Die Bundestagswahl 2025: Klima, Energie & Technologie

Der vierte Explainer zu den Wahlprogrammen der Parteien.
13.02.2025


Klima | Energie | Verkehr | Technologiesundheit
(20 Minuten Lesezeit)

Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)

  • In der Klimapolitik findet die whathappened-Redaktion drei Lager: “Marktliberale” sind die Union und die FDP; sie halten weitestgehend an der aktuellen Klimapolitik fest und setzen auf sanfte staatliche Lenkwirkung mit einem Fokus auf Marktakteure sowie viel Technologieoffenheit und wenigen Regularien. Das gilt genauso bei den Themen Energie und Verkehr.
  • Die “Interventionisten” aus SPD, GrünenLinken und Volt möchten die Hebel des Staats stärker nutzen, etwa indem sie Kapital direkt bewegen oder mit Verboten und Einschränkungen agieren.
  • Ein drittes Lager aus “Skeptikern” will die Klimapolitik entweder faktisch komplett zurückdrehen (AfD) oder relativ inkohärent teilweise weiterverfolgen, aber in kritischem Maße aufheben (BSW).
  • In der Technologiepolitik dasselbe Bild: Die Marktliberalen wollen Rahmenbedingungen für Privatakteure schaffen, den Staat aber nicht in entscheidener Rolle direkt einbringen. Die Interventionisten möchten dabei direkter als Staat entscheiden, wohin Kapital und politischer Wille fließen. Ein “Skeptiker”-Lager gibt es hier nicht, auch wenn unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichem Enthusiasmus auf verschiedene Technologien blicken. 

Die Bundestagswahl 2025 nähert sich. Die whathappened-Redaktion verfasst zu diesem Anlass über die nächsten Wochen eine Reihe von Explainern, welche die Positionen der Parteien in verschiedenen Themen darstellen und ein wenig einordnen. Das soll dir helfen, die Parteiprogramme zu verstehen und eine fundiertere Wahl treffen zu können.

  • Wir rechnen damit, insgesamt 7 Wahlprogramm-Explainer zu veröffentlichen.
  • Wir werden in unserer Explainer-Reihe eine hohe Themenbreite abdecken, können jedoch nicht jedes Wahlthema beleuchten.
  • Die Kleinpartei Volt trifft unter der whathappened-Leserschaft auf ein hohes Interesse, wie unsere regelmäßigen Umfragen zeigen. Wir analysieren das Programm der Partei deswegen in aller Kürze ebenfalls.

Bisherige Explainer:
Explainer #1: Steuern und Finanzen
Explainer #2Arbeitsmarkt und Bürokratie 
Explainer #3: Wohnen & Gesundheit

Die Klimapolitik_

(12 Minuten Lesezeit)

Fragt man die Deutschen, ist die Klimapolitik in ihrer Prioritätenliste kräftig abgerutscht. Sie schaffte es im jüngsten ARD-Deutschlandtrend nominell noch auf Platz 4, doch im Wahlkampf taucht sie kaum auf. In der ersten TV-Debatte zwischen Kanzler Scholz und Herausforderer Merz wurde sie praktisch übersprungen. Dabei ist ihre inhaltliche Relevanz völlig unumstritten: Die Effekte des Klimawandels nehmen global und auch lokal zu und Deutschland befindet sich inmitten einer weitreichenden Klima- und Energiewende. Selbst Beobachter, die die aktuelle deutsche und europäische Klimapolitik für völlig fehlgeleitet erachten, haben keinen Weg an ihr vorbei und müssen Antworten finden – und sei es nur zur Rückabwicklung existierender Transformationsprozesse. 

Die Energiepolitik ist dabei ein großer Teil der Klimapolitik, immerhin machen energiebedingte Emissionen rund 85 Prozent der Gesamtemissionen aus. Seit 2021 hat sie jedoch eine erkennbar eigene Dimension angenommen: Sie trieb eine Inflationskrise ab 2023, wurde im Kontext des Ukrainekriegs zur sicherheitspolitischen Frage und führt ideologische Grabenkämpfe wie den Umgang mit der Atomenergie mit sich. Führt Deutschland den Umbau der Energiesysteme zu mehr erneuerbaren Energien fort, muss zudem die Frage nach dem gigantischen Netzaus- und Umbau beantwortet werden. Und letztlich schließt auch die Verkehrspolitik direkt an die Klima- und Energiepolitik mit an.

Union

Die Union hält in der Klimapolitik an der Klimaneutralität bis 2045 fest, schränkt aber ein, dass die “Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft” nicht beeinträchtigt werden dürfe. Sie will mehr Fokus auf die Anpassung an Klimawandelfolgen legen und die internationale Klimapolitik durch “Technologie- und Wissenstransfer” unterstützen (verspricht aber keine direkte Finanzierung). Herzstück ihrer Vorhaben ist eine Ausweitung des Emissionshandels: in der EU auf mehr Wirtschaftssektoren und international durch “Kohlenstoffmärkte”. Ein nicht näher erklärter “Klimabonus” soll sozialen Ausgleich schaffen und ist damit wohl das Pendant zum Klimageld von Grünen und SPD.

Am Ausbau der erneuerbaren Energien hält die Union fest, möchte dafür aber wie die FDP auf marktwirtschaftliche Mechanismen setzen. Den Kohleausstieg bis 2038 unterstützt die Union zwar, will Kraftwerke aber nur abschalten, wenn es genug Gaskraftwerke oder andere Alternativen am Netz gibt. Den Netzausbau will sie mit mehr privatem Kapital voranbringen und durch mehr Freileitungen – anstelle teurer Erdverkabelung – beschleunigen. Den Wiedereinstieg in die Atomkraft will die Union “prüfen” lassen. Carbon Capture and Storage (CCS), also die Einspeicherung von CO2 in unterirdische Speicher, will sie erlauben.

