Die Zukunft der Atomenergie: Die Endlagerung

Die Zukunft der Atomenergie: Die Endlagerung

Am Ende der Atomenergie steht ein Grab für den Atommüll. Wie weit sind wir damit?

Atomsprache | Die Lagerung | Lösung?
(11 Minuten Lesezeit)

Blitzzusammenfassung_ (in 30 Sekunden)

  • Atommüll ist eines der prägnantesten Themen rund um Atomstrom. Was damit tun?
  • Die derzeit sinnvollste Antwort: Ihn nach Jahrzehnten an Zwischenlagerung für die nächsten Jahrtausende tief im Erdboden einlagern. Geologisch scheint das trotz vieler zu prüfender Risikofaktoren gut zu funktionieren.
  • Das größte Problem ist gesellschaftlicher Natur: Kaum jemand hat Lust, Nachbar eines Endlagers zu werden.
  • Ein erstes Endlager für hochradioaktiven Abfall entsteht in Finnland und könnte noch dieses Jahr in Betrieb gehen. Weitere Endlager dürften später in Frankreich und Schweden folgen. Endlager für leicht- und mittelradioaktiven Müll existieren bereits.
  • Ein weiteres Problem mit kreativen Lösungsansätzen: Wie lässt sich Hunderten von Generationen in der Zukunft vermitteln, was dort im Boden lagert?

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(3 Minuten Lesezeit)

Vergangene Woche veröffentlichten wir unseren Explainer zum “Ende der Atomenergie” (20 Minuten Lesezeit), in welchem wir den Atomausstieg in Deutschland beleuchten sowie die Datenlage zu Sicherheit und Emissionsintensität der Energieform analysieren. Hier nun ein Deep Dive in einen einzigen Aspekt dieses Themas: Atommüll und Endlagerung.

Eine Warnung an die Zukunft

Die Pforte zu dem Endlager für niedrig- und mittelradioaktive Abfälle in New Mexico, USA, liest sich unheilvoll, schließlich ist sie als Warnung angelegt: “Dies ist kein Ort der Ehre. Hier wird keinen hochgeschätzten Toten gedacht. Nichts Wertvolles liegt hier. Was sich hier befindet, ist gefährlich und abstoßend für uns. Diese Botschaft ist eine Warnung vor Gefahr”.

Der Fluch dient dafür, die Bedeutung des radioaktiven Mülls auszudrücken, welcher in dem 610 Meter tiefen Tunnel inmitten der amerikanischen Wüste lagert. Und zwar so, dass auch zukünftige Generationen, deren Sprache, Kultur und Wissensstand sich von heute unterscheiden wird, sie verstehen können. Das geht so weit, dass sich die Disziplin der Atomsemiotik herausgebildet hat: Sie beantwortet die Frage, auf welche Art und Weise sich Menschen, auch Tausende Jahre in der Zukunft, vor den Gefahren von Atomabfällen warnen lassen. Das ist nicht trivial, denn so wie heute kaum jemand sumerische Keilschrift versteht, so gibt es keine Garantie, dass die heutigen Sprachen noch in der Zukunft verstanden werden oder die Bedeutung von Atommüll erhalten bleibt. Es geht also mitunter um Zeichensprache und rudimentärste Kommunikation. Dazu gilt es, Missverständnisse zu vermeiden: Hier lagert kein Schatz, dessen Barrieren die Grabräuber lediglich herauszufordern gedenken. Hier lagert ausschließlich Gefahr.

Gut zu wissen: Einige Vorschläge in der Atomsemiotik weichen von klassischer Zeichen- oder Schriftsprache ab. Die Forscher Francoise Bastide und Paolo Fabbri schlugen 1984 vor, “Strahlenkatzen” zu züchten, deren Fellfarbe sich in der Nähe ausreichend hoher Radioaktivität grün verfärbt. Ein anderer Vorschlag war es, eine “Nuklearreligion” samt dedizierter Priesterkaste zu kreieren, welche die Lehre vor der Gefahr des Atommülls durch die Jahrtausende tragen sollte, schließlich kann Religion länger als Sprache und andere Kulturelemente überdauern. Es gab darüber hinaus eine ganze Reihe an “landschaftlichen” Ideen, beispielsweise den Bau von “Stahldornen”, welche aus dem Boden ragen, oder eines großen ominösen schwarzen Zementblocks.

