Die Bundestagswahl 2025: Arbeitsmarkt & Bürokratie

Der zweite Explainer zu den Wahlprogrammen der Parteien.
09.02.2025

Bürokratie | Verwaltung | Arbeitsmarkt | Bürgergeld
(20 Minuten Lesezeit)

Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)

  • Im Bürokratieabbau werden vor allem Union und FDP enthusiastisch und bieten viele Vorschläge – und überraschenderweise auch das BSW. Die AfD bleibt unkonkret; SPD und Grüne vorsichtig. Die Linken halten sich aus dem Thema raus.
  • Beim Arbeitsmarkt setzen Union und FDP auf Flexibilisierung, SPDGrüneLinke und BSW dagegen auf mehr Arbeiterschutz (wobei die Grünen auch über Arbeitsanreize sprechen) und höhere Mindestlöhne. AfD und BSW halten wenig von Arbeitszuwanderung; die übrigen Parteien wollen sie fördern.
  • Die Union und die FDP wollen das Bürgergeld abschaffen bzw. grundlegend reformieren. AfD und BSW deuten selbiges an, bleiben aber vage – was genau sie wollen, ist nicht ersichtlich. SPD und Grüne halten an ihrer Reform fest; die Linke will die Sicherung noch ausbauen.

Die Bundestagswahl 2025 nähert sich. Die whathappened-Redaktion verfasst zu diesem Anlass über die nächsten Wochen eine Reihe von Explainern, welche die Positionen der Parteien in verschiedenen Themen darstellen und ein wenig einordnen. Das soll dir helfen, die Parteiprogramme zu verstehen und eine fundiertere Wahl treffen zu können.

  • Wir rechnen damit, insgesamt 7 Wahlprogramm-Explainer zu veröffentlichen.
  • Wir werden in unserer Explainer-Reihe eine hohe Themenbreite abdecken, können jedoch nicht jedes Wahlthema beleuchten.
  • Die Kleinpartei Volt trifft unter der whathappened-Leserschaft auf ein hohes Interesse, wie unsere regelmäßigen Umfragen zeigen. Wir analysieren das Programm der Partei deswegen in aller Kürze ebenfalls.

Bisherige Explainer:
Explainer #1: Steuern und Finanzen

Bürokratie und Verwaltung_

(7 Minuten Lesezeit)

Deutschland ist eine Bürokratienation. In Rankings und Studien schneidet das Land im europäischen Vergleich meist schlecht ab; die Bürokratiebelastung von Firmen und Haushalten ist hoch und die Effizienz der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gering. Eine hohe Bürokratiebelastung wird seitens Unternehmen fast immer als einer der größten Standortnachteile genannt. Bürokratie schafft dabei bis zu einem gewissen Grad klare Spielregeln, Transparenz und Planbarkeit; bedeutet darüber hinaus jedoch Transaktionskosten, welche die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen senken und Haushalten Zeit kosten. Die Reduzierung der Bürokratie ist seit Jahren eine nominelle politische Priorität, doch in der Realität steigt die Bürokratiebelastung stattdessen mitunter. 

Union

Die Union plant relativ viele und insgesamt relativ konkrete Maßnahmen gegen Bürokratie. Da wären die Stärkung des Normenkontrollrats (welcher den Stand der Bürokratie in Deutschland überwacht), die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes, der Reduzierung von Statistik- sowie Aufbewahrungspflichten für Firmen, weniger Papier im Arbeitsrecht und eine Vereinfachung des Selbstständigenrechts zugunsten der Selbstständigen und Firmen. Beauftragte (z.B. für Abfall oder Brandschutz) sollen seltener verpflichtend sein. Die “One in, one out”-Regel für neue Regelungen soll offenbar zu einer “One in, two out”-Regel verstärkt werden. Auf Seite der Haushalte will die Union einfachere Steuern, etwa durch mehr Pauschalbeträge und verständlichere Steuergesetze. Wie Grüne und FDP will sie ein Digitalministerium.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Union ist traditionell eine der Parteien, die die konkretesten Pläne für den Bürokratieabbau bietet – so auch diesmal. Der Umgang mit einem Digitalisierungsministerium ist umstritten: Sollte Digitalisierung in ein Haus separiert werden oder als Querschnittsthema in sämtlichen Ministerien andocken? Für beides gibt es valide Argumente.

SPD

Die SPD verspricht schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und will neue Gesetze per “Praxischeck” prüfen, bleibt insgesamt jedoch vage (zudem existieren Praxischecks in der Regierung teilweise bereits). Ausnahme ist die “vorausgefüllte Steuererklärung“, welche Haushalten die Einkommenssteuererklärung vereinfachen soll. Auch bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wird die Partei konkreter und macht mehrere Vorschläge, etwa eine “DeutschlandID“, die Behördendienste einfacher zugänglich machen soll, und mehr Datenaustausch zwischen Behörden.