Die Energiepreise für Firmen und Haushalte sollen durch geringere Stromsteuern und Netzentgelte fallen, auch wenn die Union nicht erklärt, wie hoch. Im Verkehr will die Union einerseits die Ladeinfrastruktur für E-Autos ausbauen, andererseits das Verbrennerverbot für 2035 kippen und andere Autoregularien aufweichen. Ein Tempolimit lehnt die Union ab. Zum Deutschlandticket sagt sie nichts, auch wenn Politiker jüngst die langfristige Finanzierung in Frage gestellt haben. Das “Heizungsgesetz” der Ampelregierung möchte die Union in aktueller Form abschaffen.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Union hält grundsätzlich an einer aktiven Klimapolitik fest, will sie aber stärker mit wirtschaftlichen Interessen abwägen. Nicht überraschend setzt sie auf marktwirtschaftliche Mechanismen – etwa private Investitionen und Emissionshandel – anstelle einer staatlich getriebenen und finanzierten Klima-Industriepolitik. Zudem finden sich “Technologieoffenheit” und Regulierungsskepsis.

SPD

Die SPD hält an der Klimaneutralität bis 2045 fest und verspricht einen “fairen” Beitrag in der internationalen Klimafinanzierung. Die SPD möchte als Regierung eine aktivere Rolle in der Klimapolitik einnehmen und Investitionen direkt lenken. Unter anderem sollen Industriefirmen, die auf klimaneutrale Produktion umstellen, staatlich gefördert werden. Die SPD möchte aber gegenüber ihrer letzten Amtszeit einige Aspekte “pragmatischer gestalten“, auch wenn sie das nicht direkt weiter ausführt.

Am Emissionshandel hält sie fest und will mit einem Klimageld für sozialen Ausgleich von den steigenden CO₂-Preisen sorgen. Auch beim Netzausbau setzt sie auf den Faktor Teilhabe mit Ideen wie Bürgerwindparks, bei welchen neue Kraftwerke direkt mit lokalen Institutionen in Verbindung gebracht würden. Sie verspricht zwar keine fallenden, dafür aber stabile Stromsteuern und Netzentgelte. Die SPD hält am Aus der Atomkraft fest und deutet an, nicht an CCS interessiert zu sein, bleibt aber sehr vage. Auch über den Umgang mit der Gasenergie schreibt die SPD auffällig wenig. Und das Wort “Kohle” taucht im Programm gar nicht auf, was wohl die Unterstützung des beschlossenen Ausstiegs bis 2038 bedeutet.

Autobauer sollen Erleichterungen bei den CO2-Flottengrenzwerten der EU erhalten, doch am Verbrennerverbot rüttelt die Partei anscheinend nicht – sie erwähnt es einfach gar nicht. Autofahrer müssten sich auf ein Tempolimit von 130km/h einstellen. Am Deutschlandticket hält die SPD fest. Am von ihr verabschiedeten “Heizungsgesetz” ebenso.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die SPD sieht den Staat in der Hauptverantwortung in der Klima- und Energiepolitik. Vieles bei ihr ist ein “Weiter so” zu den vergangenen Jahren, in welchen sie immerhin das Zentrum der Regierung bildete. Dazu kommen bisher nicht umgesetzte Versprechen wie das Klimageld und linke “Evergreen”-Forderungen wie ein Tempolimit und eine auffällige Anzahl fehlender Positionierungen zu Themen wie CCS, Gas, Verbrennerverbot oder Kohleausstieg. Das deutet an, dass die Klimapolitik für die SPD zwischen ihren modern-progressiven und klassisch-“arbeiterischen” Polen kein ganz einfaches Thema ist.

Grünen

Für die Grünen ist die Klimapolitik das Flaggschiffthema, auch wenn sie es im Wahlkampf dieses Mal nicht voranstellen. Praktisch jedes Thema mit dem Aspekt Klima verbunden und ihm nicht selten untergeordnet. An der Klimaneutralität bis 2045 hält die Partei fest und wie die SPD verspricht sie einen “fairen” Beitrag in der globalen Klimafinanzierung.

Stärker noch als die Union und, allermindestens nominell die SPD, wollen die Grünen marktwirtschaftliche Elemente wie das Emissionshandelssystem mit direkten Verboten, Regularien und Subventionen verbinden – ein “Instrumentenmix”. Wie die SPD und implizit die Union wollen auch die Grünen ein Klimageld, aber sozial gestaffelt, um niedrige und mittlere Einkommen mehr zu entlasten. Die Partei macht außerdem eine Reihe konkreter Vorschläge für Klimaanpassungen, inklusive sogenannter “Schwammstädte“. 

Bereits bis 2035 soll der deutsche Strom komplett klimaneutral hergestellt werden, indem die Grünen in NetzausbauSpeichertechnologie und Biogaskraftwerke investieren. Entsprechend soll der Kohleausstieg schon 2030 statt 2038 vollzogen sein. Neue Gasprojekte wollen die Grünen nicht mehr genehmigen und auch keine Langfristverträge für den Gasimport zulassen. Bis spätestens 2045 soll Deutschland gar kein Erdgas mehr nutzen. Wärmenetze und Wärmepumpen sollen den Gebäudesektor dekarbonisieren. CCS möchten die Grünen in jenen Sektoren erlauben, wo anderweitig eine vollständige Klimaneutralität nicht zu erreichen wäre. Am Atomausstieg hält die Partei fest.