LLW, ILW, HLW

Der Anlass für die nach Science-Fiction anmutenden Diskussionen ist altbekanntEtwa 390.000 Tonnen Atommüll sind zwischen 1954 und 2016 global entstanden, wovon ein Drittel wiederverwertet wurde, was rund 250.000 Tonnen übrig lässt. Jedes Jahr kommen ca. 12.000 Tonnen hinzu. Atommüll entsteht in der Anwendung von Nuklearmedizin, in der Nuklearforschung, bei der Herstellung von Atomwaffen, beim Abbau von Seltenen Erden, dem Abbau von Uran oder, am prominentesten, bei der Erzeugung von Strom in Atomkraftwerken.

Atommüll wird in schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfall eingeteilt, nach ihren englischen Bezeichnungen jeweils als LLW (low-level waste), ILW (intermediate-level) und HLW (high-level) abgekürzt (dazu kommt mitunter VLLW als “very low-level”). Vom historisch angehäuften Atommüll sind 95 Prozent schwach oder sehr schwach radioaktiv, so die Internationale Atomenergieagentur (IAEA). Sie sind weitestgehend ungefährlich und erfordern bei Handhabung oder Transport keine gesonderte Abschirmung. Mittelradioaktive Abfälle machen 4 Prozent aus und sind gefährlich genug, um Abschirmung zu benötigen, doch keine gesonderte Kühlung. Unter hochradioaktiven Abfall fällt weniger als 1 Prozent, doch er ist für fast sämtliche Radioaktivität verantwortlich (die Zahlen weichen mitunter etwas ab, so spricht die World Nuclear Association von 90 Prozent Anteil von LLW, 7 Prozent von ILW und 3 Prozent von HLW). Der hochradioaktive Abfall strahlt dermaßen stark, dass er abgeschirmt und gekühlt werden muss, auch, da sogenannte Zerfallswärme entsteht. In Deutschland fallen etwa 5 Prozent des gesamten Atommülls unter HLW, nicht zuletzt, da die Kernbrennstoffstäbe in Atomkraftwerken zu den hochradioaktiven Abfällen gehören. Ein mittelgroßes Atomkraftwerk, welches im Jahr etwa eine Million Menschen versorgen kann, verursacht im Jahr hochradioaktiven Abfall mit drei Kubikmetern Fläche, bei größeren können es auch sieben Kubikmeter sein. Das entspräche etwa einem Würfel von zwei Metern Seitenlänge.

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Onkalo, Finnland (2020). Quelle: IAEA Imagebank

Wenn Kernbrennstoffe, beispielsweise Uran-235 und Plutonium-239, in einem AKW frisch abgenutzt worden sind, sind sie extrem gefährlich. Also werden sie erst einmal vor Ort gehalten und je nach Notwendigkeit in einem Wassercontainer – dem Abklingbecken – herabgekühlt. Das dauert mitunter fünf bis acht Jahre. Danach geht es entweder ins Recycling, wo wiederverwendbare Elemente abgetrennt und im Mix mit “frischen” Materialien wieder als Brennstoff genutzt werden (so bislang geschehen bei etwa einem Drittel des angefallenen Atommülls), oder direkt in die Lagerung. Dort wird zwischen Zwischenlagern und Endlagern unterschieden.

Zwischenlager und Endlager

In einem Zwischenlager klingt der Atommüll weiter ab, kühlt also herab, bevor er nach einigen Jahrzehnten in ein Endlager kann. Dabei gibt es Nasslager, also erneut in einem Wasserbecken, und Trockenlager, bei welchen der bereits etwas harmlosere (doch noch keineswegs harmlose) Atommüll in großen metallenen Spezialbehältern, beispielsweise vom Typ CASTOR, gelagert wird. In Deutschland müssen AKWs ihren Müll direkt vor Ort zwischenlagern, sie dürfen ihn also nicht transportieren. Auch die Wiederaufbereitung ist hierzulande dadurch verboten. 

