Israel und Palästina, Teil 1

Die Geschichte eines unheilvollen heiligen Landes – von der Antike bis 1948.

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(20 Minuten Lesezeit)

Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)

  • Das heutige Israel mitsamt Palästinensergebieten wechselte oft die Hände: Auf antike Israeliten folgten GriechenRömerAraber und Türken. 1918 übernahm Großbritannien als Kolonialmacht.
  • Eine mehrheitlich arabische Bevölkerung blickte mit Unruhe auf eine rasant zunehmende jüdische Migration ab etwa 1896, welche von Pogromen und Antisemitismus in Europa angetrieben wurde.
  • Es kam zu immer häufigeren und intensiveren Gewaltausbrüchen sowie Massakern beider Seiten, welche letztlich wohl den “Kreislauf” der Gewalt bis heute anstießen.
  • Die Briten verloren die Kontrolle über ihr Mandatsgebiet und leiteten den Abzug ein; die UN empfahl 1947 einen Teilungsplan, welchen die Araber ablehnten. Ein Bürgerkrieg brach aus.
  • Israel verkündete 1948 die Unabhängigkeit; fünf arabische Nachbarn marschierten umgehend ein. Der junge Staat siegte allerdings, konnte eine Existenz bewahren und sein Gebiet sogar ausweiten.
  • Der Palästinenserstaat entstand nicht, stattdessen besetzten Jordanien und Ägypten weite Teile.
  • Mit dem Krieg wurde ein Großteil der palästinensischen Araber aus Israel vertrieben, was bis heute im Kern der “Palästinenserfrage” steht. Auch seitens der Juden im arabischen Raum begann ein Massenexodus.

Der einfache Teil_

(5 Minuten Lesezeit)

Gut zu wissen: Warum nur bis 1948? Die Geschichte von Israel und Palästina ist es wert, komplett aufgerollt zu werden, wenn man schon überhaupt damit anfängt. Und dann wird es schnell zu viel für einen Explainer. Wir widmen dem wandlungsreichen Weg von der Antike bis zum 20. Jahrhundert etwas Platz, steigen dann tiefer in die chaotische Phase als Mandatsgebiet Palästina ein und beleuchten zuletzt die Phase rund um den Ersten Arabisch-Israelischen Krieg 1948, welcher zum womöglich entscheidendsten Ereignis der Region geriet. In einem zweiten Explainer werden wir über die Phase von 1948 bis heute schreiben.

Die Antike: Israeliten, Griechen und Römer

Die zivilisatorische Geschichte des heutigen Gebiets um Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen, welches wir anfangs Judäa-Galiläa und später Palästina nennen könnten, begann in der eisenzeitlichen Antike. Mit dem Untergang der Stadtstaaten der Kanaaniter – auch als Phönizier bekannt – im 13. Jahrhundert vor der modernen Zeitrechnung begann die Hochphase der jüdischen Israeliten. Die erste gesicherte Erwähnung eines Volkes “Israel”, bezogen auf die Königreiche Israel (bzw. Samaria) und Juda, stammt aus dem Jahr 1.208 v. Chr. In diese Zeit fallen auch die biblischen Könige Saul, David und Salomon, deren Historizität umstritten ist. Parallel lebten in der Umgebung nichtjüdische Völker, etwa der aus Griechenland migrierte Stamm der Philister, welcher zwar den Namensursprung mit “Palästina” teilt, ansonsten aber keinen Zusammenhang zu den modernen Palästinensern besitzen dürfte.

Die Königreiche der Israeliten hielten rund fünfhundert Jahre nach dieser ersten Erwähnung. Dann begann eine rasante, wechselhafte Geschichte, welche uns mit wenig Verschnaufpause durch die Jahrhunderte trägt: Das Neo-Assyrische und später das Babylonische Reich, beide aus dem heutigen Irak, eroberten die israelitischen Königreiche; dann verleibte sich das gigantische Perserreich die Region ein (und machte eine Deportation der Israeliten durch Babylon rückgängig). Alexander der Große eroberte die Region 330 v. Chr. und nach seinem Ableben fiel sie an zwei griechische Nachfolgereiche, erst die Ptolemäer, dann an die Seleukiden. Eine jüdische Rebellion gegen die Seleukiden, unterstützt von der expandierenden Römischen Republik, führte zu einem erneuten faktisch unabhängigen Judenstaat um 140 v. Chr.

Roms Expansion war allerdings noch lange nicht am Ende angekommen. Rund 80 Jahre bekämpfte Rom das Seleukidenreich, bis es sich auch die Levante als Provinz Judäa einverleibte. Das Verhältnis zu der Lokalbevölkerung wechselte zwischen solide und angespannt, doch verschlechterte sich nachhaltig ab 50 n. Chr. und gipfelte in zwei schweren Bürgerkriegen zwischen 60 und 130 n. Chr. Rom gewann beide Kriege und zerschlug als Reaktion darauf die kulturellen und politischen Institutionen der Juden in Judäa. Es benannte die Region zu Syria Palästina um, ein alter griechischer und womöglich bereits assyrischer Name, zerstörte den jüdischen Tempel und machte aus Jerusalem das römische Aelia Capitolina – in welchem Juden nicht gestattet waren.