Die Grünen halten am Verbrennerverbot bis 2035 fest und grundsätzlich auch an den EU-Flottengrenzwerten, wollen mögliche Strafzahlungen für deutsche Autohersteller aber zeitlich strecken – das ist weniger tolerant als seitens Union oder SPD. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130km/h herrschen. Förderprogramme für E-Autos und Ladeinfrastruktur sollen die Mobilitätswende vorantreiben. Das Deutschlandticket soll bleiben.

Gedanken der whathappened-Redaktion:  Die Klimapolitik ist in das Programm der Grünen trotz Wahlkampfabstinenz zutiefst verwoben; es wäre gar nicht möglich, jede klimapolitische Forderung oder Maßnahme zu benennen. Im Kern geht es der Partei wenig überraschend um ein sehr ambitioniertes Klimaprogramm, bei welchem sie marktwirtschaftliche Elemente wie den Emissionshandel mit direkter Ordnungspolitik verbindet. Der Staat nimmt damit in der grünen Klimapolitik wie schon bei der SPD eine hochaktive Rolle ein, lenkend und auch zahlend. Die Vorschläge der Grünen sind dabei mal ambitioniert-riskant, etwa was Einschränkungen bei Gasprojekten angeht, und mal auffällig pragmatisch, etwa, wenn sie CCS zulässt.

FDP 

Die Pläne der FDP ähneln im Kern jenen der Union. Sie will die Klimapolitik mit ihren Kosten für Staat und Privatwirtschaft balancieren. Anders als die Union, geschweige denn die linken Parteien, möchte die FDP jedoch das Klimaneutralitätsziel von 2045 auf 2050 verschieben. Um dort hin zu kommen, setzt sie vor allem auf das Emissionshandelssystem (ETS) mit dessen marktwirtschaftlicher Lenkwirkung. “Weitere Regulierungen” möchte die FDP abschaffen. Dafür soll das ETS möglichst global aufgesetzt werden. Über die internationale Klimapolitik spricht die FDP nicht direkt, doch will es europäischen Ländern erlauben, auf ihre eigenen Klimaziele auch in anderen Staaten finanzierte Projekte aufrechnen zu dürfen.

Anstelle eines Klimagelds (SPDGrünen) oder eines Klimabonus (Union) verspricht die FDP eine “Klimadividende“, welche ETS-Einnahmen teilweise an Bürger zurückgibt – pauschal, also ohne Umverteilungswirkung. Die Netzentgelte will die Partei verringern, indem sie sie “flexibilisiert” und das Stromnetz digitalisiert. Neue Leitungen sollen meist überirdisch entstehen und somit günstiger sein; die “regulatorischen Hürden” sinken. Gaskraftwerke sieht die FDP als wichtige Übergangslösung und will Anreize für ihren Bau kreieren sowie das Fracking-Verfahren genehmigen. Der Kohleausstieg soll wie derzeit gesetzlich festgelegt bis 2038 vollzogen werden.

Die FDP betont den Wunsch nach Technologieoffenheit. Das bedeutet für sie unter anderem eine Aufhebung des Verbrennerverbots ab 2035 und die Ermöglichung von CCS (sowie Spielarten wie CCU, was lediglich die Wiederverwendung anstelle von Speicherung des CCO₂beschreibt) – in letzterem sieht sie sogar das Potenzial, ein Negativemissionsziel für die EU aufzustellen. Der Atomkraft steht die FDP offen gegenüber und will moderne Kraftwerke “rechtssicher” bauen lassen, was schwierig wäre, da sie dafür erneute Verbote durch künftige Regierungen verhindern müsste. Subventionen oder staatliche Projekte plant sie aber nicht.

Ein Tempolimit lehnt die FDP ab und sie möchte auch keine Subventionen für Elektroautos, aber die Ladeinfrastruktur ausbauen. Die Bahn will die FDPprivatisieren und nur das Schienennetz in Staatshand behalten. Am Deutschlandticket, welches sie mit eingeführt hatte, hält sie fest. Das “Heizungsgesetz“, welches sie eigentlich mitgetragen hatte, möchte sie dagegen abschaffen, wie auch die Union

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Programm der FDP ähnelt wie in fast jedem Thema dem der Union, setzt aber eigene Akzente in Richtung Staatsabbau und Technologieoffenheit. Die Klimapolitik sieht die FDP als bestes durch Marktmechanismen und einen nur vorsichtig lenkenden Staat – es brauche wenig mehr als das Emissionshandelssystem -bedient. Darüber hinaus lautet die Devise möglichst wenige Subventionen und Regulationen, ausdrücklich auch was die Einschränkung von Technologien betrifft.

AfD 

Die AfD weicht in der Klimapolitik spürbar von den anderen Parteien (mit einer Ausnahme) ab. Die Partei erkennt die Menschheit nicht “geklärt” als Ursache des Klimawandels, hinter welchem sie ohnehin “unwissenschaftliche Klimahysterie” verortet. Entsprechend lehnt die AfD praktisch sämtliche Klimapolitik jenseits lokalisierter Umweltpolitik ab. Sie will jegliche Klimaneutralitätsziele aufgeben und aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Im Gegenteil erkennt die AfD positive Effekte des Klimawandels, etwa, da mehr CO₂ zu mehr Pflanzenwachstum führe.