Das Endlager wird dann zum finalen Ruheplatz für den Atommüll. Heutzutage geht es meist um die Endlagerung in einer Hunderte Meter unter der Oberfläche befindlichen geologischen Struktur, parallel gesichert mit menschengemachten Barrieren (sprich, allerlei Wänden, Türen, Böden und Decken). Auf Englisch heißt das deep geological repository (DGR). Nachdem der Atommüll in einem solchen Endlager eingelagert worden ist, werden alle Hohlräume verfüllt und das Lager so verschlossen, dass niemand hineinkann – und zwar auf sehr lange Zeit. Es gibt noch andere Wege für den Umgang mit Atommüll als nur die Einlagerung tief in geologischen Strukturen im Boden, nämlich in erster Linie die Nutzung tiefer Bohrlöcher (deep borehole disposal). Sie sind mehrere Kilometer tief, doch haben Schwächen, etwa ihren dünnen Durchmesser und die Schwierigkeit, die direkte Umgebung zu analysieren (ein Tunnel lässt sich besuchen, ein Bohrloch nicht). Die meisten Experten bevorzugen heute eindeutig das DGR-Modell, um den Atommüll auf lange Zeit zu verbannen.

Wie lange genau? Das berührt die Frage, wie lange Atommüll gefährlich ist. Die Antwort darauf bietet die sogenannte Halbwertszeit, welche anzeigt, nach wie viel Zeit sich die Menge eines Radionuklids halbiert hat. Die Radionuklide, welche für die Radioaktivität verantwortlich sind, zerfallen laufend und werden progressiv ungefährlicher, auch wenn die Radioaktivität nie völlig verschwindet. Ab irgendeinem Punkt ist sie ausreichend harmlos, um theoretisch keine weitere Lagerung mehr zu benötigen. Bei LLW und ILW geht es in der Regel um wenige Jahre, bei HLW dagegen um Tausende von Jahren. Einige Länder legen ihre Endlagerung deswegen auf 10.000 oder 100.000 Jahre an, Deutschland verlangt mindestens eine Million Jahre.

Gut zu wissen: Radioaktiven Müll ins All zu schießen, ist keine Option. Nicht nur die Kosten sind dafür zu hoch, sondern auch das Risiko einer vorzeitigen Explosion, bei welcher gefährliches radioaktives Material in der Atmosphäre verteilt wird.

Die Suche nach dem Endlager

Die hohen Ansprüche an die Endlagerung erschweren die Suche nach den Standorten. In Deutschland gibt es 16 Zwischenlager, doch kein einziges Endlager für HLW (auch gibt es aufgrund zahlreicher Proteste in den vergangenen Jahrzehnten keine Wiederaufbereitungsanlage). Ein Kandidat, das niedersächsische Gorleben, wurde später von Experten für unpassend erachtet. Es geht darum, einen Standort mit mindestens 300 Metern Tiefe und reichlich wasserundurchlässigem Granit, Salzgestein oder Tongestein zu finden. Erdbebengefahr, Vulkanismus und Untergrundschädigungen müssen ausgeschlossen werden; das Grundwasser darf nicht in der Nähe sein. Es folgen Erkundungsbohrungen, Messungen und Vor-Ort-Erkundungen in der Zieltiefe. Stimmt die Politik dem Standort zu, kann der Transfer des Atommülls aus den Zwischenlagern beginnen. All das ist langwierig: Die mit der Endlagersuche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erwartet, das politische Zieljahr 2031 zu verfehlen und auch die Industrie hält das Ende der 2030er oder sogar das darauffolgende Jahrzehnt für wahrscheinlicher. 

Gut zu wissen: Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle gibt es in Deutschland ein erstes Endlager, nämlich “Konrad” im niedersächsischen Salzgitter. Es soll ab 2027 aktiv sein und die 303.000 Kubikmeter an LLW und ILW in Deutschland einlagern. Zuvor betrieb die Bundesregierung einige Jahre lang das DDR-Endlager Morsleben (ebenfalls für LLW und ILW) weiter, obwohl dieses als einsturzgefährdet galt.