Der Bürokratieabbau unterliegt jedoch vielen Bedingungen: Arbeitnehmerrechte, Verbraucherrechte und der ökologische Wandel sollen Priorität besitzen – allerdings existieren genau in diesen Bereichen viele Regeln. Zudem verspricht die Partei eine ganze Reihe von Maßnahmen, welche mehr Bürokratie bedeuten würden (siehe z.B. “Arbeitsmarkt”).

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die SPD plädiert zwar wie jede andere Partei für eine digitalere, effizientere Verwaltung, doch hat zum weiteren Bürokratieabbau sehr wenig zu sagen – der Kanzler werde dafür noch mit Wirtschaft und Verwaltung sprechen, so die Partei.

Grünen

Die Grünen bewegen sich recht nah an der SPD. Der Bürokratieabbau findet indirekt oft Erwähnung, ist jedoch sichtlich kein Kernthema. Meist geht es um ihn im Kontext der digitalen Verwaltung und Bürokratieentlastungen für Haushalte, wo die Grünen auch detaillierter werden: Sie wollen etwa staatliche Dienstleistungen digital bündeln und vereinfachen, öffentliche IT-Systeme vereinheitlichen und die Einkommenssteuererklärung durch höhere Pauschbeträge einfacher machen. Eine “Deutschland-App” soll Behördenaufgaben digital erledigbar machen. Es soll ein neues Digitalministerium geben.

Bei der Bürokratieentlastung für Unternehmen bleiben die Grünen relativ vage, sprechen aber etwa davon, Digital- und Praxischeck “ausbauen” zu wollen, wobei neue Gesetze auf ihre Digital- und Praxistauglichkeit überprüft werden. Notarpflichten sollen sinken und mehr Firmen unter KMU-Ausnahmeregeln für Regularien fallen. Andersherum kämen neue Regularien hinzu beziehungsweise blieben ausdrücklich verankert: Risikoprüfungen beim Gentechnikeinsatz, mehr Standards bei Finanzprodukten, Regeln gegen Greenwashing, etc.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Ähnlich wie bei der SPD ist auch bei den Grünen der Bürokratieabbau kein Herzensthema. Enthusiastischer wird die Partei bei der Beschreibung der digitalen Verwaltung. Bei beiden Parteien ist die Bilanz der Ampelregierung tendenziell kein gutes Zeichen.

FDP 

Die FDP fordert einen “agilen” Staat. Sie will die Zahl von BeamtenSpitzenbeamten (Beauftragte, Staatssekretäre, Unterabteilungsleiter), Ministerien und Behörden verringern und die Strukturen “verschlanken”. Das Entwicklungsministerium soll im Auswärtigen Amt aufgehen, das Bauministerium ebenfalls verschwinden. Dafür entstünde ein Digitalisierungsministerium. Auch ein Wegfall des Umweltbundesamts wird angedeutet. Die Verwaltung soll mehr “Leistungsgedanken” erhalten, etwa per Performance-Indikatoren, und einfacher Experten von außerhalb engagieren können. Wie alle anderen Parteien will sie die Verwaltung digitalisieren, wird aber recht konkret. Für Bürger wäre die größte Änderung eine “DeutschlandID” als smartphonefähiges “digitales Bürgerkonto” und eine “Once-only-Garantie“, wonach Behörden untereinander mehr Daten teilen müssten, damit Bürger weniger Verwaltungsaufwand haben. 

Ein sofortiges dreijähriges Moratorium soll Unternehmen garantieren, dass vorerst keine neuen Regularien auf sie zukämen. Ein “bürokratiefreies Jahr” soll ihnen ein Jahr Pause von sämtlichen Berichtspflichten geben. Eine Bürokratiebremse soll im Grundgesetz verankert sein. Die FDP fordert eine konkrete Zahl von 6 Milliarden EUR, um welche der Erfüllungsaufwand (sprich, die Bürokratiekosten) der Unternehmen jährlich sinken soll. Genehmigungen sollen automatisch als erteilt gelten, wenn Behörden auf einen Antrag nicht schnell genug reagieren, und das Vergaberecht (für staatliche Aufträge) soll zugunsten kleiner Firmen vereinfacht werden. Eine häufigere “Sunset”-Klausel würde bedeuten, dass Gesetze öfter außer Kraft treten, insofern sie nicht aktiv verlängert werden. Auch auf EU-Ebene will die FDP eine Reihe von Regulierungen abbauen.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das FDP-Programm ist beim Thema Bürokratie erwartet sehr weitreichend und ziemlich konkret. Die Partei will stärker als alle anderen den Regierungs- und Verwaltungsapparat umbauen und plant den radikalsten Bürokratieabbau für Unternehmen, den es wohl seit mindestens 20 Jahren gegeben hätte.

