Reisenden auf Abenteuertouristen setzt, die wahlweise über Land aus Pakistan oder eingeflogen aus den VAE kommen. Im Mai 2024 führte ISIS-K einen Anschlag auf Touristen durch und ermordete drei Spanier. Der Schlag dürfte auch dafür gedacht gewesen sein, die junge Tourismusbranche zu verwunden.
Die Wirtschaft ist am Boden
Afghanistan stellt wenig von allem her und ist nach 20 Jahren Krieg und einer chaotischen Machtübernahme zerrüttet. Der abrupte Abzug westlicher Hilfsgelder und die Einfrierung afghanischer Zentralbankgelder stieß das Land in eine tiefe “Polykrise”. Der Finanzsektor brach zusammen, die Währung rutschte ab und verteuerte Importe und weite Teile der Bevölkerung litten unter Versorgungsmängeln. Zwischen 2021 und 2023 kollabierte das BIP um 20 bis 30 Prozent und mindestens 23 Millionen Afghanen (knapp die Hälfte der Bevölkerung) sind heute auf spärlich verfügbare humanitäre Hilfe angewiesen. Der freie Fall der Wirtschaft ist zwar gestoppt und sie hat sich stabilisiert, allerdings auf einem prekären Niveau.
Die Taliban machen dabei einige Sachen richtig. Es scheint ihnen gelungen zu sein, die grassierende Korruption einzudämmen, was die Steuerumsätze verbessert und den kaputten Haushalt etwas stabilisiert hat. Das wird an anderer Stelle aber mehr als ausgeglichen durch fragwürdige Entscheidungen: Das heftige Verbot des Schlafmohn-Anbaus könnte 450.000 Jobs vernichtet und viele ländliche Afghanen weiter verarmt haben. Es kam dafür dem Emir und anderen Eliten zugute, deren eigene Produktion dank des eingebrochenen Angebots rasant an Wert gewann.
Der Flügelstreit
Und dann wäre da der Flügelstreit innerhalb der Taliban. Bereits in unserem ersten Explainer “Afghanistans Stunde Null“, ein halbes Jahr nach der Machtübernahme verfasst, beschrieben wir diesen Konflikt in seinen Grundzügen, auch wenn die Gemengelage damals noch unklar war. Der Emir Haibatullah gehört zu der Fraktion, welche wir als extremistisch oder (im Taliban-Kontext) erzkonservativ bezeichnen können. Diese Fraktion will eine extreme Auslegung der Scharia, des islamischen Rechts, durchsetzen. In keinem anderen Land der Welt herrschen derart drakonische Regeln (insbesondere für Frauen) wie in Afghanistan. Ihm gegenüber steht ein Flügel aus Pragmatikern – wie immer im Taliban-Kontext zu verstehen –, welche eine sanftere Scharia-Auslegung verfolgen, “säkularere” Ziele wie die Entwicklung des Landes etwas mehr priorisieren und auch zu einer Annäherung an den Westen bereit sind, mit allen Konzessionen, die das erfordern würde.
Schon früh nach der Machtübernahme spielte sich dieser Konflikt ab. Die Hardliner waren in einer besseren Position, nicht zuletzt dank Haibatullah als Emir, und sicherten sich die Kontrolle. Insbesondere zu Beginn war die Taliban-Herrschaft allerdings dezentral und schwach organisiert; lokale Taliban-Offiziere regierten über ihre Gebiete und setzten unterschiedliche Regeln um. Mancherorts wurden lockerere Regeln für die Bevölkerung eingeführt, anderswo strengere; auch die öffentlichen Ankündigungen waren nicht immer stimmig. Erst nach mehreren Monaten hatte die Taliban-Führung ein Maß an Zentralgewalt erreicht.
