Xi Jinping und Chinas Dritte Ära.

Xi Jinping und Chinas Dritte Ära

Ein neues China steht bevor. Wir erklären Xi Jinpings ungewöhnlichen Aufstieg, was die aktuelle Lage besonders macht und was zu erwarten ist.


China vor Xi | Der Prinz aus der Höhle | Die Dritte Ära
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Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)

  • Xi Jinping wird heute, am 16. Oktober, eine ungewöhnliche dritte Amtszeit erhalten. Dafür bricht er mit politischen Traditionen der letzten 40 Jahre.
  • Ermöglicht ist das durch eine Machtzentralisierung seit 2012 (vor allem 2017), welche es so zuvor nur unter Mao Zedong gab.
  • Xi hat die üblichen Fraktionen in der chinesischen Politik durch seine eigene Clique ersetzt. Völlig ausgelöscht sind sie allerdings nicht – und stellen eine anhaltende Gefahr für den “Überragenden Führer” dar. Wie groß, lässt sich von außen kaum einschätzen.
  • Der Werdegang von Xi ist beeindruckend: In Wohlstand geboren, stürzte er tief, bevor ihm ein bemerkenswerter rasanter Aufstieg an die Spitze des Landes gelang.

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Wenn du diesen Explainer nicht allzu lange nach seiner Veröffentlichung liest, findet zeitgleich gerade in Peking der Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas statt. Xi Jinping, der Überragende Führer, der Große Navigator, wird sich darin – sollte es nicht zu einer spektakulären Überraschung kommen – eine dritte Amtszeit verleihen lassen. Damit bricht er sämtliche Tradition: Die Beschränkung auf zwei jeweils fünfjährige Amtszeiten; die Richtlinie, mit 69 Jahren vom höchsten Amt abzutreten; die Konvention, frühzeitig einen Nachfolger zu benennen. Xi Jinping hat ein neues China im Sinn und er allein steht an dessen Spitze.

Die Dynastien und die drei Ären

Die Geschichte Chinas wird traditionell in Dynastien gelesen. Auf die Jin folgten die Yuan, auf die Yuan folgten die Ming, auf die Ming die Qing – das nur als kleiner Ausschnitt. Ab 1912 gab es zwar kein Kaiserreich mehr, doch dafür Herrscher, die markant an Kaiser erinnerten. Die Volksrepublik China, 1949 nach dem Sieg der Kommunisten im 22-jährigen Bürgerkrieg ausgerufen, denkt ihre Geschichte nicht mehr in Dynastien, sondern in Generationen: Jeder “Überragender Führer”, bekannter auf Englisch als Paramount Leader, ist darin Start- und Endpunkt einer Generation. Fünf Herrscher (nicht alle davon mit dem Titel Präsident) machen fünf Generationen.

Ein ehrlicherer Blick auf die Geschichte des modernen Chinas könnte es allerdings in drei Ären unterteilen. Da wäre die erste unter Mao Zedong, welcher das Land von 1949 bis kurz vor seinem Tod 1976 totalitär beherrschte. Der erste Generalsekretär schuf die politische Identität des heutigen Chinas, doch sorgte mit dem desolaten wirtschaftspolitischen “Großen Sprung nach Vorne” und der gesellschaftlichen Kulturrevolution für Jahrzehnte an Chaos sowie bis zu 80 Millionen Tote.

Die zweite Ära war jene unter Deng Xiaoping, welcher sich in den Machtkämpfen nach Maos Tod durchsetzte und das Land bis zumindest 1993 politisch dominierte. Deng, seinerseits zweimal Opfer der politischen Säuberungen in der Kulturrevolution, öffnete China zum Rest der Welt und zur Marktwirtschaft, welcher sich der nominell kommunistische Staat heute stärker verschreibt als viele “klassisch” kapitalistische Länder. Dengs Reformen setzten den Grundstein für den spektakulären wirtschaftlichen Aufstieg Chinas in den vergangenen 40 Jahren. Auch politisch änderte sich das Land: Wo Mao mit Führerkult und diktatorischer Allmacht regierte, führte Deng gewisse Kontrollinstanzen für die Politik wieder ein. Die Justiz erhielt mehr Unabhängigkeit und Spitzenämter wurden mit Amtszeitbeschränkungen versehen, auch für den Präsidenten, welcher nur noch zweimal fünf Jahre regieren durfte. “Kollektive Führung” sollte effektives und einträchtige Entscheidungen an der Spitze des Landes sicherstellen und, ganz ausdrücklich, einen neuen Alleinherrscher à la Mao verhindern.