AfD 

Die AfD möchte die Bürokratielast von Firmen senken, indem sie etwa die Lieferkettengesetze abschafft – das nationale und jenes der EU -, die Nachhaltigkeitsberichterstattung abschafft und den Datenschutz vereinfacht (etwa durch eine Abschaffung der DSGVO). Auch das Vergaberecht soll simpler werden. Vor allem Landwirte, welchen generell viel Aufmerksamkeit zufällt, und der Mittelstand sollen von Vorschrifts-, Berichts- und Dokumentationspflichten befreit werden. Auch in anderen Partikularbereichen wie der Pflege kritisiert die AfD zu viel Bürokratie, wird jedoch selten konkret mit dem, was sie tun will. Die Digitalisierung der Verwaltung lobt die AfD zwar nominell, doch bearbeitet sie dann eher negativ: Es gehe darum, Bürgern ein “analoges Leben” zu erlauben und zu verhindern, dass Digitalisierung “totalitäre Strukturen” kreiert.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die AfD deutet einen motivierten Bürokratieabbau an und macht einige Vorschläge, bleibt aber deutlich vager als FDP und Union. Im Programm zeigt sich auch beim Thema Bürokratie viel charakteristisch populistische Rhetorik: “EU-Bürokraten” würden “nach Gutsherrenart” Projekte verteilen, die EU agiere “planwirtschaftlich” und die Existenz der deutschen Landwirtschaft werde “zerstört”. Wenn es um Technologie in der Verwaltung geht, dann etwa, um “Bürger und Verbraucher bis ins letzte Detail auszuforschen”.

Linke

Die Linke hat keine Pläne für einen Bürokratieabbau und erwähnt ihn auf 60 Seiten kein einziges Mal (na gut, einmal im Kontext von Arztpraxen). Insgesamt sieben Mal sollen Forderungen “unbürokratisch” stattfinden, z.B. die Erstattung von Therapiekosten, das war’s. Selbst das verknüpfte Thema der Verwaltungseffizienz ist praktisch inexistent. Auf Digitalisierung scheint die Linke mit Skepsis zu blicken; mahnt etwa an, dass die öffentliche Verwaltung möglichst nur Open-Source-Software nutzen sollte.

BSW

Das BSW beklagt ebenfalls zu viel Bürokratie und blickt dabei vor allem auf die EU, wo “Bürokraten in Brüssel” Aufgaben übernehmen, die national gehandhabt werden sollten. Es will vor allem Mittelständler entlasten. Konkret spricht das BSW davon, die Nachhaltigkeitsberichterstattung und das Lieferkettengesetz zumindest abzuschwächen und mehr Firmen von Berichts- und Dokumentationspflichten zu befreien. Auch bei der Digitalisierungsverwaltung macht das BSW Vorschläge, etwa einen “One-Stop-Shop” für Behördendienstleistungen und, wie schon die FDP, ein Once-Only-Prinzip. Ein “Tag der Entrümpelung” soll Behörden zweimal jährlich zur Effizienzprüfung zwingen. Den Beamtenapparat will das BSW verkleinern.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Womöglich überraschenderweise ähnelt das BSW bei Bürokratieabbau und Verwaltung eher FDP und Union als SPD und Grünen. Das Programm fordert einige Reformen und wird stellenweise konkret.

Volt

Auch Volt möchte einen Bürokratieabbau für Firmen. Die Kleinpartei bleibt zwischen dem “ambitionierten” Lager (UnionFDPBSWAfD) und dem vorsichtigen Lager (SPDGrüneLinke): Lieferkettengesetz und Datenschutzrichtlinien werden abgeändert und vereinfacht, aber nicht abgeschafft. Wie das BSW will Volt einen One-Stop-Shop für Dienstleistungen; wie bei der FDP sollen nicht bearbeitete Anträge automatisch als genehmigt gelten. Volt verlangt ein Digitalministerium.

Fazit

Keine Partei mag Bürokratie und “unbürokratisch” ist ein beliebtes Adjektiv in den Wahlprogrammen. Einen ernstzunehmenden Bürokratieabbau planen jedoch nicht alle. Die FDP ist am konkretesten und aggressivsten; ihre Vorschläge sind teilweise sehr weitreichend. Auch die Union hebt das Thema hervor und wird recht konkret. Das BSW und die Kleinpartei Volt machen ebenfalls ernsthafte und konkrete Vorschläge. Bei Grünen und SPD fokussiert sich der Bürokratieabbau in erster Linie auf die Haushalte und die Effizienz der Verwaltung, weniger auf den Abbau von Regularien. Die Linke findet bei dem Thema gar nicht statt. Die AfD benennt den Bürokratieabbau als Wunsch, wird aber nur in wenigen Fällen konkret und das meistens in sehr spezifischen Partikularbereichen, beispielsweise im Kontext von Förderschulen oder der Fruchtfolge von Landwirten.