Auch der Rest der Welt tut sich schwer damit, die Frage nach der Endlagerung für HLW zu lösen. In Frankreich und Schweden wurden Standorte ausgewählt, in den USA und Belgien gab es Testanläufe. Doch nur ein einziges Endlager steht davor, tatsächlich an den Start zu gehen: Onkalo in Finnland, welches übrigens gerade den drittleistungsstärksten Atomreaktor der Welt in Betrieb genommen hat. Onkalo befindet sich auf der Insel Olkiluoto im Westen des Landes und dürfte noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Zwischen 2024 und 2070 würden dann planmäßig 6.500 Tonnen Atommüll in 3.250 Kanistern in 300 bis 400 Metern Tiefe und entlang eines 1.700 Meter langen Tunnelsystems eingelagert werden. Dort wird er dann eingeschlossen und soll mindestens 100.000 Jahre überstehen können, ohne jede Wartung, und auch im Falle einer erneuten Eiszeit oder einer drastischen Erderwärmung. Im Verlaufe der Jahrhunderte und Jahrtausende werden Wälder sämtliche oberflächlichen Spuren des Verstecks vertuschen; in der nicht so nahen Zukunft könnten es auch Gletscher sein. Doch selbst umgehend nach der Zuschüttung ließe sich der letzte Ruheort des Atommülls von Menschen nicht ohne extremen Aufwand stören. Zumindest auf Olkiluoto.

Andere Länder, etwa die USA, Deutschland und Frankreich, setzen dagegen auf das Prinzip der “Rückholbarkeit und Bergbarkeit: Der jahrzehntelange Einlagerungsprozess soll, falls notwendig, mittendrin zurückgespult oder selbst nach Abschluss reversiert (sprich, die Atommüllbehälter geborgen) werden können. Das soll zukünftigen Generationen die Möglichkeit geben, die Abfälle doch noch herauszuholen; sei es, weil eine unerwartete Gefahr entsteht oder weil dank technologischer Fortschritte in der Wiederaufbereitung eine Möglichkeit gefunden wurde, die Abfälle zu verarbeiten. Die irreversible Variante in Finnland vermeidet menschliche Einmischung, doch zwingt zukünftigen Generationen nicht nur den Müll der heutigen Generation auf, sondern auch ihren gewählten Umgang mit diesem.

Gut zu wissen: Frankreich plant allem Anschein nach ein Endlager im Osten des Landes in 500 Metern Tiefe in Tongestein. Der Bau könnte 2027 beginnen, insofern die Zustimmung erfolgt – Anwohner und Anti-Atom-Aktivisten versuchen, sie zu stoppen. Für Frankreich hat das Endlager eine besondere Rolle: Bis zu 70% der Energieproduktion stammen aus der Atomenergie, doch die Wiederaufbereitungsanlage-cum-Zwischenlager in La Hague hat bis Ende des Jahrzehnts keinen Platz mehr in ihrem Abklingbecken. Das könnte einen Komplettstopp aller Reaktoren bedeuten – ein Worst-Case-Szenario.

Lösung?_

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Yucca Mountain, Nevada, Standort eines nicht fertig gebauten Endlagers. Quelle: White House

Eine kontroverse Lösung

Wie ist die Rolle des Atommülls also einzuschätzen? Die beliebte Aussage, dass es noch keine Lösung für Atommüll gäbe, muss eventuell etwas qualifiziert werden: Die geologische Einlagerung ist die Lösung der Wahl; es fehlt an den meisten Orten nur an gesellschaftlich akzeptierten Standorten. Ob es eine smarte oder unzureichende Lösung ist, kommt darauf an, wie sehr Beobachter den geologischen Einstufungen vertrauen und wie besorgt sie auf die Risiken für zukünftige Generationen blicken: Setzen wir diese einer postapokalyptisch-radioaktiven Zukunft aus oder stoßen sie frühstens dann auf unsere Endlager, wenn deren Inhalt bereits harmlos geworden ist?

Unterstützer der Atomenergie halten die Risiken der Endlagerung für handhabbar. Sie verweisen darauf, dass die Möglichkeit von Zwischen- und Endlagerungen bereits einen großen Vorteil gegenüber den fossilen Energieträgern darstellt, schließlich realisieren diese ihre negativen Gesundheits- und Umwelteffekte umgehend durch den Treibhausgasausstoß in die Luft, während AKWs ihren Müll am Standort oder in einem Endlager festhalten können, ohne direkte gesundheitliche oder Umweltkonsequenzen (solche gäbe es nur, wenn die Lagerung katastrophal versagt).