Die Bürgerkriege “vollendeten” eine jahrhundertelange jüdische Diaspora. Was sich genau abspielte, ist unter Forschern umstritten. Deportationen und Versklavungen ins gesamte römische Reichsgebiet sind gesichert, doch die eigenständige Emigration und Flucht aufgrund der schweren Lage in Judäa könnte zahlenmäßig eine größere Rolle gespielt haben. In jedem Fall existierte zu diesem Zeitpunkt bereits eine größere jüdische Bevölkerung außerhalb Judäa/Palästinas als innerhalb: Die zahlreichen Kriege in den vergangenen Jahrhunderten, welche oft mit der Zerstörung der Region einhergingen, hatten Juden in der gesamten europäisch-nahöstlichen antiken Welt verstreut. In Judäa/Palästina blieb nur noch eine sehr kleine Zahl an Juden. Die Geschichte einer organisierten jüdischen Präsenz in der Levante endete im 2. Jahrhundert – vorerst.

Mittelalter bis Neuzeit: Araber und Türken

Mit der Teilung Roms im 4. Jahrhundert ging Palästina an Ostrom, heute Byzantinisches Reich genannt, über. Es erlebte eine Blütezeit, griechisch-römischen Kultureinfluss und starke Christianisierung, litt aber unter den zahlreichen Kriegen zwischen Byzanz und Persien. Die rasant expandierenden Araber nutzten aus, dass sich die zwei Supermächte gegenseitig schwächten und eroberten Palästina bis zum Jahr 640. Wechselnde, miteinander rivalisierende arabische Kalifate kontrollierten die Region bis 1468, unterbrochen von den christlich-europäischen Kreuzfahrerreichen, welche sich immerhin zwei Jahrhunderte in der Region halten konnten. Daraufhin folgte das Osmanische Reich, also der Vorgängerstaat der modernen Türkei. Es kontrollierte Palästina bis 1917. Mit der osmanischen Kriegsniederlage im Ersten Weltkrieg wurde es von den Briten als “Mandatsgebiet Palästina” übernommen.

Palästina erlebte unter der muslimischen Herrschaft ein heftiges Auf und Ab. Die Araber hatten die Region in einem einhundert Jahre langen Prozess islamisiert und arabisiert. Palästina war durch seine günstige Lage, reiche Handelsbeziehungen, fruchtbaren Boden, religiöse Bedeutung und hohem Entwicklungsstand ein zentraler Ankerpunkt der frühen Araberreiche und erlebte deren goldenes Zeitalter bis etwa 1100 deutlich mit. 

Daraufhin verlor die Region allerdings zunehmend an Bedeutung. Spätere Kalifen verlagerten ihren Herrschaftssitz wahlweise nach Bagdad oder Kairo; heftige Kriege und die Invasionen der türkischen Seldschuken (um 1070), christlichen Kreuzritter (ab 1095) und Mongolen (ab 1260) verwüsteten Palästina. Naturkatastrophen und die Schwarze Pest (ca. 1350) dezimierten die Region weiter. Infrastruktur und Wirtschaft verfielen. Die Bevölkerung, welche vormals sehr wahrscheinlich über eine Million betragen hatte, brach auf womöglich rund 200.000 ein. Sie sollte sich erst in der Neuzeit erholen.

Gut zu wissen: Das Verhältnis der Araber mit den Juden rangierte von meist sehr pragmatisch bis gelegentlich sehr schlecht: Unter den frühen Kalifaten durften die Juden wie andere religiöse Minderheiten ihrer Religion nachgehen, solange sie eine hohe Sondersteuer zahlten, und durften auch wieder Jerusalem betreten. Zu Zeiten der Kreuzzüge kämpften sie mit den Muslimen gegen die Christen. Unter dem Kalifat der Fatimiden wurden dagegen alle Synagogen abgerissen.

Das aufstrebende türkische Osmanenreich expandierte ab dem Ende des 15. Jahrhunderts gegen die Araber und übernahm 1516 Palästina. Jegliche Blütezeit war bereits lange her: Die Region war wirtschaftlich abgehängt, im historischen Vergleich spärlich bevölkert und zutiefst ländlich; in den größten Städten – darunter Jerusalem und Gaza – lebten nur wenige Tausend Menschen. Sie bildete auch gar keine eigene administrative Zone mehr, sondern war in mehrere Provinzen aufgeteilt. “Palästina” (filistin) existierte eher nur noch als kulturelles Konzept, um wahlweise das nicht ganz klar abgegrenzte “Heilige Land” oder nur die Provinz Jerusalem zu bezeichnen. Selbst der Krieg verschonte die Region nicht, sei es in Form eines Einfalls der Franzosen unter Napoleon 1799 oder einer Invasion der (inzwischen von den Türken unabhängigen) Ägypter 1831.