Der Arbeitsmarkt und die Fachkräfte_

(8 Minuten Lesezeit)

Deutschlands Arbeitsmarkt ist derzeit zwar insgesamt robust, doch schwächelt allmählich und kämpft mit ungelösten Langfristproblemen: Der demografische Wandel macht Druck, die hohen Arbeitskosten schwächen die Wettbewerbsfähigkeit vieler Firmen und obwohl es noch nie so viele Arbeitskräfte und Arbeitsstunden gab wie heute, existiert eine Fachkräftelücke von über 500.000 Stellen. Sie verursacht der Volkswirtschaft schätzungsweise 49 Milliarden EUR an Kosten – oder fast genau 10 Prozent des Bundeshaushalts 2024. Darüber hinaus konzentriert sich immer mehr Arbeitskraft auf verhältnismäßig wenig produktive Dienstleistungsberufe (zusammen mit dem öffentlichen Sektor trieben sie den Beschäftigungsanstieg der letzten Jahre), während die Industrie schrumpft. Trotz mehr Arbeit bleibt die Gesamtproduktivität damit hinter früheren Jahren zurück. Was planen die Parteien, um die Arbeitskraftverfügbarkeit sowie Produktivität zu steigern?

Union

Die Union möchte (gepaart mit ihren vielen steuerlichen Entlastungenmehr Arbeitsanreize setzen, indem sie Überstundenzuschläge steuerfrei macht. Firmen und Mitarbeiter sollen mehr Arbeitszeitflexibilität erhalten, indem eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit definiert wird (der Arbeitsschutz bleibe aber enthalten). Das Homeoffice will sie mittels “Rechtssicherheit” fördern. Sie formuliert außerdem mehr Wechsel von Teil- in Vollzeit und mehr Aus- und Weiterbildungen als Ziele, bleibt jedoch vage, wie sie das erreichen will.

Konkreter wird sie bei der ausländischen Fachkräftegewinnung: Eine “Work-and-Stay-Agentur” soll für Ausländer zum One-Stop-Shop für sämtliche legale Anliegen werden und ihre Qualifikationen sollen schneller anerkannt werden. Auch in einigen konkreten Bereichen wie der Pflege formuliert sie konkrete Ideen für bessere Arbeitsbedingungen, etwa planbare Einsatzzeiten.

Den Mindestlohn will die Union in der Hand der Mindestlohnkommission belassen und schließt politische Einmischung aus. Bei der Tarifbindung beschreibt sie mit einer Reihe eher unkonkreter Forderungen den Spagat, Sozialpartner zu stärken und Betrieben Flexibilität zu bieten.  

Mitarbeiterkapitalbeteiligungen mit weniger Bürokratie und mehr Freibeträgen sollen Startups die Talentakquise erleichtern.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Union stellt Arbeitsanreize in den Vordergrund und balanciert damit flexiblere Regeln für Firmen mit Direktanreizen für Arbeitnehmer, hier und da garniert mit dem Versprechen von erhaltenem Arbeiterschutz. Einige Forderungen sind konkret (z.B. steuerfreie Überstunden), doch der Großteil bleibt eher vage, womit unklar ist, wie besagter Spagat gelingen soll.

SPD

Die SPD widmet dem Thema Arbeitsmarkt in ihrem Wahlprogramm so viel Platz wie wenigen anderen Themen. Sie fokussiert sich dabei auf Beschäftigte, nicht Betriebe, und sieht ausdrücklich nicht “längere Arbeit” als Lösung. Stattdessen verspricht sie etwa mehr WeiterbildungenFörderungen von Qualifizierungen, “gute Regeln für Kurzarbeit”, eine bessere “Job-to-Job-Vermittlung” und eine großzügigere Arbeitslosenversicherung. Mehr Arbeiterschutz steht im Vordergrund. Sei es bei mehr betrieblichen Gesundheitsbewertungen, der Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen oder der (bereits eingeführten) Ausbildungsgarantie. Betriebsräte sollen gesetzlich verankert mehr Einfluss erhalten, etwa bei der Einführung von KI. Arbeitszeitmodelle sollen “modernisiert” werden.

Anders als die Union will die SPD den Mindestlohn bis spätestens 2026 auf 15 EUR steigenlassen, 17 Prozent mehr als die heutigen 12,82 EUR. Außerdem will sie die Tarifbindung stärken und den Verdienst von Männern und Frauen durch strengere Transparenzregeln angleichen.

Ausländische Fachkräfte will die SPD mit weniger Bürokratie anlocken, etwa vereinfachter Anerkennung von Qualifikationen, sowie mehr Strukturen und Angebote für Integration. Sie deutet neue Anwerbeabkommen mit anderen Ländern an. Zugleich betont die SPD, dass es keine “Ausbeutung, Lohndumping, unfairen Wettbewerb oder eine Erosion des Tarifgefüges” geben dürfe, lässt also eine gewisse Vorsicht erkennen. 

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Arbeiterpartei SPD versucht im Kapitel zum Arbeitsmarkt zu brillieren. Ihre zahlreichen und überwiegend konkreten Vorschläge kämen überwiegend Arbeitnehmern zugute – vor allem jenen im niedrigen Qualifikations- und Lohnsegment – und würden die Vorgaben sowie Kosten für Unternehmen ausweiten. Der Standortnachteil der Arbeitskosten würde damit wohl noch steigen; die Effekte auf die Arbeitsverfügbarkeit sind unklarer.