Energiepolitisch würde die AfD den derzeitigen Transformationsprozess vollständig stoppen: Sie lehnt den Ausbau von Wind- und Solarkraft, welche sie beide mit einer Reihe gesundheitlicher, landwirtschaftlicher oder Umweltprobleme in Verbindung bringt, ausdrücklich ab. Stattdessen soll die Nutzung von Braun- und Steinkohle wieder hochgefahren und permanent auf Gas gesetzt werden. Die Atomkraft möchte die AfD zurückbringen, wobei sie nicht erklärt, ob sie dafür auch staatliches Geld mobilisieren und damit weiter als FDP und Union gehen würde. Die Nord-Stream-Pipelines sollen wieder instandgesetzt und genutzt werden, was die außenpolitische Nähe der Partei zu Russland symbolisiert.

Die AfD hält am Auto als wichtigstem Verkehrsmittel in Deutschland fest. Es müsse vor weiteren Abgaben und Regularien geschützt werden. Entsprechend lehnt die AfD Tempolimits und das Verbrennerverbot ab. Elektroautos oder ihre Ladeinfrastruktur sollen staatlich nicht gefördert werden. Zugleich möchte die AfD  – wie jede andere Partei auch – den ÖPNV und die Schiene stärken.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die AfD nimmt eine erwartet maximalistische Position in der Klimapolitik ein, welche den aktuellen Transformationsprozess komplett und radikal umdrehen würde. Wo die Partei sonst eher wirtschaftsliberale Positionen vertritt, würde sie in der Klimapolitik durchaus ordnungspolitisch und regulierend eingreifen, nur eben gegen erneuerbare Energien und Co. (zugleich würde sie anderswo durchaus liberalisieren, etwa was fossile Energien betrifft). Der Mix aus radikalem Umschwenken und eher ideologisch motiviertem Regulierungswandel könnte netto-negative wirtschaftliche Folgen und weniger Planungssicherheit für Firmen und Haushalte bedeuten, obwohl das Gegenteil das erklärte Ziel ist.

Grundsätzliche Perspektiven der AfD zum Klimawandel kollidieren zudem mit starken Mehrheitsmeinungen unter Forschern und reichen ins verschwörungstheoretische, etwa wenn vom “Great Reset” die Rede ist, welcher “unsere Freiheit in erschreckendem Ausmaß” bedrohe (der “Great Reset” wurde 2020 vom Weltwirtschaftsforum als Wirtschaftsgestaltungsinitiative im Zuge der Covid-Pandemie verkündet und ist seitdem zu einer populären, diffusen Chiffre in verschwörungstheoretischen Kreisen geworden).

Linke

Steht die AfD für eine radikale Abkehr vom Transformationsprozess, so steht die Linke für eine radikale Beschleunigung. Sie möchte die Klimaneutralität um 5 Jahre auf 2040 vorziehen. Der Kohleausstieg soll bis 2030 vollzogen werden und auf diesen ein Erdgas-Ausstieg folgen; für die Stromerzeugung schon bis 2035. Schon jetzt dürfe keine “dauerhafte Infrastruktur” für Erdgas geschaffen werden und importiertes Flüssigerdgas (LNG) dürfe nicht mehr aus Fracking stammen, was die USA in großen Teilen disqualifizieren würde – von wo Deutschland 86 Prozent seines LNG bezieht. Die Versorgungsnetze will die Linke komplett verstaatlichen

Die Linke kritisiert eine “neoliberale” Klimapolitik der Ampel und erklärt zwar nicht, was sie damit meint, doch fordert wie SPD und Grüne ein Klimageld für den sozialen Ausgleich. Andeutungsweise stört sich die Partei am Emissionshandelssystem mitsamt steigender CO₂-Preise, welches sie als zugleich ineffektiv und unsozial kritisiert. Stattdessen präferiert sie “verbindliche Ziele und Emissionsgrenzen” gegen Konzerne und Branchen. Die Erneuerbaren will die Linke rasch ausbauen und möchte – überraschenderweise wie die FDP – die Nachfrage am Strommarkt flexibilisieren, um so den Netzausbau etwas stemmbarer zu machen. Die Stromsteuer will sie senken. Am Atomausstieg hält die Linke fest; CCS lehnt sie als zu riskant ab.

Die Linke möchte das Heizungsgesetz der Ampel “sozial ausgewogener” gestalten, indem der Staat stärker finanziert. Die Partei fordert ein Tempolimit von 120km/h und damit das strengste aller Programme. Anstelle des derzeitigen Deutschlandtickets fordert die Linke die Rückkehr des Neun-Euro-Tickets. Darüber hinaus fordert die Partei eine Reihe sehr spezifischer Wohltaten: Ein Null-Euro-Ticket für Studenten und andere Bevölkerungsgruppen; sechs Fernverkehr-Freifahrten pro Jahr für jeden; und perspektivisch einen kostenfreien ÖPNVInlandsflüge und Privatjets werden dagegen verboten; Vielflieger werden mit einer Sondersteuer belegt.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Wie immer liefern die Linken ein radikales Programm, welches nebeneinander viele konkrete Wohltaten und hochriskante Strukturreformen bedeutet. Ein faktischer Wegbruch der allermeisten LNG-Importe, ein rascher Kohleausstieg und eine feindselige Linie gegenüber der Gasenergie könnten Gefahren für die Energiesicherheit darstellen. Daneben findet sich die Partei manchmal ungewollt in populistischen Spagaten wieder: Zum einen kritisiert sie, dass die “neoliberale” Klimapolitik der Ampel das Autofahren verteuert habe; zum anderen plant sie neue Regularien gegen Autofahrer sowie Restriktionen für die Branche. Solche kommunikativ-inhaltlichen Konflikte sind keine Seltenheit bei den Linken.