Das wankende Osmanische Reich wurde 1918 faktisch abgewickelt. Die südliche Levante fiel als Kolonie an Großbritannien, welches das Mandatsgebiet Palästina einrichtete. Fassen wir zusammen: Die Region erlebte Israeliten, Babylonier, Assyrer, Perser, Griechen, Römer, Araber, Kreuzritter, Mongolen und Türken – und doch beginnt irgendwie erst jetzt der komplizierte Teil.

Der schwierigere Teil_

(8 Minuten Lesezeit)

Arabische Kämpfer während des Arabischen Aufstands 1936-39. Quelle: hanini, wikimedia

Der frühe Zionismus

In der Spätphase der osmanischen Periode legte mit der zärtlichen Industrialisierung der Region auch ihr Bevölkerungswachstum zu. In der gesamten Region, welche das Mandatsgebiet Palästina bilden würde, lebten 1850 rund 340.000 Menschen, was bis 1918 bereits auf über 700.000 gestiegen war. Dazu trug eine Entwicklung in Übersee bei, welche die demografische Lage in Palästina gehörig aufrütteln sollte.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in Europa der Zionismus, welcher eine Rückkehr (Aliyah) der Juden in ihre historische “Heimstätte” empfahl. Schon in den Jahrhunderten davor waren Juden mitunter nach Palästina ausgewandert, allerdings in kaum relevanter Größenordnung. Zusammen mit einem kleinen “harten Kern” aus Juden, welche seit dem antiken Israel vor Ort verblieben waren, lebten 1850 rund 13.000 Juden im osmanischen Palästina, 4 Prozent der dortigen Gesamtbevölkerung. Mit der wachsenden antisemitischen Stimmung in Europa, vor allem den schweren Pogromen im Russischen Reich und in Polen sowie der Dreyfus-Affäre in Frankreich (ein Skandal um einen fälschlich verurteilten jüdischen Offizier), nahm der Emigrationsdruck allerdings zu. Spätestens als der österreichisch-ungarische Journalist Theodor Herzl 1896 “Der Judenstaat” herausgab, nahm der Zionismus konkrete Form an und gewann eine beeindruckende Dynamik. Die Zahl der Juden in Palästina versiebenfachte sich bis 1922 auf fast 84.000, über 11 Prozent der Bevölkerung. Diese war ihrerseits angestiegen, teilweise aufgrund von natürlichem Bevölkerungswachstum, teilweise, weil viele Araber aus umliegenden Gebieten immigrierten.

Der Zionismus unter Großbritannien

Unter Großbritannien legte die Zahl der Juden deutlich zu. Das dürfte einerseits mit einer anfangs freundlicheren Migrationspolitik und der wachsenden Popularität des Zionismus zusammengehangen haben, doch auch einfach damit, dass die britischen Volkszählungen weitaus zuverlässiger als die osmanischen waren. Und zu guter Letzt auch mit der Verhärtung des Antisemitismus in Europa im Vorfeld, Zuge und Nachspiel des Zweiten Weltkriegs samt Holocausts. Entsprechend kamen alleine von 1932 bis 1939 rund 200.000 Juden nach Palästina, inzwischen auch einige aus Staaten wie Jemen und Irak. Bis 1944 lebten bereits fast 530.000 Juden in der britischen Kolonie, 30 Prozent der Gesamtbevölkerung, welche zum Großteil sunnitische Araber, doch auch zahlreiche Beduinen, christliche Araber und Drusen ausmachten. Zwischen 1920 und 1945 stellten Juden 92 Prozent der Nettomigration nach Palästina; insgesamt 368.000 Juden kamen. Es war ein demografischer Schock.

Die rasant wachsende jüdische Bevölkerung bedeutete Konflikt mit der ihrerseits wachsenden arabischen Mehrheit. Die Juden lebten anfangs in eigenen Communitys und wurden von den Arabern als dhimmis eingestuft, also unter Schutz stehende, doch den Muslimen untergestellte Minderheit. Mit der wachsenden Migration kippte das Bild allerdings. Die Siedlungsgebiete von Juden und Arabern überschnitten sich schnell; Städte wie Haifa, Jaffa, Ramle und Akko wurden multiethnisch. Die Araber blickten mit Unruhe darauf, dass die Juden immer mehr Land aufkauften und mitunter die Einwohner vertrieben. 1910 gab es eine erste große, organisierte Protestaktion gegen jüdische Landkäufe. Zu dieser Zeit erkannten einige Araber auch bereits, dass der Zionismus die Schaffung eines jüdischen Staates anstreben würde und nicht nur ein Asyl der Juden als dhimmis in Palästina. Die Spannungen wuchsen.

Gut zu wissen: 1908 wurde mit Al-Karmil die erste ausdrücklich antizionistische Zeitung herausgegeben, von einem verheirateten arabischen Paar. Die Zeitung warnte eindringlich vor der Gefahr eines jüdischen “Kolonialismus” und wurde zum Sprachrohr des arabischen Diskurses in Palästina. 