Grünen

Die Grünen heben den Arbeitskraftmangel als große Herausforderung hervor. Menschen ohne Berufsabschluss sollen per Qualifizierungsgeld in den Arbeitsmarkt gelockt werden, jene mit geringem Einkommen durch Steuergutschriften, Rentner durch Geldanreize in den Sozialversicherungsbeiträgen und Menschen mit Behinderung durch weniger bürokratische Hürden und mehr Aufklärung. Bezüglich Frauen spricht die Partei von flexibleren ArbeitszeitmodellenBetreuungsplätzen für Kinder und steuerlich absetzbaren Haushaltshilfen.

Wie die Union wollen auch die Grünen einen (englisch sprechenden) One-Stop-Shop für ausländische Fachkräfte, um Verwaltungsprozesse zu vereinfachen. Wo die SPD heimische Verteilungskonflikte fürchtet, heben die Grünen etwas altruistisch hervor, dass sie zu viel Talentabwanderung aus den Herkunftsländern vermeiden wollen.

Der Mindestlohn soll schon 2025 auf 15 EUR steigen, also früher noch als bei der SPD, und künftig parallel mit dem Medianlohn steigen – das würde die Mindestlohnkommission aushebeln. Betriebsräte wollen die Grünen stärken und die Tarifbindung ebenso, etwa durch eine Bevorteilung von Firmen mit Tarifverträgen bei Staatsaufträgen. Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sollen durch mehr Transparenzgesetze offengelegt und leichter vor Gericht gebracht werden. Frauen sollen “mehr Einfluss nehmen können auf Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit”.

Die Mitarbeiterkapitalbeteiligungen wollen die Grünen stärken, aber erklären nicht, wie.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Grünen lenken den Fokus stärker als die SPD (und ähnlich wie die Union) auf die Arbeitskraftverfügbarkeit. Sie wollen ebenfalls die Mitarbeiter gegenüber Betrieben stärken, allerdings nicht so ausgeprägt wie die Sozialdemokraten – mit Ausnahme, was die Lage der Frauen im Arbeitsmarkt betrifft.

FDP 

Die FDP möchte eine wöchentliche anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit, ganz wie die Union. Generell will sie die Politik stärker aus der Vertragsfreiheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern heraushalten. Arbeitsverträge sollen überall digital möglich sein und die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn “vereinfacht” werden. Das Streikrecht soll in öffentlich relevanten Sektoren (z.B. Transport, Energie) mit verpflichtenden Schlichtungsvereinbarungen und Ankündigungsfristen abgeschwächt werden.

Bei der Fachkräfteakquise aus dem Ausland will auch die FDP einen One-Stop-Shop, wie schon Union und Grüne, will parallel aber auch den gesamten Visaprozess überprüfen lassen. Die Europäische Blue Card soll auf nicht-akademische Fachkräfte ausgeweitet werden. Ein Spezialvisum soll Absolventen der 200 besten Universitäten der Welt anlocken.

Den Mindestlohn will die FDP unangetastet und somit in der Hand der Mindestlohnkommission belassen, auch hier wie die Union und in Opposition zu SPD und Grünen.

Die FDP formuliert außerdem so stark wie keine andere Partei Ideen für Selbstständige: Sie sollen bei der gesetzlichen Krankenkasse entlastet werden, bei der oft uneindeutigen Scheinselbstständigkeit soll es mehr Rechtssicherheit geben und Selbstständige sollen “maximale Wahlfreiheit” bei ihrer Altersvorsorge erhalten – SPDGrüne und teils selbst die Union möchten sie dagegen verbindlich in die Rentenversicherung nehmen.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Ganz wie bei der Union geht es auch bei der FDP in erster Linie um die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Dabei schreckt sie auch nicht vor kontroversen Ideen wie der Lockerung des Streikrechts zurück. 

AfD 

Die AfD hat anders als die meisten übrigen Parteien kein dediziertes Kapitel zum Arbeitsmarkt und verwendet den Begriff ihn auf ihren 177 Seiten (!) überhaupt nur sieben Mal. Die Partei erkennt grundsätzlich einen Arbeitskraftmangel und verortet ihn, ähnlich zur SPD, bei “unattraktiven Arbeitsbedingungen“. Sie will deswegen die “Rahmenbedingungen” für Arbeiterschaft und Unternehmen verbessern, wird aber nicht sehr konkret (wobei sich ihre Steuerpläne teilweise heranziehen ließen). Eine spezifische Idee ist die Ausweitung der Europäischen Blue Card auf weitere Berufsfelder.