BSW

Das BSW erkennt den Klimawandel als “ernste Herausforderung” an, doch präsentiert eine Vielzahl an Maßnahmen, welche weite Teile der deutschen Klimapolitik stoppen oder zurückdrehen würden – allerdings längst nicht so eindeutig wie bei der AfD. So soll das Ziel der Klimaneutralität vollständig fallen, da es “Wunschdenken” sei. Fossile Energieträger will das BSW weiter nutzen, aber parallel die erneuerbaren Energien ausbauen. Neue Atomkraftwerke möchte die Partei dagegen nicht.

Die teure Energie in Deutschland erkennt das BSW als Problem, welches es durch eine Verstaatlichung der Netze lösen möchte. Anstelle des teuren Netzausbaus will das BSW einfach regionale Gaskraftwerke errichten. In einem Schwenk zur Außenpolitik will das BSW genau wie die AfD die Nord-Stream-Pipelines zu Russland wieder in Betrieb nehmen.

Den CO₂-Preis in Deutschland im Rahmen des Emissionshandelssystems will das BSWabschaffen. Der Emissionshandel funktioniere nur, wenn er auf globaler Ebene stattfinde, so das BSW , da er ansonsten Wettbewerbsnachteile für Europa schaffe.

Das BSW betont die wichtige Rolle des Autos im Verkehr und fordert Technologieoffenheit sowie Bezahlbarkeit. Entsprechend würde es das Verbrennerverbot kippen. “Volksleasing” soll jedoch den Kauf von E-Autos und emissionsarmer Verbrenner fördern. Das Deutschlandticket soll erhalten bleiben; das Heizungsgesetz der Ampel dagegen nicht.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das BSW erkennt zwar anders als die AfD den Klimawandel und dessen Relevanz an, formuliert aber stellenweise ähnliche Forderungen. Die Partei möchte interessanterweise die lokale Klimapolitik an vielen Stellen stoppen oder zurückdrehen, plädiert aber für eine globale Klimapolitik – das erklärt sich wohl teilweise dadurch, dass sie den sozialen Aspekt, der sich mit teuren Transformationseffekten beißt, ins Zentrum stellt. Geht es nur um das Thema Klima, könnte das BSW damit für viele Beobachter “stuck in the middle” sein: Es ist nicht so vollständig “klimaskeptisch” wie AfD und geht bei einigen klimapolitischen Forderungen der linken Parteien mit, doch würde die aktuelle Klimapolitik an kritischen Stellen zurückdrehen.

Volt

Wie die linken Parteien (mit Ausnahme des BSW) möchte Volt eine aktive Klimapolitik betreiben. Sämtliche politischen Entscheidungen und Verwaltungsprozesse müssten konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Die Partei will den Klimaschutz “verpflichtend auf allen politischen Ebenen verankern“.

Außerdem brauche es eine “grundlegende Transformation” der Wirtschaft. Am gewichtigsten ist wohl die Forderung, den Einsatz fossiler Energien – also auch Erdgas – in der Industrie bis 2035 zu befristen. Das entspräche am ehesten den Forderungen der Linken. Dort, wo es “unvermeidbar” ist, will VoltCCS einsetzen.

Darüber hinaus bietet Volt eine Reihe von “klimaschädlichen Subventionen“, die es abschaffen will, etwa die Steuerbefreiung für Kerosin, sowie eine Reihe von Monitoring- und Transparenzvorschlägen zur Messung des Klimapolitik-Fortschritts. Zum Verbrennerverbot sagt die Partei nichts, will aber wie die Linke ein Tempolimit von 120km/h auf Autobahnen einführen. Volt hält am Deutschlandticket fest.

Volt will aus dem Bundeshaushalt einen “Klimaanpassungsfonds” finanzieren, welcher 30 Jahre lang Planungssicherheit für große grüne Infrastrukturprojekte bieten soll. Auch die Senkung der Netzentgelte soll aus dem Bundeshaushalt stattfinden und die Energiesteuer soll wegfallen.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Volt folgt den linken Parteien und ordnet sich in der Intensität seiner Vorhaben zwischen den (sanfteren) Grünen und den (radikaleren) Linken ein. Auffällig ist, wie oft die Partei auch große Finanzierungsaufgaben einfach in den Bundeshaushalt verlagert – das Finanzierungskonzept von Volt dürfte damit genau wie bei der Linken alle Hände voll zu tun haben.

Fazit

Wer die whathappened-Wahlexplainer verfolgt, hat bisher bei den meisten Themen zwei Lager entdeckt. In der Klimapolitik existieren drei: Ein Lager aus Union und FDP möchte die Klimapolitik weiter betreiben, aber vor allem mittels der sanften Lenkung marktwirtschaftlicher Mechanismen via CO₂-Bepreisung. Im Zentrum stehen Technologieoffenheit und möglichst wenige Regularien.

Ein zweites Lager aus SPDGrünenVolt und Linken möchte die Klimapolitik noch aktiver gestalten, gegebenenfalls Zielmarken vorziehen und den Staat selbst stärker agieren lassen. Gerade bei Volt und den Linken würde der Staat durchaus mit der Brechstange agieren. In diesem Lager herrscht mehr Skepsis gegenüber bestimmten Technologien, mehr Regulierungs- und Verbotsbereitschaft und mehr Fokus auf soziale Aspekte.