Der (pan)arabische Nationalismus

Es kam zu kleineren Gewaltausbrüchen, meist durch Araber oder Beduinen gegen Juden. Die Juden gründeten in Palästina bereits 1907, nach der zweiten großen Einreisewelle, eine Miliz namens Bar-Giora, benannt nach einem Revolutionsführer im ersten Aufstand gegen die Römer. Ihre Gründer waren vor ihrer Aliyah Untergrundkämpfer im russischen Zarenreich gewesen. Das Motto der Gruppe stammte von einem jüdischen Autor: “In Feuer und Blut fiel Judäa, in Blut und Feuer soll Judäa wiederauferstehen”. Aus der Bar-Giora wurde kurz darauf die Hashomer, hebräisch für “Wachmann”. Die Gruppe war eher eine Nachbarschaftswache als eine echte Miliz, doch verteidigte jüdische Communitys gegen Kriminalität sowie arabische Übergriffe und führte manchmal Vergeltungsangriffe durch. Im Großen und Ganzen blieb Gewalt aber noch eine Seltenheit, es handelte sich um lokalisierte, vereinzelte Zusammenstöße.

Die Spannungen nahmen in den letzten Jahren des Osmanischen Reichs zu, da sich die Nationalbewegungen, welche den Rest der Welt seit Jahrzehnten durchzogen, auch bei Juden und Arabern verfingen – und beide Seiten einen eigenen Nationalstaat erwarteten. Die Briten versprachen erst um 1915/16 den Arabern in der sogenannten Hussein-McMahon-Korrespondenz einen unabhängigen panarabischen Staat, wenn diese sich im Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich auflehnen, und versprachen später den Juden eine “nationale Heimstätte” in Palästina in der Balfour-Deklaration 1917, womit deren Streben nach einem eigenen Staat allen Arabern in Palästina klar wurde. Die Briten entschieden sich allerdings für nichts von beidem: Sie teilten den Nahen Osten im Sykes-Picot-Abkommen mit Frankreich in Kolonialsphären auf – schon 1916 beschlossen, doch anfangs geheimgehalten -, und übernahmen die Kontrolle in Palästina und Umgebung. Unterstützt wurden sie vom Völkerbund, dem Vorgänger der UN, welcher London ein Mandat für Palästina aussprach. Die drei Abkommen scheinen miteinander völlig inkompatibel, und die Briten argumentierten im Nachhinein etwas unbeholfen mit Verweis auf die Sprache der Briefe, dass Palästina und Syrien nie in der McMahon-Korrespondenz inbegriffen gewesen seien. Für die Araber war es ein Verrat, welcher das britisch-arabische Verhältnis jahrzehntelang belastete. 

Der Anfang aller Gewalt

Das Mandatsgebiet schien nie unter einem guten Stern zu stehen. Die Briten waren keineswegs blind für den zentralen Konflikt zwischen Juden und Arabern. Also versuchten sie es mit Kompromissen: Arabisch, Hebräisch und Englisch wurden die Amtssprachen (obwohl die Araber gegen Hebräisch protestierten). Der Landesname war das in Europa gängige “Palästina” in allen drei Sprachen. Doch dort fing der Streit sogleich an: Die Juden forderten Erets Yisrael (Land Israel) als hebräische Variante; die Araber waren erzürnt und schlugen sogleich “Südysrien” vor. Die Briten boten den Juden einen Kompromiss und lehnten den Vorschlag der Araber ab.

Mit den offengelegten jüdischen Ambitionen nach einem Staat, der fortschreitenden Migration und den anziehenden Landkäufen (die Briten kippten Einschränkungen, welche die Osmanen verhängt hatten) erreichte die Stimmung einen Siedepunkt. Im März 1920 kam es zum bis dorthin blutigsten Gewaltausbruch, als arabische Kräfte eine jüdische Siedlung im nördlichen Galiläa attackierten und acht Juden töteten. Bei den Juden sorgte das für Schock; sie befürchteten Pogrome im Stile Russlands und riefen die britische Kolonialverwaltung mehrmals um Hilfe an, welche jedoch abwiegelte.

In der arabischen Bevölkerung schaukelte sich derweil die Stimmung hoch und entlud sich bei einer Demonstration in Jerusalem im April. Die Details sind unklar, doch laut dem israelischen Historiker Benny Morris (welcher von beiden Seiten des Diskurses mal kritisiert, mal gelobt wird) riefen die Teilnehmer: “Wir werden das Blut der Juden trinken”. Weitere Quellen berichten von den Rufen “Tod den Juden” und “Palästina ist unser Land, die Juden sind unsere Hunde”. Aus nicht abschließend geklärtem Grund schlug der Protest in Gewalt um. Vier Tage lang attackierten die Araber Juden und jüdische Geschäfte; fünf Juden und vier Araber starben, zudem wurden 216 Juden, 18 Araber und 7 britische Soldaten verletzt. Die Briten hielten sich nicht nur aus dem Aufstand heraus, sondern stoppten sogar jüdische Milizionäre beim Versuch, den Juden in Jerusalem zur Unterstützung zu eilen – auch wenn es einigen dennoch gelang, als Rettungskräfte verkleidet.