Kritiker sehen dagegen nicht nur unkalkulierbare Risiken für Populationen in der fernen Zukunft, sondern zweifeln auch an der Sicherheit der Zwischenlager, welche nur einen Stromausfall von größerer Kontamination entfernt seien, und an jener der Endlager, bei welchen sie etwa auf die nicht ganz geklärte Korrosionsgeschwindigkeit der Atommüll-Behälter oder (von anderslautenden Beteuerungen unbeeindruckt) die Sorge vor Grundwasserkontamination verweisen. Sie kritisieren historische Fehlschläge, welche die Weisheit heutiger Entscheidungen infrage stelle: Sei es die Kontamination des Nuklearkomplexes Hanford in den USA, größer als Hamburg, weil radioaktiver Abfall in den 1940ern und 50ern mit wenig Bedacht in Tanks gelassen wurde und bis ins Grundwasser sickerte; die Versenkung von Atommüll in den Meeren, wie es bis 1970 praktiziert worden war und inzwischen verboten ist; oder die Probleme bei den deutschen (Probe-)Endlagern Asse II und Morsleben.

Die Gesellschaft redet mit

Letztlich sind die geologischen Risiken einer tiefen Einlagerung wohl überschaubar, so zumindest die Mehrheitsmeinung unter Experten. Die Einlagerung in den Boden, insofern richtig gehandhabt, sei sicher genug, um die hohen Anforderungen zu erfüllen, so etwa die IAEA oder das (tendenziell Atomkraft-skeptische) Bundesumweltministerium. Die Risiken für weit entfernte Generationen, welche sich nicht mehr an die Existenz des Atommülls erinnern, sind schwieriger abzuschätzen, doch dürften sich durch eine intelligente Standortwahl (und vielleicht etwas Atomsemiotik) zumindest verringern lassen.

Das größte Problem ist wohl eher akut: Die Lagerung von Atommüll hat in den meisten Ländern eine sehr schlechte Reputation und wenig gesellschaftliche Legitimation, meist einhergehend mit der Reputation der Atombranche als solcher. Deutschland ist mit seinem Verbot für die Wiederaufbereitung und den Transport sowie mit dem Atomausstieg sicherlich eines der besten Beispiele dafür, doch auch die Lagerungspläne in den USA sind seit Jahrzehnten hochkontrovers und Spielball der Politik; die Endlager-Beschlüsse in Schweden und Frankreich werden von Bevölkerung und Medien sehr kritisch begleitet. Auf der anderen Seite steht Finnland, dessen Atombranche eine gute Reputation im Land genießt. Der kleine Ort Eurajoki nahe Olkiluoto hat allem Anschein nach keinerlei Probleme mit dem benachbarten Endlager. “Es ist finnisches Design. Finnischer Stein ist kräftiger Stein”, so der Bürgermeister lakonisch.

Der Müll des Anthropozäns

Was bleibt, ist vor allem der Eindruck, dass der Atommüll einer gewissen poetischen Schwere nicht entkommt. Der Mensch hat die Kernspaltung erobert und sie ihren Zwecken unterworfen, nun versteckt er das, was ungewollt anfällt, in hochmodernen Gräbern tief in der Erde. Es gilt, in Zeithorizonten zu denken, welche sich kaum vorstellen lassen: Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrmillionen – in solchen Dimensionen spüren auch Zivilisation, Sprache und Menschheit ihre Halbwertszeiten. Die Ruhestätten des Atommülls sind geschmückt von Warnungen, welche sich zugleich wie Schuldbekenntnisse anfühlen, gerichtet an eine weit entfernte Zukunft, welche die Bedeutung unserer Texte und Symbole in etwa so schlecht verstehen könnte, wie wir heute die Stonehenge-Megalithen. In den Worten des Autors Robert Macfarlane: Endlager sind die wahrhaftigste Architektur des Anthropozäns. Doch erst einmal gilt es, sich auf einen Ort zu einigen.

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