Das heutige China wäre ohne Deng undenkbar gewesen. Sein gelegentlicher inoffizieller Titel als “Architekt des modernen Chinas” ist in diesem Sinne völlig verdient. Auf ihn folgten die Präsidenten Jiang Zemin und Hu Jintao, welche zwar ihre eigenen Akzente setzten, doch weitestgehend Dengs Vision in Dengs China vorantrieben – und ihr Amt übrigens wie vorgesehen nach jeweils zehn Jahren abgaben.

Die dritte Ära des modernen Chinas begann, wenig überraschend, unter Xi Jinping.
 

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Xi Jinping. Quelle: Paul Kagame

Ein tiefer Fall…

Xi Jinpings Leben war eine Achterbahn zwischen Himmel und Hölle. Er wurde 1953 als Sohn des prominenten Revolutionärs Xi Zhongxun geboren und war damit ein Teil der illustren, wohlhabenden “Zweiten Roten Generation”, also ein sogenannter “Prinzling”. Der Anfang war allerdings steinig: Xi Zhongxun stritt sich mit der Führung rund um Mao und wurde 1963 aus der Hauptstadt Peking in die Provinz Henan verbannt, dort zum einfachen Fabrikarbeiter degradiert. Kurz darauf geriet er in die Mühlen der Kulturrevolution, wurde öffentlich denunziert und inhaftiert. Xis Familie drohte auseinanderzufallen: Die Mutter musste den Vater denunzieren, Kulturrevolutionäre verwüsteten das Familienheim und die älteste Tochter beging aufgrund des öffentlichen Drucks Selbstmord. Xi Jinping, der zweitälteste Sohn und seinerzeit ein Teenager, musste seine Schulbildung abbrechen und wurde zum Arbeiten in ein Dorf in der Provinz Shaanxi verfrachtet.

Xi Jinping verbrachte insgesamt sieben Jahre in seinem aufgezwungenen Exil, lebte zeitweise in einer Höhle. Mit der Farmarbeit konnte er sich anfangs wenig anfreunden und versuchte sich gar vergeblich zurück nach Peking zu stehlen. Er endete zurück im Dorf und lernte, die harte, ehrliche Arbeit auf dem Land wertzuschätzen – so zumindest der Mythos, welcher “Xi Dada”, also “Onkel Xi”, heute umgibt. Unumstritten ist jedenfalls, dass er sich achtmal für die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei bewarb, bevor er endlich aufgenommen wurde und eine Perspektive aus dem Dorf heraus erlangte. Zehn weitere Bewerbungsanläufe später schaffte er es 1974 in die Partei selbst.

Xis Leben nahm endlich Form an: Er studierte Chemieingenieurswesen an der prestigeträchtigen Tsinghua-Universität in Peking und begann seine Parteikarriere, als sein Vater – inzwischen unter Deng – 1978 politisch rehabilitiert worden war. Wie jeder gute aufsteigende Parteikader leistete Xi seine Arbeit anfangs in den Provinzen ab. Am wichtigsten waren seine Aufenthalte in Fujian von 1985 bis 2002 und Zhejiang von 2002 bis 2007, wo er sich einen Namen machte und erste politische Netzwerke schmiedete. 2002 wurde Xi so zu einem von 376 Mitgliedern des Zentralkomitees, dem drittwichtigsten nationalen Gremium Chinas. Xi war endgültig in der Spitzenpolitik angekommen, wenn auch noch in der zweiten Riege.

Gut zu wissen: Das Dorf aus Xis Jugendjahren – Liangjiahe in Shaanxi, auf Google Maps kaum zu entdecken – ist jetzt eine Art Freiluftschrein für Xi Jinping. Dorfbewohner zeigen die Höhle, in welcher er gelebt hatte, die Matratze, auf welcher er geschlafen hatte, und die Felder, welche er so selbstlos bestellt hatte.