Die sogenannten Nabi-Musa-Unruhen waren wohl der Startschuss für die ethnische Gewalt in Nahost, welche die Region bis heute prägt. Die Juden zogen aus ihnen den Schluss, dass sie sich nicht auf die offiziellen Strukturen der Briten verlassen konnten. Aus der Hashomer wurde 1920 die weitaus organisiertere, militarisiertere und größere Haganah, die wichtigste paramilitärische Gruppe der Juden, welche später zu den Israeli Defense Forces (IDF), also der regulären Armee, umgewandelt werden sollte.

Juden fliehen aus Jerusalem während des Arabischen Aufstands 1936-39.
Quelle: wikimedia
Ein arabisches Protest-Treffen, 1929.
Quelle: United States Library of Congress, wikimedia

Eskalation

Die Situation blieb noch einige Jahre angespannt, mit gelegentlichen Zusammenstößen, doch insgesamt überschaubarDas änderte sich 1929: Offenbar akut verärgert über eine jüdische Demonstration an der Klagemauer attackierten Araber erneut in großem Maße Juden im sogenannten Buraq-Aufstand. Innerhalb von sieben Tagen starben 133 Juden und 116 Araber, letztere mehrheitlich, als die britischen Sicherheitskräfte den Aufstand niederschlugen. Ungefähr zeitgleich kam es zum Hebron-Massaker an 67 Juden, ausgelöst von falschen Gerüchten, dass die Juden Muslime “abschlachten” würden und die wichtige al-Aqsa-Moschee in Jerusalem stürmen wollten. Für israelische Historiker gelten die zwei Ereignisse mitunter als “point of no return“, ab welchem die Juden ihr Verhältnis zu den Arabern als eines von Verfolgung und Existenzkampf verstanden. In palästinensischer Geschichtsschreibung werden “Buraq-Revolution”, Hebron und ähnliche Vorfälle dagegen als antikolonialer Kampf interpretiert.

Die Briten waren überfordert. Sie fertigten Report nach Report an, in welchen sie meist die Araber für ihre Übergriffe verurteilten, doch zugleich recht treffend analysierten, woher die Wut stammte. Sie verhafteten Araber und Juden. Doch die Gewalt stoppen, konnten sie kaum. Zur Zeit des Hebron-Massakers war genau ein britischer Offizier in der Stadt mit 20.000 Einwohnern zugegen. Ab 1936 begannen sich Araber und Juden auch noch verstärkt gegen die Briten selbst zu richten, statt ausschließlich gegeneinander, etwa im Arabischen Aufstand von 1936 bis 1939. Die Situation im Mandatsgebiet sei bis 1937 “untragbar” geworden, so die von London eingesetzte Peel-Kommission, welche daraufhin eine Aufgabe und Teilung der Region vorschlug – der erste Teilungsplan, auf welchem alle künftigen basierten. Ein gemeinsamer Staat sei dabei zwecklos, so der Peel-Bericht, denn ein Zusammenleben von Juden und Arabern ausgeschlossen. Die Araber lehnten den Plan energisch ab; die Juden zeigten sich grundsätzlich offen. Die britische Regierung war interessiert, doch hatte keine Kapazität, sich mehr damit zu beschäftigen: In Europa braute sich Krieg heran.

Der Peel-Plan 1937 (Rote Linie: jüdischer Staat; Schwarze Linie: Britisch kontrollierte Zone).

Die schnelle Lösung der Briten war stattdessen das “Weißbuch” von 1939: Die jüdische Migration nach Palästina wurde massiv eingeschränkt und würde künftig von der arabischen Mehrheit mitbestimmt werden; der Landkauf durch Juden wurde eingeschränkt; und in 10 Jahren würde ein unabhängiger Staat geschaffen werden, in welchem Juden und Araber gemeinsam leben. Diesmal waren die Juden erzürnt, schließlich wurde ausgerechnet zum Höhepunkt der Nazi-Herrschaft die Immigration blockiert. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Lage zwar ruhig – die Juden befürchteten, dass das Afrikakorps der Nazis bis nach Palästina durchbrechen könnte -, doch direkt im Anschluss kam es zum heftigen Jüdischen Aufstand gegen die Briten, welcher bis 1948 andauerte.

Jüdischer Protest in Jerusalem gegen das Weißbuch, 1939.
Quelle: Matson Photo Service, wikimedia

Wo sind die Palästinenser? In diesem Explainer schreiben wir fast ausschließlich von “Arabern”, doch selten von “Palästinensern”. Der Grund ist, dass “Palästinenser” längste Zeit eine rein geografische Konnotation hatte: In Palästina lebten palästinensische Araber und palästinensische Juden. Wenn im frühen 20. Jahrhundert von “Palästinensern” die Rede war, meinte das also in der Regel sämtliche Bewohner der Region (bzw. des Mandatsgebiets), kein spezielles Volk oder gar Nation. Wann genau die Idee eines spezifischen palästinensischen Volkes aufkam, ist ein Politikum.