Das dritte Lager besteht aus AfD und BSW: Erstere lehnt Klimapolitik vollständig und zutiefst ideologisch ab; würde praktisch sämtliche Transformationsprozesse stoppen und zurückdrehen; Regularien und Verbote würde es auch geben, nur ironischerweise gegen die Klimapolitik gerichtet. Zweiteres hat keine völlig kohärente Linie, doch würde ebenfalls viele zentrale Klimamaßnahmen kippen.

Technologie und Innovation_

(9 Minuten Lesezeit)

Union

Das Technologieprogramm der Union zielt auf die Stärkung Deutschlands als Technologiestandort. Es richtet sich dabei vor allem auf strategische Maßnahmen im großen Rahmen. Sie will Forschung und Innovation fördern und nennt dabei ein gemeinsames Investitionsziel von Staat und Märkten von 3,5 Prozent des BIP bis 2030 – das wäre dann eine stolze Summe von rund 190 Milliarden Euro. Damit soll “Made in Germany” wieder an die Weltspitze gebracht werden. Hierfür will die Union auch eine bislang uneindeutige “Hightech-Agenda” vorlegen. Schon jetzt bekennt sie sich zu einer besonderen Förderung der Nukleartechnologie, darunter moderne Reaktoren der vierten und fünften Generation, SMRs und Fusionskraftwerke. Auch KI wird erwähnt, allerdings gibt es dazu keine konkreten Vorschläge. In der Raumfahrt verspricht die Union eine “ambitionierte Raumfahrtstrategie”.

Neben diesen hohen Investitionen soll der Staat vor allem durch Steuererleichterungen, die Einrichtung eines Digitalministeriums, und die Liberalisierung des Forschungsdaten- und Wissenschaftsfreiheitsgesetzes eingreifen. Dadurch sollen Forschungsergebnisse gewinnbringender geteilt und der Datenschutz zum Wohl der Datenökonomie aufgeweicht werden. Durch eine “Gründerschutzzone” sollen zudem Startups in deren Anfangsphase von bürokratischen Vorschriften befreit werden. 

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Unionsprogramm zeichnet in groben Zügen und ist dabei sehr ambitioniert. Wie genau die Forschungsoffensive des Staates vorangehen soll, und vor allem wie sie finanziert wird, bleibt fraglich. Konkret bietet die Union nur Erleichterungen für Unternehmen an; ihre Technologiepolitik wirkt wie ein Nachgedanke zu ihrem Wirtschaftsprogramm.

SPD

Die SPD strebt mit ihrem Programm nach ähnlichen Zielen wie die Union:Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit – ihre Vorschläge zur Umsetzung dieser Strategie sind aber weitaus konkreter. Auch in der Technologie spielt der Deutschlandfonds eine zentrale Rolle, der große Infrastrukturprojekte und später eben auch Technologieprojekte finanzieren soll.

Durch gesteuerte Investments will die SPD Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit verbinden, zum Beispiel durch Investitionen in Schlüsselindustrien und Erfolgsbranchen. Darunter hebt die SPD erneuerbare Energien, KI, für die die SPD eine ganze Strategie entwickeln will, und, wohl am prominentesten, die Elektromobilität hervor. Diese will die Partei zur neuen Schlüsselindustrie Deutschlands machen. Dafür hat sie konkrete Pläne, zum Beispiel den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Senkung der Strompreise, und verschiedene Anschaffungsprämien sowie Steuererleichterungen für (deutsche) E-Autos. 

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das SPD-Programm zur Technologie ist klassische, aber moderne Sozialdemokratie – es enthält konkrete Vorschläge und eine vielversprechende Vision zur Automobilbranche, die immer noch Deutschlands Kernindustrie ist. Wieder einmal hängt viel am ambitionierten Deutschlandfonds, mit welchem die Partei 100 Milliarden EUR an staatlichen und privaten Geldern mobilisieren möchte. Damit erkennt die SPD für die Regierung offenkundig einen Anspruch, die Richtung der Technologieentwicklung in Deutschland zu beeinflussen.

Grünen

Das Programm der Grünen liest sich oberflächlich überraschend stark wie jenes der Union – auch sie wollen den Technologiestandort Deutschland stärken, ein Gesetz zur besseren Verfügbarkeit von Forschungsdaten verabschieden und sehr viel Geld von Staat und Unternehmen in die Entwicklung neuer Technologien stecken – sogar “deutlich mehr als 3,5 Prozent” des BIP. Konkrete Technologien wollen sie etwa bei klimaneutralen Produktionsmethoden und Energiegewinnung, sowie bei KI und der Digitalisierung unterstützen.

Ebenso wie die SPD aber wollen auch die Grünen einen Deutschlandfonds, der unter anderem Technologieentwicklung unterstützen soll und damit dem Staat ein Mitspracherecht gäbe. Besonders die Digitalisierung hat es den Grünen angetan, diese wollen sie flächendeckend unterstützen und ganz unter das Zeichen des Dienstes am Bürger stellen – den digitalen Staat nennen sie “serviceorientierte Verwaltung”.