… und ein rasanter Aufstieg

Es sollte weitere fünf Jahre dauern, bis Xi in den politischen Olymp aufsteigen würde. Mit eindrucksvollen Wachstumsraten in seinen Provinzen und einer Reputation als harter Knochen gegen Korruption hatte Xi sich die Aufmerksamkeit der Parteigranden verschafft. Die Elite um den amtierenden Präsidenten Hu Jintao holte Xi 2007 in den Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei (PSC), das wichtigste Gremium des Landes, mit nur bis zu neun Mitgliedern (Stand 2022 sind es sieben). Nicht nur das: Alle Zeichen standen darauf, dass Xi der erkorene Nachfolger von Hu werden würde. Spätestens 2008, als er zum Vizepräsidenten der Volksrepublik gewählt worden war, galten die Gerüchte als bestätigt. Xi würde 2012 zum Generalsekretär und 2013 zum Präsidenten werden.

Xis Aufstieg war bemerkenswert, nicht nur aufgrund der prekären Lage in seiner Jugend. Er legte einen auffällig schnellen Marsch durch die politischen Instanzen hin, wurde beispielsweise schon mit 49 Jahren Teil des Zentralkomitees und mit 54 Jahren Teil des PSC. Das Durchschnittsalter beim Eintritt in die beiden Gremien liegt bei jeweils knapp 55 und 61 Jahren. Nicht nur das: Xi übersprang auch noch die gesamte Stufe des 25-köpfigen Politbüros, welches zwischen Zentralkomitee und PSC liegt. Ein solches Überspringen ist nur den vielversprechendsten Stars der Partei vergönnt: Nur 20 von 1.272 Zentralkomitee-Mitglieder in den vergangenen Jahrzehnten konnten eine Karrierestufe überspringen. 

Auf seinem Weg erlebte Xi einige Konkurrenz. Noch in der allerletzten Stufe war unklar, ob er oder Li Keqiang, ebenfalls ein “Überspringer” nach Hu Jintao das Spitzenamt übernehmen würde. Xi setzte sich durch und Li wurde zu seinem Premierminister. Ein anderer Herausforderer, Bo Xilai, schien zur ernsthaften Gefahr zu werden, nachdem seine höchst erfolgreiche Amtszeit als Parteisekretär in Chongqing ihn ins nationale Scheinwerferlicht gebracht hatte. Ein Skandal zur rechten Zeit machte es für Xi einfach, Bo aus dem Weg zu räumen.

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Parteikongress, Große Halle des Volkes, Peking. Quelle: Remko Tanis

Die Antikorruptionskampagne

Mit Xis Ernennung zum Überragenden Führer fing die Arbeit erst so richtig an. Xi ließ China außenpolitisch immer robuster agieren und ging eine offene Rivalität mit dem Westen ein. Er trieb die Transformation des Landes zu einem Hightech-Staat voran, während weite Teile zeitgleich noch mit der Industrialisierung kämpften. Er musste sich als erster chinesischer Staatschef ernsthaft mit den Themen Klima und Umwelt auseinandersetzen. Er zwang Hongkong endgültig in den Orbit des Mainlands und brachte der Uiguren-Provinz Xinjiang den Totalitarismus. Und er begann, die Macht in China zu zentralisieren, wie es niemand seit Mao mehr getan hatte.

Früh in seiner Amtszeit startete Xi eine gigantische Antikorruptionskampagne. Über 4,7 Millionen Parteikader fielen ihr zum Opfer, darunter über 120 sogenannte “Tiger”, also hochrangige Funktionäre (die kleinen Parteifunktionäre heißen “Fliegen”). Die Kampagne etablierte Xi als Populist (tuanpai), was in bewusstem Widerspruch zu seinem Image als wohlhabendem Prinzling stand. Gleichzeitig diente sie auch dazu, politische Widersacher zu vernichten. Xi wurde den Sicherheitszar Zhou Yongkang los, den Justizminister Fu Zhenghua und viele weitere. Sie alle wurden der Korruption für schuldig erklärt und, mindestens, aus der Partei gestoßen.