Klar ist: Der arabische Nationalismus erreichte Palästina etwa rund um den Zerfall des Osmanischen Reiches, doch bezog sich anfangs tendenziell auf einen Panarabismus – nicht zuletzt deswegen auch der Wunsch vieler palästinensischer Araber, Teil Syriens zu werden. Dennoch war diese Zeit, mit ihrer Opposition zum jüdischen Zionismus, ein möglicher Entstehungszeitpunkt für ein dediziert palästinensisches Nationalbewusstsein. Allerspätestens lässt sich dieses auf die Ära unter Jassir Arafat ab 1969 verorten. Geht es um die etwas breitere Frage einer “palästinensischen Identität” gehen einige Forscher und Beobachter, insbesondere von palästinensischer Seite, noch weiter und verorten sie schon Jahrhunderte früher oder ziehen einen Bogen zu antiken Volksgruppen.

Der ganz schwierige Teil_

(7 Minuten Lesezeit)

Ben-Gurion verkündet die Unabhängigkeit, 1948. Porträt von Theodor Herzl im Hintergrund.
Quelle: Rudi Weissenstein, wikimedia

Der Teilungsplan

Die Briten, geschwächt vom Zweiten Weltkrieg, verstanden, dass es für sie in Palästina nichts mehr zu gewinnen gäbe. Im Februar 1947 teilten sie der UN mit, dass sie ihr Mandat über Palästina aufgeben möchten. Im November beschloss die Staatengemeinschaft (damals aus 56 Staaten bestehend) die Resolution 181 (II), welche eine Teilung Palästinas empfahl. Ein jüdischer Staat, ein arabischer Staat und eine internationale Zone um Jerusalem würden kreiert.

Die Juden akzeptierten den Plan, doch die Araber lehnten ihn ab: Sie hatten seit jeher nur eine Einstaatenlösung unter sich akzeptiert, und fanden zudem, dass der Plan unfair sei. Die Juden, ein Drittel der Bevölkerung, hätten fast zwei Drittel des Landes erhalten. Davon war zwar ein großer Teil Wüste, doch eben auch einige der fruchtbarsten und entwickeltesten Gebiete (wobei diese Entwicklung laut der britischen Peel-Kommission in erster Linie auf die Juden zurückgegangen sei). Zudem dürfte hineingespielt haben, dass die palästinensischen Araber die Zeichen der Zeit auf ihrer Seite wähnten: Mehrere arabische Staaten waren zuletzt in der Umgebung unabhängig geworden, darunter Libanon, Ägypten, Syrien und Jordanien (damals noch manchmal Transjordan genannt). Sie alle hatten den Teilungsplan verurteilt und den Palästinensern Militärunterstützung angedeutet. Mit der Ablehnung der Araber begann unmittelbar ein Bürgerkrieg zwischen ihnen und den Juden.

Der UN-Teilungsplan 1947 (Orange: jüdischer Staat); Quelle: UK Gov, wikimedia

Der Bürgerkrieg

Der Bürgerkrieg hatte eine völlig andere Dimension als sämtliche andere Gewalt, welche Palästina in den letzten fünfzig Jahren erlebt hatte. Er begann mit dem Massaker durch Araber an den Insassen eines jüdischen Busses, doch schaukelte sich bis Mai 1948 auf über 2.000 Tote hoch. Israelische Historiker sprechen davon, dass die meisten Eskalationen von den Arabern ausgingen, doch dass Gewalt – auch gezielt gegen Zivilisten – von beiden Seiten verübt wurde, ist unbestritten. 

Auf jüdischer Seite sind vor allem die zwei Terrorgruppen Irgun und Lehi nennenswert. Sie waren als aggressivere Splittergruppen aus der Hagana hervorgegangen, da ihnen die größte jüdische Miliz eine zu moderate Linie fuhr, nicht zuletzt aufgrund einer eigens auferlegten Zurückhaltungspolitik (Havlagah). Irgun und Lehi verübten dagegen massenhaft Terrorangriffe, erst gegen die Briten im Jüdischen Aufstand, dann gegen die arabische Zivilbevölkerung. Sie wollten einen israelischen Staat mit Waffengewalt herstellen und befanden, dass nur Gewalt die Araber von Übergriffen abschrecken würde. Dafür attackierten sie selbst öffentliche Plätze und Zivilisten; etwa beim Anschlag auf das King David-Hotel 1946 und beim Deir-Yassin-Masaker an mindestens 107 palästinensischen Arabern 1948. Bei den Juden trafen die Gruppen auf geteiltes Echo: Ein Teil lehnte sie ausdrücklich ab, darunter die Hagana (nach zeitweiser Kooperation), wichtige Rabbis und viele prominente Juden im Ausland; ein anderer tolerierte oder zelebrierte sie gar: Getötete Araber aus Deir Yassin wurden von der Irgun in Westjerusalem paradiert und von der Bevölkerung bejubelt.