Haibatullah besetzte früh wichtige Posten mit Loyalisten und schuf eine ihm unterstellte Privatarmee. Zugleich begann er wichtige Rivalen abzusägen, indem er ihnen Posten und Truppen entzog. Für das Nicht-Taliban-Afghanistan hatte er wenig Verwendung: Lokale Warlords, ethnische Minderheiten (also keine Paschtunen) oder Eliten der prowestlichen Regierung waren in der Taliban-Regierung unerwünscht. Vollständige Kontrolle besitzt der Emir dennoch nicht, dafür ist die Herrschaft in Afghanistan zu lokalisiert: Es gibt anekdotische Berichte, wonach die strengen Regeln des Emirs nicht überall gleichermaßen genau durchgesetzt werden. Viele Taliban-Offizielle scheinen der strengen Linie nicht zuzustimmen. Und einige wenige haben den Einfluss, um das öffentlich geltend zu machen und zu überleben.
Haqqani_
(4,5 Minuten Lesezeit)
Der Engel des Todes…
Einer der größten Gegner des Emirs ist Sirajuddin Haqqani, Innenminister und Kriegsheld. Seine Rolle als Pragmatiker ist insofern unerwartet, als er für die Anti-Taliban-Allianz 20 Jahre lang einer der notorischsten Gegner war. Die New York Times bezeichnet ihn in einem Profil als “Engel des Todes“. Er leitete das nach ihm benannte Haqqani-Netzwerk, welches für ausgefeilte Selbstmordattentate gegen afghanische Zivilisten und amerikanische Soldaten bekannt war. 2011 gelang seiner Truppe, die US-Botschaft in Kabul stundenlang zu belagern. Und sie war es, welche den (womöglich desertierten) US-Soldaten Bowe Bergdahl entführte und von 2009 bis 2014 in Gefangenschaft hielt. Haqqani galt außerdem als gut verbunden zu al-Qaeda. Er ist noch immer auf der Liste der meistgesuchten Terroristen der USA und dürfte dort lange Zeit der wichtigste Eintrag gewesen sein.
Haqqani wuchs in einem Afghanistan auf, welches von der Invasion durch die Sowjetunion 1979 gezeichnet war. Diese sollte eine unbeliebte, radikale kommunistische Regierung im Amt halten. Haqqanis Vater Jalaluddin Haqqani war ein prominenter Mujahedeen, also ein “Gotteskrieger” im Auftrag des Dschihad, welcher gegen die Sowjets kämpfte. Jalaluddin pflegte offenbar enge Kontakte nach Pakistan, Saudi-Arabien und auch in die USA, welche den Kampf gegen die Sowjetunion heimlich unterstützten. Selbst mit Osama bin Laden, dem späteren Gründer von al-Qaeda, pflegte er ein enges Verhältnis. Zugleich zog er seinen Sohn Sirajuddin als Nachfolger auf, um seine Kämpfertruppe zu führen.
Auf die desaströse sowjetische Invasion folgte ein Bürgerkrieg 1992-96, in welchem sich die Taliban unter den zahlreichen Gruppen aus Mujahedeen durchsetzten. Sie regierten rund fünf Jahre, bevor die Invasion durch die USA ihre Herrschaft beendete und sie in den Guerillakrieg zwang. Nach der Invasion versuchten die Haqqanis offenbar mehrfach, mit den USA oder der prowestlichen Regierung in Kabul Kontakt aufzunehmen, um einen Modus für eine Zusammenarbeit zu finden, doch wurden stets abgelehnt. Also wurden sie Teil des gewalttätigen Widerstands. Ob eine Kooperation die Geschichte Afghanistans verändert hätte, ist schwierig zu sagen, doch es hätte den Taliban eines ihrer wichtigsten Netzwerke gekostet und den USA einen ihrer größten Widersacher erspart.
… wird zum Pragmatiker
Nach der Machtübernahme 2021 plädierte Haqqani für einen pragmatischeren Kurs. Das bedeutet eine lockerere Scharia, mehr Freiheiten und ein besseres Verhältnis zum Westen. “In der Zukunft hätten wir gerne gute Beziehungen zu den USA”, erklärte Haqqani gar in einem Interview mit CNN 2022 (ausgerechnet mit einer weiblichen Journalistin). Er und andere Pragmatiker versuchten, offenbar erfolglos, auf den Emir einzuwirken und protestierten teils sogar öffentlich. Besonders aufsehenerregend war, als Haqqani im vergangenen Jahr in einer Rede implizit den Emir kritisierte: Dessen Regierung “monopolisiere Macht” und “schadet der Reputation” der Taliban. Haqqani wies zwar etwas verklausuliert zurück, dass sich die Kritik gegen den Emir selbst richte, doch das Signal war deutlich.