Du möchtest mehr zur Elitenpolitik in China erfahren? Unser Explainer “Xis China und seine Tiger” aus März 2021 wirft genau darauf einen Blick und erklärt, dass sich die chinesische Elite grob in zwei Gruppen trennen lässt: Die “Prinzlinge” – die Nachkommen wichtiger Revolutionäre, welche mit Wohlstand und Netzwerken in ihre Karrieren starten – und die “Populisten” oder tuanpai – also Emporkömmlinge, welche langsam ihren Weg durch den Jugendapparat der Partei machten. Die beiden Gruppen sind nicht völlig sauber trennbar, aber sind nützlich für eine erste Differenzierung.

Die Xi-Clique übernimmt die Macht

Die freigewordenen Plätze in den Institutionen der Macht füllte Xi pünktlich zum Parteikongress 2017, gewissermaßen dem Zeitpunkt seiner ersten Wiederwahl, mit Loyalisten. Damit begann er, die alte Ordnung auszuhebeln. Denn wo früher die Vertreter unterschiedlicher politischer Cliquen und Herkunftsgeschichten eine gewisse Machtteilung im Zentralkomitee, Politbüro und PSC pflegten, war plötzlich überall die sogenannte Xi-Clique am Drücker. Ihre Mitglieder wurden herablassend die “Kleinbauern” genannt, schließlich waren sie Xis alte Parteikollegen aus dessen Stationen in den Provinzen. Allein das 25-köpfige Politbüro füllte der Präsident 2017 mit 15 neuen Mitgliedern auf, von denen fünf die seltenen Karriere-Doppelschritte gemacht hatten – und vier dieser Überflieger waren in ihrer Karriere zuvor eng mit Xi verbandelt gewesen. Im Zentralkomitee ließ er derweil einen ähnlichen hohen Anteil der Mitglieder austauschen, nämlich 65 Prozent, so viele wie seit 1992 nicht mehr.

So mit Loyalisten ausgestattet machte sich Xi daran, ein neues politisches China zu formen. Im Jahr 2018 schaffte er die Amtszeitlimits ab und beendete damit faktisch die Doktrin der “kollektiven Führung”, welche Deng eingeführt hatte. Stattdessen galt wieder Alleinherrschaft. Nicht nur das: Er brachte einen Führerkult im Stile von Mao zurück. Jeder Überragende Führer formulierte traditionell eine eigene Ideologie, welche seiner Amtszeit eine Art Überschrift verpassen sollte, doch “Xi Jinping Gedanken” klang nicht nur fast genauso wie “Mao Zedong Gedanken”, es fühlte sich auch ähnlich an. “Xi Jinping Gedanken” wird in Universitäten unterrichtet, in TV-Spielshows zelebriert und in Apps spielerisch aufbereitet. Ein Stückchen Quasi-Religiösität ist erwünscht: Die Provinzregierung von Jiangxi rief Christen dazu auf, Jesus-Bilder durch Xi Jinping zu ersetzen. Seitens der Bevölkerung scheint das auf wenig Widerstand zu treffen. Xis Antikorruptionskampf ist beliebt; das wachsende chinesische Selbstbewusstsein in der Welt unter ihm gefällt vielen Chinesen. Nationalismus ist im Land en vogue.

Gut zu wissen: Der wichtigste Führer in China ist nicht immer Präsident oder Generalsekretär; Deng Xiaoping war beispielsweise nichts von beidem. Die chinesische Politik- und Geschichtsforschung spricht deswegen oft stattdessen vom “zentralen” Führer einer Generation oder einfach vom “Kern”. Das erklärt auch die Lobrede eines hochrangigen Funktionärs gegenüber Xi vor einigen Wochen: Der Kern müsse “mit aufrichtigem Herzen umfasst werden”; man müsse dem Kern “stets vertrauen, stets zum Kern loyal sein, stets den Kern verteidigen”.