Gut zu wissen: Die Irgun ging später ebenfalls – gegen ihren eigenen Willen – in der IDF, der regulären Armee, auf. Sie war aber auch der Vorgänger der rechten Partei Herut, welche später zum heutigen Likud führte, welcher aktuell mit Benjamin Netanjahu den Premierminister Israels stellt.

Das King David-Hotel nach einem Anschlag jüdischer Terroristen 1946.
Quelle: wikimedia

Massaker wurden dabei mit Massakern vergolten: Araber attackierten wenige Tage nach Deir Yassin einen unbewaffneten Medizinkonvoi und ermordeten 79 Juden; und sie töteten im Ort Kfar Etzion weitere 127 Juden. Dieses vergolten die Juden mit dem al-Dawayima-Massaker an zumindest Dutzenden Arabern – und so weiter. Die Gewaltsamkeit beider Seiten versetzte die Zivilbevölkerung in Angst; beide Seiten nahmen an, in höchster Gefahr zu schweben, sollte sich der Gegner durchsetzen. Insbesondere die Araber fühlten sich exponiert; Zehntausende verließen noch im Bürgerkrieg ihre Heimat und flüchteten tiefer in das arabische Gebiet. Die Briten hatten dem Treiben dabei im Grunde nur noch von den Seitenlinien zugeschaut. Sie bereiteten ihren Abzug vor und finalisierten diesen bis Mai 1948. Palästina war auf sich allein gestellt.

Staatsgründung und Unabhängigkeitskrieg

Am 14. Mai riefen die Juden den Staat Israel aus, angeführt von Premierminister David Ben-Gurion. Unmittelbar darauf marschierten Truppen aus fünf arabischen Staaten in das ehemalige Mandatsgebiet Palästina ein: Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak und Libanon. Der Bürgerkrieg zwischen palästinensischen Juden und Arabern wandelte sich zum Krieg zwischen Israel und einer panarabischen Koalition. 

Arabische Großoffensive zu Beginn des Krieges im Sommer 1948. Blaue Linie zeigt Israel.
Quelle: US Military Academy, wikimedia

Die Juden hatten bereits antizipiert, dass die Unabhängigkeitserklärung zu einem großen Krieg führen könnte. Sie hatten im Vorfeld die Hagana professionalisiert und sich um Waffenimporte bemüht. Da weder die USA noch die Sowjetunion und die UN die Importe gestatteten, musste Israel heimlich vorgehen und konnte nur über die Tschechoslowakei agieren. Unterstützt wurde es von vielen Juden und auch Nicht-Juden in der Welt, welche das britische Agieren in Palästina als anti-jüdisch wahrnahmen und das zionistische Projekt als “Underdog” und im Angesicht des Holocausts voranbringen wollten.

Gut zu wissen: Ein bemerkenswerter Unterstützer Israels war Gordon Levett, ein früherer Pilot in der britischen Royal Airforce. Er half den Juden, welche ihn anfangs für einen britischen Spion hielten, doch wenig Alternativen sahen, beim Aufbau der Logistik für Waffentransporte aus der Tschechoslowakei nach Palästina/Israel. Er baute auch die erste Fliegerstaffel des Landes auf, welche ironischerweise aus Nazi-deutschen Messerschmitt-Jets, mit Davidsternen versehen, bestand.

Mit hereingeschmuggelten Waffen und viel Immigration aus Europa erhöhte sich die Kampfkraft der Israelis mit jedem Tag. Den Arabern gelangen anfängliche Erfolge, doch relativ schnell drehte sich das Kriegsgeschick zugunsten Israels. Als 1949 ein Waffenstillstand geschlossen wurde, kontrollierte Israel ein Drittel mehr Gebiet, als ihm mit dem Teilungsabkommen 1948 zugestanden wäre; insgesamt 78 Prozent des Mandatsgebiets Palästina. Die Waffenstillstandslinie verlief entlang der “Grünen Linie”, welche Beobachter sehr an den heutigen Grenzverlauf erinnern dürfte. Die Arabergebiete wurden dabei allerdings nicht von einem Palästinenserstaat gehalten: Jordanien kontrollierte das Westjordanland samt Ostjerusalem (welches die Altstadt und die heiligen Stätten umfasst) und Ägypten kontrollierte den Gazastreifen.

Für Israel war es ein glorreicher Moment. Die Staatsgründung war gelungen; die Diaspora der Juden beendet und die historisch-religiöse Heimstätte in “Erets Yisrael” wiederhergestellt (auch wenn der Großteil der religiösen Stätten außer Reichweite blieb). Nicht nur das: Israel hatte seine Geburt gegen eine (tatsächlich nur zu Beginn) übermächtige Koalition verteidigt und sein Gebiet sogar noch ausgeweitet.