Die AfD “begrüßt” zwar einerseits die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte, erklärt dann aber, dass es genug inländische potenzielle Arbeitskräfte gäbe und kritisiert Ausreden für “Massenmigration“. Zuwanderung löse weniger Probleme als sie neu schaffe, wobei die AfD die Fachkräftezuwanderung mit anderen Zuwanderungsformen zu verbinden scheint – obwohl sie kurz zuvor ebensolche “Vermischung” der Konzepte kritisierte. Als einzige Partei lenkt sie einen Fokus auf die Abwanderung deutscher Fachkräfte und will diesen Trend umkehren, erklärt aber nicht, wie.

Die Partei äußert sich nicht (bzw. nicht nennenswert) zum Mindestlohn, zur Tarifbindung, zu Mitarbeiterbeteiligungen, zu Arbeitszeiten oder zur Teilzeit.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die AfD schreibt wenig dediziert zum Arbeitsmarkt. Das, was sie bietet, ist überwiegend wenig konkret: Sie formuliert zahlreiche Wünsche und Forderungen, jedoch selten greifbare Vorschläge. Auffällig ist ihre charakteristische Skepsis gegenüber Einwanderung – auch qualifizierte Einwanderung – und die Priorisierung inländischer Potenziale. Dabei wirkt die Argumentation nicht immer schlüssig, da unterschiedliche Migrationskonzepte scheinbar zusammengeworfen werden.

Linke

Die Linke fordert einen breiten Katalog aus teils extrem großzügigen Maßnahmen für Arbeitnehmer und ist zu deutlichen Mehrbelastungen von Unternehmen bzw. staatlichen Leistungen bereit. Eine Auswahl der Forderungen: Auf alle Arbeitsverhältnisse sollen künftig Sozialabgaben anfallen, auch Minijobs und Aufträge an Soloselbstständige; und Beschäftigte sollen zweimal im Leben ein einjähriges Sabbatical mit Rückkehrrecht wahrnehmen dürfen.

Die Tarifbindung soll deutlich gestärkt werden, etwa dadurch, dass der Staat nur noch an Firmen mit Tarifvertrag Aufträge erteilt. Jeder Betrieb soll möglichst einen Betriebsrat besitzen.

Die Linke fordert genau wie die Grünen einen 15-EUR-Mindestlohn noch 2025 und eine Knüpfung an die Medianlohn- sowie Inflationsentwicklung. Bis 2026 soll der Mindestlohn auf 16 EUR steigen (+24,8 Prozent zu heute); die höchste Forderung aller Parteien. Die Gewerkschaften erhalten künftig Vetomacht in der Mindestlohnkommission.

Die Partei “unterstützt” eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn, schreckt aber offenbar davor zurück, diese verbindlich zu fordern. Sie ist die einzige Partei, die das überhaupt erwähnt.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Wie SPD und AfD erkennen die Linken die Lösung des Fachkräftemangels in den Arbeitsbedingungen – und bieten einen teils radikalen, doch von ihnen nicht ungewohnten Forderungskatalog. Nicht alles davon dürfte eine Realismusprüfung überstehen, doch der Partei geht es in der Regel eher um Diskursformung als um akut umsetzbare Policy-Pakete.

BSW

Das BSW ähnelt in seinen Forderungen den linken Parteien: Der Mindestlohn soll “unverzüglich” auf 15 EUR steigen, die Tarifbindung soll gestärkt, Minijobs und befristete Verträge sollen möglichst abgeschafft werden.

Geht es jedoch um die Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland, zeigen sich Parallelen zur AfD: Zuerst soll das inländische Potenzial durch mehr Unterstützung von Arbeitslosen sowie Qualifikationsmaßnahmen abgerufen werden. Genau wie die Rechtsaußen beklagt auch das BSW, dass Zuwanderung vorschnell als Lösung für den Fachkräftemangel angeführt werde. 

Volt

Volt ähnelt wie meist den linken Parteien: Ein “diskriminierungsfreier” Arbeitsmarkt steht im Fokus, mit höherer Tarifbindung, weniger Minijobs und mehr Arbeiterschutz. Die Arbeitszeit soll flexibilisiert werden, doch ansonsten scheint Volt eher einen strikteren als flexibleren Arbeitsmarkt zu suchen. Der Mindestlohn soll auf 14,61 EUR steigen und dem Medianlohn folgen. 

Fazit

Was benötigt Deutschland derzeit mehr? Falls du einen flexibleren Arbeitsmarkt und weniger Arbeitskosten für Unternehmen für die Antwort hältst, bieten die Union und die FDP das nützlichere Programm. Auch Selbstständige finden bei den zwei Parteien am meisten für sich selbst. Hältst du bessere Arbeitsbedingungen und mehr Arbeiterschutz für die Antwort, so sind SPDGrüneBSWAfDVolt und Linke d’accord. Menschen mit niedrigem Einkommen dürften bei den Plänen dieser fünf Parteien besonders profitieren, allein schon aufgrund der Pläne für den Mindestlohn. Dabei gibt es Unterschiede: Die AfD lässt sich nicht so recht in die Karten schauen, außer bei ihrer Skepsis zu jeglicher Form von Migration, wo auch das BSW mitzieht. Die Linke erlaubt sich beim Thema Arbeitsmarkt traditionell besonders weitreichende und kreative Forderungen.