Die Hardliner-Führung intensivierte daraufhin ihr Vorgehen gegen die Pragmatiker. Offenbar mit Erfolg: Der Taliban-Forscher Antonio Giustozzi erklärt, dass “viele jener, welche versucht haben, sich dem Emir entgegenzustellen, glauben jetzt, dass das nicht mehr möglich ist”. Und auch Haqqani betont pflichtbewusst, dass die Macht beim Obersten Führer liegt.
Der Blick ins Ausland
Im Hintergrund scheint Haqqani allerdings weiterhin an einer Machtbasis zu arbeiten. Und wenn inländische Verbündete schwierig zu finden sind, so setzt er eben auf ausländische Verbündete. Haqqani macht deutliche Avancen an das Ausland, darunter auch den Westen, mit welchem er so lange verfeindet war. Die New York Times berichtet, dass er “starke” Verbindungen zur UN und zu europäischen Staaten etabliert habe. Er verspreche die Eindämmung von Terrorismus und biete zumindest eine Chance auf mehr Freiheiten, auch wenn er derzeit keine Kontrolle darüber besitzt. Haqqani verwaltet außerdem die vertieften Beziehungen zu China und Russland. Im Juni 2024 führte er seine erste Auslandsreise durch, nämlich in die VAE. Dort traf er Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan und diskutierte offenbar eine verstärkte Zusammenarbeit.
Ausgerechnet der Spitzenterrorist Haqqani präsentiert sich heute als zuverlässiger Partner für das Ausland, um Investitionen, Hilfsgelder und diplomatische Anerkennung nach Afghanistan zu holen – und, vermutlich, seine Machtbasis auszubauen. Das ist ein riskantes Manöver. Die Hardliner rund um Emir Haibatullah zeigen wenig Interesse an Außenpolitik und umso weniger an einer Annäherung an den Westen; halten letzteres gar für Verrat an islamischen Werten. Sie gehen derzeit noch nicht offen gegen den prominenten und einflussreichen Haqqani vor, doch einige Beobachter spekulieren, dass die immer neuen drakonischen Regeln gegen Frauen auch dazu gedacht seien, Haqqanis Charmeoffensive gen Westen zu torpedieren.
Ein Pakt mit dem Teufel?
Der Umgang mit Persönlichkeiten wie Haqqani ist für den Westen nicht ohne Risiko. Jakob Schindler, früher zuständig für die UN-Monitoringgruppe zum IS, al-Qaeda und den Taliban, nennt es eine “gefährliche Idee” mit den Haqqanis (bezogen auf die gesamte Familie und das gleichnamige Netzwerk) zusammenzuarbeiten. Man wisse nie, auf welcher Seite sie stünden: “deine Seite, ihre eigene Seite oder die Seite des internationalen Terrorismus”. Und doch könnten westliche Staaten, welche auf Afghanistan einwirken wollen, keine andere Wahl als den “Engel des Todes” zu haben.
Viele der Informationen aus diesem Explainer zu Haqqani stammen aus einem Hintergrundartikel der New York Times, welcher wiederum auf einem Interview mit Haqqani selbst basiert. Damit besteht eine strategische Dimension: Ein wichtiger Taliban-Funktionär setzt sich nicht zufällig mit einer westlichen Zeitung zusammen (und übergibt ihr Familienfotos). Vor allem nicht, wenn das von der herrschenden Fraktion in seinem Land kritisch beäugt wird. Haqqani will offenkundig die Reputation als Pragmatiker mit einer langjährigen Geschichte an Kontakten und Kontaktversuchen zum Westen kultivieren. Die Vorteile daraus erachtet er offenbar für größer als die Gefahren, die entstehen können. Es ist wohl nicht zu viel spekuliert, wenn man annimmt, dass Haqqani sich darauf vorbereitet, eines Tages anstelle des Emirs über Afghanistan entscheiden zu können.
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