Der (Fast-)Alleinherrscher

Dass Xi heute von den 2.300 Delegierten des Parteikongresses eine historische dritte Amtszeit verliehen bekommt, ist im Grunde gesichert. Das würde seine Alleinherrschaft gewissermaßen offiziell machen und selbst eine Herrschaft auf Lebenszeit andeuten. Beobachter sollten darauf achten, wie sehr Xis Alleinherrschaft heute formalisiert wird. Wird beispielsweise das seit 1982 ruhende Amt des Parteivorsitzenden (Chairmanwieder eingeführt oder bleibt Xi “lediglich” Generalsekretär? Ersteres würde ihn weiter vom PSC abheben und näher an Mao heranrücken. Und finden sich in den neuen Personalien in Zentralkomitee, Politbüro und PSC womöglich Signale, dass Xi nicht sämtliche politische Rivalen heraushalten kann? Hu Chunhua ist ein solcher Kandidat. Er wurde 2008 mit 45 Jahren der jüngste Gouverneur Chinas, wurde mit 49 Jahren der jüngste Aufrücker ins Politbüro seit drei Jahrzehnten und könnte heute mit 59 Jahren in das PSC vorrücken (2017 hatte Xi ihn noch herausgehalten). Hu gilt als enger Verbündeter des ehemaligen Präsidenten Hu Jintao, wird im Volksmund drum “Kleiner Hu” genannt, und ist somit auch Teil des tuanpai-Lagers (sprich, nicht Teil der Xi-Clique). Gelänge er in das PSC, wäre er ein natürlicher Herausforderer für Xi. Sein Aufstieg wäre ein Hinweis, dass die Alleinmacht des Präsidenten nicht ganz Allmacht darstellt. Hinweis, nicht Beweis.

Gut zu wissen: Auch anderswo zeigt sich sanfter Dissens, nämlich in der “Intellegentsia”. Damit sind nicht etwa die zahnlosen liberalen Intellektuellen im Land gemeint, sondern die systemkonformen: Qu Qingshan, einer der wichtigsten Politikwissenschaftler Chinas, publizierte 2021 einen Artikel im Staatsblatt People’s Daily. Darin urteilte er, dass vor allem die vergangenen Führer den Dank für die heutige Stärke Chinas verdienen. Deng Xiaoping wurde im Artikel neunmal erwähnt, Jiang Zemin und Hu Jintao jeweils einmal. Der amtierende Präsident und Überragende Führer Xi Jinping? Kein einziges Mal. Ein subtiler, doch eben auch nicht völlig subtiler Affront, dessen Existenz ein weiterer Hinweis darauf ist, dass es neben der Xi Clique noch immer andere Fraktionen gibt.

Die Diktatorenfalle

Was erwartet uns also, wenn der Kongress zu Ende ist? Erstens und am intuitivsten: Xi dürfte seine aktuelle Politik weiter verfolgen. Das bedeutet viel Selbstbewusstsein im globalen Auftreten; den fortschreitenden Aufbau eines totalen Überwachungsstaats; der Versuch, China auf eine stärkere technologische Basis zu stellen. Gleichzeitig hat Xi jüngst eindrucksvoll gezeigt, dass er die chinesische Wirtschaft umstrukturieren möchte: Nach fast 40 Jahren Marktwirtschaft nimmt der Staat unter Xi wieder etwas mehr die Zügel in die Hand, so beispielsweise, wenn er Techkonzerne massiv reguliert oder die gesamte private Bildungsbranche über Nacht verbietet. Zudem scheint ihm Zero Covid persönlich am Herzen zu liegen, ungeachtet der wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Isolationspolitik.

Zweitens, China läuft das Risiko, in die Diktatorenfalle zu tappen. Seit 1980 war die Politik des Landes mit vielen meritokratischen Elementen ausgestattet, welche fähige Bürokraten in immer wichtigere Rollen hochreichen sollten (auch wenn die Korruption oft dazwischenfunkte). Unter Xi scheint Kompetenz weniger zu zählen als Loyalität. Ein allmächtiger Potentat, umgeben von Loyalisten, ist die Antithese zu effektiver Entscheidungsfindung. Inmitten von Herausforderungen wie Covid-19, wirtschaftlichem Abschwung und komplexer Geopolitik ist allerdings genau solche benötigt. Es scheint kein guter Moment für China und den Rest der Welt, dass wieder ein Kaiser in Peking einzieht.

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