Das Bürgergeld_

(5 Minuten Lesezeit)

Das Bürgergeld hat 2023 Hartz IV ersetzt und ein großzügigeres System aus Zahlungen und Sanktionen eingeführt, auch wenn es seitdem schrittweise verschärft worden ist. Es ist inzwischen Teil einer größeren, komplexen Fairness- und Verteilungsdebatte, welche zum einen mit der schwächeren Wirtschaft zusammenhängt, zum anderen auch an die Migrationsdebatte anknüpft: 48 Prozent der Bürgergeldbezieher sind Ausländer; laut Welt mit Bezug auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit haben 63,5 Prozent Migrationshintergrund. Unabhängig von dieser Verteilungsdebatte ist die Frage um den Umgang mit dem Bürgergeld schon deswegen wichtig, weil die Konjunkturschwäche im laufenden Jahr erstmals im Arbeitsmarkt bemerkt werden könnte – und somit mehr Menschen in die Sicherungssysteme treibt. Wie sollen diese also aussehen?

Union

Die Union will das Bürgergeld abschaffen und durch eine “Neue Grundsicherung” ersetzen. Den Fokus verschiebt sie dabei deutlich auf das Vermitteln und Sanktionieren. Lehnt ein Bezieher “grundsätzlich” Arbeit ab, werde die Grundsicherung komplett gestrichen. Auch gibt es strengere Vermögensprüfungen und ein härteres Vorgehen gegen einen “großangelegten Sozialleistungsmissbrauch“, den die Union erkennt. Zudem kündigt sie freundlichere Verdienstgrenzen an, um Arbeitsanreize zu setzen. Mit Bezug auf Fairnessempfinden deutet sie an, dass die Grundsicherung nur langsam erhöht würde, um Distanz zum Mindestlohn zu wahren. 

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die Union verspricht seit langem, das Bürgergeld abschaffen und mit einem strengeren Modell ersetzen zu wollen. Das Wahlprogramm wird nicht allzu konkret, doch macht diese Linie erneut deutlich.

SPD

Die SPD möchte beim Bürgergeld, welches sie 2023 eingeführt hatte, offenbar nicht viel justieren. Sie spricht lediglich von mehr Ressourcen für Jobcenter und mehr Unterstützung von Bürgergeldbeziehern, etwa bei Weiterbildungsmaßnahmen. Sie plädiert zwar für ein “Prinzip des Forderns”, hebt insgesamt jedoch vor allem die Interessen der Bezieher hervor.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das Bürgergeld ist ein Flaggschiffprojekt der SPD, insofern kann sie nur eingeschränkt Änderungen ankündigen. Da sich jedoch inzwischen Mehrheiten der Deutschen für eine strengere Grundsicherung aussprechen, versucht die SPD in ihrem Wahlprogramm einen (nicht allzu elanvollen) kommunikativen Spagat.

Grünen

Die Grünen möchten am Bürgergeld festhalten, es aber “regelmäßig anpassen“, um ein “soziokulturelles Existenzminimum” zu garantieren – also tendenziell nach oben. Die Partei bietet Begründungen für die aktuelle Ausgestaltung des Bürgergelds und formuliert einen Fokus auf QualifizierungWeiterbildung sowie “nachhaltige Vermittlung“, scheint aber keine substantiellen Änderungen zu planen.

FDP 

Die FDP möchte das Bürgergeld “grundlegend” reformieren, den Regelsatz senken und Arbeitsanreize in den Vordergrund stellen. Das bedeutet auch eine “aktive Bringschuld” von Beziehern mitsamt “Beweislast“. Sanktionen kehren verstärkt zurück, was auch reduzierte Sozialleistungen und höhere Zumutbarkeitsregeln (z.B. was Pendelstrecken betrifft) bedeutet. Wie die Union verdächtigt die FDP Missbrauch” und will Jobcenter etwa Autobesitz, Vermögen und Konten der Bezieher prüfen lassen.

Die FDP kritisiert weiterhin das “komplexe Zusammenspiel” verschiedener Sozialleistungen, etwa Wohngeld und Bürgergeld und mahnt, dass das zu heftigen Fehlanreizen am Arbeitsmarkt führen könne. Die Leistungen sollen deswegen besser “abgestimmt” und in einer staatlichen Stelle zusammengefasst werden.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Die FDP bietet eine erwartete Abschwächung des Bürgergelds, welches sie zwar einst mittrug, doch stets nur mit der Greifzange. Ob sie oder die Union die Grundsicherung stärker verschärfen würden, ist unklar, doch die Pläne beider Parteien ähneln einander. 