Wie andere digitalisierungsfreundliche Parteien setzen sie auf einen Ausbau der Breitbandinfrastruktur, ein Digitalministerium und die Förderung von KI-Technologien. Dabei konzentrieren sie sich aber auch auf stärkeren Datenschutz und sogenannte “digitale Bürgerrechte”, die das Konzept liberaler Freiheiten, den Schutz von Daten und vor Überwachung, auf den digitalen Raum ausweiten sollen. Die Grünen wollen ganz uncharakteristisch sogar die Fusionsenergie fördern, sehen in ihr aber in naher Zukunft noch keine praktisch anwendbare Lösung.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Technologieprogramm der Grünen könnte beinahe konservativ anmuten: Die Partei formuliert ähnlich grob gezeichnete, strategische Ziele wie die Union, ihre konkreten Vorschläge zielen aber vor allem auf den Schutz von Daten und Bürgerrechten im Internet ab. Wie schon bei der SPD ist der Vorschlag zum Deutschlandfonds ambitioniert und würde einer Grünen-Regierung die Befähigung bieten, die Technologieentwicklung in der Bundesrepublik aktiv mitzubestimmen.

FDP 

Auch in der Technologieförderung setzt die FDP stilsicher auf marktwirtschaftliche Lösungen. Innovation will sie vor allem durch den Abbau von Unternehmenssteuern und Bürokratie anstoßen. Auch für die Forschung wünscht sie sich eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die so auch selbst Investitionen in die Forschung aufbringen soll. Auch die Liberalen setzten auf eine Digitalisierung mit eigenem Ministerium, das bei der Entschlackung der Verwaltung helfen soll, sowie auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Und auch sie wollen den Zugang zu Forschungsdaten über ein neues Gesetz verbessern.

Die Wissenschaft will die FDP entlang des gesamten Prozesses fördern, von der Grundlagenforschung bis hin zum Transfer in die Privatwirtschaft. Sie hebt Public Private Partnerships (also staatlich-private Kooperationen) und die steuerliche Forschungsförderung als konkrete Maßnahmen hervor. Sie bietet außerdem einige genaue Felder, in welchen sie sich Innovationen und seitens des Staates Innovationsförderung wünscht: Künstliche IntelligenzKernfusionGentechnologieStammzellenforschungQuantenphysik und neurodegenerative Krankheiten. Bei KI wird die FDP insofern konkreter, als sie den europäischen AI Act “innovationsfreundlicher” ausgestalten will. Im Verteidigungsbereich soll ein europäisches Äquivalent zur amerikanischen Behörde DARPA für militärtechnologische Innovationen sorgen.

Mit negativen Freiheiten, also wenigen Verboten und Einschränkungen, will die FDP Deutschland zum attraktiven Technologiestandort machen. Sei es im Klimaschutz, bei der Energiewende, in der Verkehrspolitik oder praktisch jedem beliebigen Feld: Die FDP setzt auf private Akteure und Technologieoffenheit – siehe das Kapitel zur Klimapolitik.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Mit negativen Freiheiten, also wenigen Verboten und Einschränkungen, will die FDP Deutschland zum attraktiven Technologiestandort machen. Sei es im Klimaschutz, bei der Energiewende, in der Verkehrspolitik oder praktisch jedem beliebigen Feld: Die FDP setzt auf private Akteure und Technologieoffenheit – siehe das Kapitel zur Klimapolitik. Wer dem Staat nicht zutraut, “Sieger” zu wählen, wäre mit der FDP damit gut bedient; wer daran zweifelt, dass Marktakteure genug Ressourcen dorthin lenken, wo die drängendsten Probleme der Gesellschaft liegen, wird enttäuscht.

Linke

Für die Linke spielen Technologie- und Innovationspolitik eine untergeordnete Rolle hinter Gerechtigkeit, Umverteilung und Frieden. Sie beschäftigt sich zwar mit der Rolle von Technologie in der Gesellschaft, will diese aber vor allem aktiv benutzen, um ihre höheren Ziele zu erreichen. Sie betont zum Beispiel, dass Digitalisierung nicht Konzernen, sondern dem Gemeinwohl dienen müsse und will die Digitalwirtschaft regulieren, um die “Macht von Großkonzernen” zu begrenzen. Im selben Zuge will sie den Datenschutz stärken, wenn nötig auf Kosten der Datenwirtschaft, gleichzeitig aber auch die digitale Infrastruktur ausbauen.

Explizit fördern will die Linke Open Source und Open Data-Initiativen, um Innovationen zu fördern und die Abhängigkeit von Tech-Konzernen zu verringern. Außerdem plant die Linke eine “sozialökologische” Umstrukturierung der Industrie, besonders der Autoindustrie, die sowohl auf Klimaneutralität als auch auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen abzielt. Sie will unter anderem proaktiv in erneuerbare Energien, Elektromobilität und “nachhaltige Technologien” investieren.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Vorschläge der Linken sind ideologisch geprägt, dabei aber überraschend pragmatisch. Als Teil ihres massiven Investitionsprogramms in einen Umbau der Infrastruktur und Wirtschaft wählen sie Elektromobilität und erneuerbare Energien als Fokus. Vor allem gegenüber digitalen Technologien sind die Linken jedoch traditionell skeptisch eingestellt und erkennen in ihnen oftmals Gehilfen von “Großkonzernen” die gegen das Gemeinwohl agierten. Dort wo sie Lösungsvorschläge bieten, bleiben sie vage. Die Linken existieren damit in der Technologiepolitik nur eingeschränkt.

AfD 

Die AfD lehnt in ihrem Programm die staatliche Förderung von Technologien zunächst vollständig ab, denn der Markt selektiere überzeugende Technologien und der Staat versage darin, relativiert das aber sofort wieder. Technologien, die der strategischen Unabhängigkeit dienten, müssten wohl subventioniert werden – worum es sich dabei handelt, erklärt die Partei nicht. Sie spricht jedoch an anderer Stelle davon, die Nukleartechnologie gezielt fördern zu wollen, durch den Bau neuer Kernkraftwerkeund -forschungszentren. Ähnliches gilt für die private Raumfahrt, die die AfD als Schlüsseltechnologie sieht. Wie sie Deutschland zur Raumfahrernation machen will, sagt sie nicht.