Die Lage in Israel/Palästina mit dem Waffenstillstand 1949:

  • Blau: Israelisch laut Teilungsplan und von Israel kontrolliert
  • Rot: Palästinensisch laut Teilungsplan, doch von Israel kontrolliert
  • Grün: Palästinensisch laut Teilungsplan, von Jordanien/Ägypten kontrolliert
  • Pink: Geplante neutrale Stadt Jerusalem, von Jordanien kontrolliert
  • Grau: Geplante neutrale Stadt Jerusalem, von Israel kontrolliert

Staatsgründung und Unabhängigkeitskrieg

Zwischen 14.000 und 27.000 Menschen starben im Ersten Israelisch-Arabischen Krieg, die genauen Zahlen sind gerade auf arabischer Seite unbekannt. Dazu kam die massenhafte Vertreibung von vor allem arabischen Palästinensern: Über 700.000, knapp 80 Prozent, flohen im Verlaufe des Bürgerkriegs oder Krieges in benachbarte Länder oder die von Ägypten und Jordanien besetzten Gebiete. Dazu dürfte innerhalb Israels eine “Binnenvertreibung” der verbleibenden rund 125.000 Arabern stattgefunden haben, da schätzungsweise 400 arabische Dörfer im Krieg zerstört oder entvölkert worden waren.

Für die Araber und insbesondere die palästinensischen Araber geriet diese Vertreibung zur Katastrophe, der Nakba. Es ist bis heute das wohl zentralste Element der palästinensischen Identität und, insofern ihr Nationalbewusstsein erst hinter 1948 verortet wird, der “Gründungsmythos” der Palästinenser (nur eben keineswegs mythologisch). Die israelische Interpretation weicht deutlich ab: Anstelle der Nakba werten sie die Ereignisse von 1947 bis 1949 als Unabhängigkeits- und Überlebenskampf, als “wir oder sie”. Was Palästinenser als “Flucht” oder “Vertreibung” bezeichnen, interpretieren manche Israelis mitunter als ein freiwilliges Verlassen, in der Erwartung, dass die Armeen Ägyptens, Jordaniens, Syriens und Co. innerhalb weniger Wochen die Juden vernichtet und den Weg zurück geebnet hätten (die fremden Armeen hätten sogar den Befehl zur temporären Evakuierung gegeben). Wenn palästinensische Flüchtlinge die Schlüssel ihrer alten Wohnungen im heutigen Israel präsentieren, um ihre Vertreibung zu unterstreichen, werten jene Beobachter das als Beweis: Natürlich nahmen sie die Schlüssel mit, sie dachten ja, dass sie in einigen Wochen wieder zurück seien, und zwar ohne lästige Juden nebenan. Das mag in bestimmten Fällen zugetroffen haben, doch kann kaum als bedeutsame Erklärung der Nakba herhalten und wird auch von israelischen Historikern kaum angenommen.

Auch auf jüdischer Seite begann ein Massenexodus: Rund 900.000 Juden verließen die arabischen Länder und Iran zwischen 1948 und den frühen 1970ern, teilweise aufgrund von Vertreibung, Repression und Anfeindungen, teilweise freiwillig aus dem religiösen oder wirtschaftlichen Wunsch heraus, in Israel zu leben. Es war eine fast vollständige Beendigung des jüdischen Lebens in der muslimischen Welt: 2019 betrug die Gesamtzahl der Juden in arabischen Ländern und Iran nur noch 12.700. Einige Beobachter, nicht zuletzt in Israel, kontrahieren diese Bewegung zur palästinensischen Nakba (bis hin zur Bezeichnung als “jüdische Nakba”), doch wie viel davon Flucht und wie viel davon Migration war, ist schwierig festzustellen (auch wenn die reine Größenordnung und die Tatsache, dass Migrationswellen meist zu Zeiten politischer Krisen geschahen, auf einen hohen Fluchtanteil hindeuten).

Die nächsten 75 Jahre

Damit waren die Weichen in Israel und Palästina gestellt. Ein neuer Staat für ein altes Volk, treu dem Motto seiner ersten Miliz in Blut und Feuer geboren, dessen reine Existenz ein spektakuläres historisches Comeback darstellte. Ein staatenloses Volk, welches wohl gerade erst anfing, sich als eigenes Volk zu verstehen, und dessen jahrzehntelangen Ängste sich bewahrheitet hatten. Tiefer Hass zwischen Juden und Arabern, welche Jahrhunderte nebeneinander gelebt hatten und es nun kaum noch taten. Und eine komplizierte geopolitische Gemengelage, mit drei Staaten auf einem Gebiet, welches zwei Staaten gehören sollte und welches selbst in einem Staat bereits unmöglich zu händeln gewesen war. Es kann kaum überraschen, dass der Weg dieses unheilvollen heiligen Landes ab 1948 nur noch chaotischer werden sollte.

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