AfD 

Die AfD findet, dass das aktuelle Bürgergeld “nicht funktioniert” und schlägt stattdessen eine “Aktivierende Grundsicherung” vor. Die Partei deutet dabei mehr Sanktionenund Strenge an, bestätigt das aber nirgendwo mit Forderungen oder Vorschlägen. Stattdessen spricht sie lieber über bessere Matchingverfahren und Weiterbildungen. Eine auffällig konkrete Ausnahme: Wer nach 6 Monaten noch Bürgergeld erhält, soll zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden. Wie Union und FDP erkennt die AfD außerdem viel Betrug und will dem durch “biometrische Identitätsfeststellung” und besserer Datenteilung zwischen Jobcenter und Agenturen entgegenwirken. Und aus Sorge für Jobcenter-Mitarbeiter will sie deren “persönliche Sicherheit” erhöhen.

Besonders scharfe Regeln will die AfD für Ausländer: Sie sollen nur dann Bürgergeld erhalten dürfen, wenn sie in Deutschland 10 Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und auch dann nur maximal ein JahrlangUkrainische Flüchtlinge, die rechtlich bisher separat von Asylbewerbern behandelt wurden und Zugriff aufs Bürgergeld hatten, sollen diesen Sonderstatus verlieren

Gedanken der whathappened-Redaktion: Das AfD-Programm ist uneindeutig; ihr Konzept einer “Aktivierenden Grundsicherung” ebenso (irritierend ist dabei auch, dass die AfD ihren Konzeptnamen im Programm nur zwei Mal erwähnt und stattdessen fast ausschließlich “Bürgergeld” schreibt). Was genau sich ändern soll, wird nicht klar. Auch bei anderen Themen bleibt die Partei zwar spärlich mit Vorschlägen, doch formuliert immerhin Beschwerden, Wünsche oder Forderungen; bei der Grundsicherung bleibt selbst das eher diffus. Ausnahmen sind ihr sehr konkreter Vorschlag für gemeinnützige Arbeit und die klaren Einschränkungen gegen Ausländer.

Linke

Die Linke will das Bürgergeld erhöhen und zu einer völlig “sanktionsfreien Mindestsicherung” umgestalten. Die Armutsgefährdungsgrenze, derzeit 1.400 EUR und durch 60 Prozent des Medianlohns definiert, soll die Höhe des Bürgergelds bestimmen. Gewisse staatliche Transferleistungen, die bisher auf das Bürgergeld angerechnet wurden, sollen es nicht mehr tun – etwa das Kindergeld.

BSW

Das BSW möchte das Bürgergeld ersetzen, nämlich durch eine “leistungsstarke und leistungsgerechte Arbeitslosenversicherung und eine faire Grundsicherung”. Empfänger sollen zum einen “gezielt unterstützt” werden, etwa durch Qualifizierungsangebote, müssen zum anderen aber mit “Konsequenzen” rechnen, wer Maßnahmen ohne triftige Gründe ablehnt. Insgesamt bleibt das BSW damit vage und verspricht gleichzeitig Förderung und Forderung, aber vermeidet es, Konkretes zu sagen. Wie die AfD äußert auch das BSW Unbehagen über den Ausländeranteil in der Grundsicherung, formuliert anders als die Rechtsaußen aber keine konkreten Vorschläge.

Volt

Im Programm von Volt tauchen die Begriffe “Bürgergeld” oder “Grundsicherung” tatsächlich kein einziges Mal auf. Die Partei formuliert jedoch ein “existenzsicherndes Grundeinkommen“, welches bei “fehlendem Einkommen” ausgezahlt wird, und zwar “automatisch und ohne Antrag”. Das soll an eine negative Einkommenssteuer angeknüpft werden und offenbar sämtliche bestehenden Sozialleistungen ersetzen. Es sollte nicht mit einem bedingungslosen Grundeinkommen verwechselt werden, da es eben offenbar als negative Einkommenssteuer ausgezahlt würde. Details bleiben leider rar.

Gedanken der whathappened-Redaktion: Der Volt-Plan ist radikal und dadurch spannend (Ökonomen turteln gelegentlich mit negativen Einkommenssteuern anstelle von Sozialleistungen), lässt in seiner aktuellen Form allerdings sehr viele Fragezeichen offen. Damit bietet die Partei beileibe keinen funktionalen Vorschlag, sondern bestenfalls einen Diskussionsansatz.

Fazit

Du hältst das Bürgergeld für zu großzügig? Union und FDP stimmen zu, und zwar in scheinbar ähnlichem Maße, nur dass die Union einen eigenen Projektnamen dabei hat. Du hältst es für genau richtig? SPD und Grüne wollen an ihrer Flaggschiffreform wenig überraschend festhalten und bieten in ihren Programmen praktisch keinerlei ernsthafte Änderungsvorschläge. Du hältst es für zu geringfügig? Die Linke möchte es erhöhen. Was exakt AfD und BSW vorhaben, ist der whathappened-Redaktion nicht ersichtlich – außer, dass beide Einschränkungen bei Ausländern und Flüchtlingen planen (das BSW angedeutet, die AfD ausdrücklich). Volt will den Ökonomen unter seinen Wählern ein spannendes Experiment servieren, doch formuliert die Details leider kaum aus.

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