Die AfD will gesetzliche Richtlinien zu bestimmten Technologien abschaffen, darunter Gentechnologie und Elektromobilität. Der Digitalisierung steht die Partei kritisch gegenüber, will aber eine national souveräne, unabhängige digitale Infrastruktur. Auch auf die KI blickt die AfD ambivalent, sie sei zwar vielversprechend, könne aber auch zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die AfD vertritt bei der Technologiepolitik wie in anderen Teilen ihres Programms eine eher wirtschaftsliberale Linie a la Union und FDP mit wenigen Einschränkungen, aber auch wenig direkter staatlicher Rolle – außer an den Stellen, an denen sie plötzlich das direkte Gegenteil erklärt. Gepaart mit einer auffälligen Skepsis gegenüber Digitaltechnologien, hinter welchen sie scheinbar manchmal Kontrollwerkzeuge gegen den Bürger verdächtigt, bleibt das Technologieprogramm der AfD damit nicht vollends kohärent.

BSW

Das BSW gibt sich in seinem Programm zwar vornehmlich positiv über Technologie, beweist aber auch eine gehörige Skepsis. Es kritisiert die Macht von Großunternehmen, vor allem von “Digitalmonopolisten” wie Amazon, Alphabet, Facebook [sic], Microsoft und Apple, und macht sie mit für die jüngste Inflationskrise verantwortlich. Auch technologischen Möglichkeiten zur Überwachung steht das BSW feindselig gegenüber. Dementsprechend will das BSWdie Marktmacht von Technologieunternehmen begrenzen und deren Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen. Explizit will es Open-Source-Software und -KI-Modelle fördern und Wissenschaft, Bildung, Kultur und Verwaltung auf Open-Source-Software umstellen, um „die Abhängigkeit von US-Monopolisten“ zu beenden.

Gleichzeitig will das BSW Deutschland als Technologiestandort stärken, mit massiven Investitionen in das Bildungssystem und die öffentliche Infrastruktur. Es will einen Zukunftsfonds für die Förderung innovativer Unternehmen und Startups – dies aber explizit im Gegensatz zu “Milliardensubventionen für Konzerne aus Übersee” – damit es wieder mehr Zukunftstechnologien „made in Germany“ gebe. Diese seien auch der wichtigste Beitrag Deutschlands zur Bekämpfung des Klimawandels, der durch Schlüsseltechnologien bekämpft werden soll.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Im Programm des BSW fungiert die Technologiepolitik vor allem als Träger für Ecksteine dessen Ideologie: Sie sei ein Schild gegen Großunternehmen, gegen “schädliche” Technologien und gegen infamen amerikanischen Einfluss. Stattdessen solle Technologie die explizit heimische Wirtschaft stärken und sie unabhängiger gestalten. Dafür liefert das BSW aber außer der allgemeinen Idee eines Zukunftsfonds wenig konkrete Vorschläge.

Volt

Als selbsternannte Innovationspartei hat Volt umfangreiche Pläne zu Technologie und Fortschritt. Die Partei will eine aktiv zukunftsorientierte Gesellschaft und Wirtschaft. Zentral steht dabei wieder die europäische Zusammenarbeit in der Entwicklung und Regulierung neuer Technologien, die grenzübergreifende Lösungen ermöglichen sollen. Volt will den Staat gezielt in Schlüsseltechnologien investieren lassen, darunter explizit KI, Quantencomputing, erneuerbare Energien und Biotechnologie. Besonders zu KI hat Volt ein konkretes Programm, auch hinsichtlich ihrer Regulierung. Außerdem will die Partei in Deutschland regionale Innovationszentren aufbauen, die Startups und Gründer unterstützen sollen.

Volt will die digitale Infrastruktur verbessern, bis 2030 flächendeckend Glasfaser- und 5G-Netze aufbauen und mittels staatlich geförderter Homeoffice-Stellen Fachkräfte in strukturschwachen Regionen halten können. Mehr Fachkräfte sollen wiederum durch einen stärkeren MINT-Fokus in der Ausbildung, sowie lebenslange Weiterbildungsprogramme produziert werden. Auf Staatsseite fordert Volt ein Digitalministerium, das eine universelle Digitalisierung vorantreiben soll, inklusive einer vollständig digitalisierten Verwaltung.

Fazit

Alle Parteien bekennen sich dazu, den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland stärken zu wollen. Alles andere wäre zugegebenermaßen unerwartet. Wieder lassen sich die Parteien grob in zwei Lager einteilen. Die Interventionisten von SPDLinkenVolt und weniger enthusiastisch den Grünen, die direkte staatliche Investments in bestimmte Technologien versprechen; und die Marktliberalen der UnionFDP und AfD, die technologische Innovation in großen Teilen dem Markt überlassen wollen und dafür allein Rahmenbedingungen schaffen wollen, vor allem durch Deregulierung und Steuersenkungen. Das BSW liefert Vorschläge, die nicht konkret genug sind, um sie einzuordnen. Den Schlüsseltechnologien wie KI und Elektromobilität stehen die Parteien teils sehr verschieden gegenüber, unter den Marktliberalen würde der Staat allerdings nur sehr bedingt Einfluss darauf nehmen, welche Technologien sich durchsetzen.

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